Rettungsanker EZB: Bundesregierung stellt sich stur
Merkel weigert sich auch weiterhin, die EZB stärker zur Rettung der Schuldenländer einzuspannen. Und Bundesbank-Chef Weidmann malt den Schrecken der Hyperinflation an die Wand.
BERLIN taz | Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Schuldenkrise blicken die Europäer hoffnungsvoll auf Deutschland. Doch sowohl Bundesregierung als auch Bundesbank scheinen sich ihrer Verantwortung nicht bewusst zu sein. Trotz zum Teil heftiger Turbulenzen auf den Aktien- und Anleihenmärkten auch am Mittwoch blieben die Verantwortlichen in Berlin und Frankfurt stur. "Wir sehen die Verträge so, dass die Europäische Zentralbank (EZB) keine Möglichkeit hat, die Probleme zu lösen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Und auch Bundesbankchef Jens Weidmann warnte wiederholt davor, bei einer Eskalation der Schuldenkrise die Notenpresse der EZB anzuwerfen.
Spekulanten hatten am Dienstag ihren Zockerradius auf die gesamte Währungsunion ausgeweitet. Nach den Krisenländern Italien, Spanien und Griechenland nehmen die Anleger damit auch bislang wirtschaftlich robuste Länder ins Visier. In großen Mengen zogen sie ihre Gelder aus Frankreich, Österreich, den Niederlanden, Finnland und Belgien ab. