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Richard Dawkins' ÄußerungBiologe gegen Down-Syndrom-Babys

„Treib es ab und versuch es nochmal“, schrieb Richard Dawkins über ungeborene Babys mit Down-Syndrom. Nun hat sich der streitbare Biologe entschuldigt.

Behindertenverbände, Eltern und Twitternutzer reagierten empört auf Dawkins Äußerung

BERLIN taz | Der umstrittene Biologe und Religionskritiker Richard Dawkins schreibt auf Twitter, es sei „unmoralisch“ Kinder mit Down-Syndrom auf die Welt zu bringen, wenn man schon in der Schwangerschaft von der Behinderung erfahre. Tausende reagieren empört.

Eigentlich müsste Dawkins Empörung gewöhnt sein. Mit seinen Äußerungen zum Islam oder zu Vergewaltigungen hat er in der Vergangenheit immer wieder Ärger auf sich gezogen. Diesmal scheint der Ärger aber so groß, dass Dawkins sich entschuldigt.

Eine Twitternutzerin hatte am Donnerstag geschrieben, sie wisse nicht, was sie täte, wenn sie herausfände, dass ihr ungeborenes Kind Down-Syndrom hätte. „Ein echtes ethisches Dilemma“, schrieb sie. Für Dawkins hingegen schien die Antwort klar: „Treib es ab und versuch es nochmal. Es wäre unmoralisch, es auf die Welt zu bringen, wenn du die Wahl hast.“

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Behindertenverbände, Eltern und Twitternutzer reagierten empört. „Menschen mit Down-Syndrom leisten einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft", kommentierte die Down-Syndrom-Association. Auf Twitter posteten Leute Bilder von Geschwistern, Freunden und Kindern mit Down-Syndrom und schrieben, wie sehr diese ihr Leben bereicherten.

Neue Methoden der Pränataldiagnostik

Auf seinem Blog Abortion and Down Syndrom entschuldigte sich Dawkins nun. Die 140 Zeichen seines Tweets seien missverstanden worden. „Natürlich ist es Ihre Entscheidung. Wenn ich allerdings vor dieser Frage stünde, würde ich mich dafür entscheiden, das Kind abzutreiben und es noch einmal zu versuchen“, so Dawkins.

„Wenn Ihre Moralvorstellungen so sind wie meine, das heißt, wenn Sie sich wünschen, dass Ihr Kind so glücklich wie möglich und mit so wenig Leid wie möglich lebt..., dann könnte es aus Sicht des Kindes unmoralisch sein, es auf die Welt zu bringen.“

Hintergrund der Debatte sind die neuen Methoden der Pränataldiagnostik. Seit wenigen Jahren sind sogenannte nicht-invasive pränatale Tests zugelassen, mit denen schon ab der neunten Schwangerschaftswoche festgestellt werden kann, ob ein ungeborenes Kind unter einer Trisomie 18, 21 oder 23 leidet. Dafür wird der Schwageren lediglich Blut abgenommen. Die Tests können somit nicht nur früher als die herkömmlichen angewendet werden, sie sind auch wesentlich ungefährlicher.

Die Zulassung ist dennoch schwer umstritten. Behindertenverbände und Ethikkommissionen fürchten, dass das risikoarme Verfahren dazu führt, dass mehr Eltern die Tests machen und sich für eine Abtreibung entscheiden.

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15 Kommentare

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  • Schon Peter Singer hat die Wut der Behindertenverbände abbekommen. Diese haben, wie Mensch heute wieder sieht, nicht einmal diesen falschen Wutausbruch überwunden. Wahrscheinlich wieder nicht einmal die entsprechenden Texte von Dawkin gelesen. Recht auf Leben können nur leidensfähige Wesen haben. Ein Fötus wird erst gegen Ende der Schwangerschaft leidensfähig. Abtreibung ablehnen, weil dadurch Recht auf Leben verletzt wird, würde demnach konsistent auch heißen jede Verhütung abzulehnen. Weil konsistent dann jedes potenzielle leidensfähige Wesen Recht auf Leben hat. Steht Mensch vor der Entscheidung, ein Kind mit schwerer Behinderung und mit hoher Wahrscheinlichkeit leidvolleren Leben, als ein Leben ohne Behinderung, oder ein gesundes Kind in einem zweiten Versuch zu bekommen, ist aus formal logischer utilitaristischer Sicht die zweite Option zu bevorzugen. Die meisten Menschen stimmen dem auch zu, wenn sie wählen müssten zwischen einem Leben mit oder ohne Behinderung.

  • es geht um die medizinische indikation bei abtreibungen, strafrechtlich relevant. also ultrakronkretistisch.

     

    herr dawkins nimmt auch nichts zurück, in deem sinne. und ist ganz konventionell auf einer legitmierten rechtsauffassung.

     

    die extrem wütenden anti-abreibungaktivistenmachen halt dampf - ebenso unltrakonkretistisch, mit utiliaristischen "kurzgeschorener verstand" argumenten (a la singer auf der gegenseite).

     

    so richtriug phiospophisch idt da akllesnbicht: da müsste eine echte "psyche"-theorie her...

     

    der wink mit dem zaun aus der "fressen und gefresen werden" nahrungskette biologie ist ziemlich eindeutig: da stirbts sich schnell, wenn man nicht schnell genug ist und nicht nur dann..

     

    und dann geht es richtig in die " dummheit der mittel der natur"...

     

    "auch dich schuf die göttliche liebe" steht über dantes hölle

     

    allgüte? gegensinn dser urworte???

  • Dawkins beschreibt in seinem Blog eine Gruppe von Antwortenden, die darauf verweisen, dass das Leben von und mit Menschen mit Trisomie 21 sehr schön sein kann und dabei die üblichen liebevollen Bindungen entstehen. Er schreibt:

    "I have sympathy for this emotional point, but it is an emotional one not a logical one. It is one of a common family of errors, one that frequently arises in the abortion debate." Diesen Konter finde ich grandios. In der Debatte (nicht nur) der angelsächsischen "Philosophen" ist es zurzeit sehr beliebt, ethische Probleme logisch lösen zu wollen und damit Logik und Emotion gegeneinander auszuspielen. Die in dem Blog dann folgende Erläuterung des "Denkfehlers" derer, die emotional argumentieren, erscheint sehr schlau. Sie wirkt aber erst durch die trennende Kategorisierung von Logik und Emotio in einer schon im Ansatz auch emotionalen Frage konsistent. Die Strategie dahinter unterschlägt, dass auch die Logik von Leidaufrechnung ihrerseits allein unter emotionalen Aspekten sinnvoll ist. Dawkins' "Logisierung", die eine Vorausberechenbarkeit emotionaler Kosten behauptet, ist damit auf einer grundsätzlichen Ebene inkonsistent. Leider ist das das Niveau, auf dem die ganze sogenannte Elite der Zunft arbeitet. Zuerst reduzieren sie Komplexität, dann "entdecken" sie die logischen Strukturen, die sie noch übrig gelassen haben, und im Anschluss machen dann die, die den ersten Schritt verweigern, "Denkfehler". Vielleicht halten sie auch einfach nur nicht aus, dass die Konfrontation mit einem behinderten Embryo in jedem einzelnen Fall und immer wieder neu ein schwieriges Problem bleibt, dem man mit Logik allein nicht beikommen kann. Fazit: Blablablabla. Im Übrigen widert mich das Rechnen mit Menschen furchtbar an.

     

    Und noch zur Verteidigung Betroffener durch die Down-Syndrom Association: Es ist doch hoffentlich nicht entscheidend bei der Beurteilung des Themas, ob die Leute wertvolle Beiträge zur Gesellschaft leisten?!?

  • Das Problem ist doch, dass Dawkins wieder mal gemeint hat seine Meinung sei die einzig moralische. Es gibt durchaus Gründe, Föten mit offensichtlichen Behinderungen abzutreiben - aber letztendlich ist dies ja immer noch die Entscheidung der Schwangeren. Dawkins aber meint, dass Föten mit Down-Syndrom nicht abzutreiben *unmoralisch* ist, und das *immer*.

     

    Erstens heißt das, auch er will den Frauen die Entscheidung nehmen, nur eben in die andere Richtung, und zweitens kann man zu so einer Schlussfolgerung nur kommen, wenn man denkt Menschen mit Down-Syndrom seien immer, generell lebensunwert.

     

    Ich denke diese Unterscheidung ist wichtig: Das schlimme ist nicht, dass Dawkins gesagt hätte man könne Föten mit Down-Syndrom abtreiben. Das schlimme ist, dass er dies *unbedingt fordert*.

    • @Pascal:

      Dawkins hat klargestellt, dass es sich um seine persönliche Haltung zu dem Thema handelt.

       

      Wenn ich etwas "unbedingt fordere", dann sage ich doch nicht so etwas wie "Natürlich ist es Ihre Entscheidung.".

      • @Megestos:

        In seinem späteren Tweet. Als es schon Aufregung gegeben hat. Er hat einfach zurückgerudert, das ist alles.

  • Tja, und was ist daran jetzt anders, als die dauernde Abtreibung 'weils halt grad nicht passt, mit Freund oder Karriere'?

  • Kein Wunder, daß ein Atheist die Tötung "lebensunwerten" Lebens empfiehlt. In einer gottlosen Welt des Nihilismus gibt es halt kein unverfügbares Lebensrecht.

    • @Plumpe Emil:

      Atheismus ist nicht gleich Nihilismus, und ich glaube nicht, daß Herr Dawkins ein Nihilist ist. Vielleicht sollten Sie sich einmal belesen, was Nihilismus ist, und welche Strömungen es bei ihm gibt.

      Was die Frage des Umgangs mit dem Down Syndrom selbst betrifft, so ist dies eine moralische Frage, die den Rahmen einer Wortmeldung hier sicherlich sprengt. Aufgrund meines Berufes kenne ich einige wenige Menschen mit DS. Das DS gibt es ja in verschiedenen Ausprägungen. Manche kommen einigermaßen klar, manche bräuchten am besten ständige Betreuung. Ob bei diagnostiziertem DS der Fötus abgetrieben werden sollte, bleibt die Entscheidung der Mutter, hier würde ich mir weder eine Empfehlung noch eine Wertung anmaßen. Zumindest kann ich nicht erkennen, daß es erstrebenswert wäre, ein Kind mit DS zu bekommen.

    • D
      D.J.
      @Plumpe Emil:

      Gibt es das in Bibel und Koran?

      • @D.J.:

        In der christlichen Religion gewiß, da Gott das Leben gibt - und der Mensch es nicht nehmen soll.

        • @Plumpe Emil:

          Ein Embryo hat kein Bewusstsein, keine Leidensfähigkeit - anders als die werdenden Eltern!

           

          Ich habe in so einem Fall Mitgefühl mit den Eltern und ihren Wünschen und Ängsten, denn die sind fühlende, lebende Menschen. Ich finde es grausam, im Namen eines Embryos über das Leben von erwachsenen, fühlenden und denkenden Menschen zu entscheiden.

      • @D.J.:

        Da kann ich nur für die Bibel sprechen, da ich den Koran nicht kenne. Wer Gott nicht paßt, wird von IHM terminiert, sei es durch Wasser, Feuer vom Himmel, die biblischen Plagen, usw. usf.

        • @Der_Peter:

          Im Kontext dieses Artikels geht es allerdings ausschließlich um die Frage, ob es eine transzendente Hemmung des menschlichen Tötungsbegehrens "unwertem" Leben gegenüber gibt.

          • @Plumpe Emil:

            Von "unwertem Leben" sprechen nur Sie.

             

            Ich sehe lediglich, dass offenbar in der erlaubten 12 Wochenfrist eine Abtreibung aus welchen Gründen auch immer möglich ist. Überlasst es doch den Eltern sich für oder gegen eine Abtreibung zu entscheiden.

             

            Nebenbei bin ich der festen Überzeugung, dass eine gottlose Welt sicher eine friedlichere wäre!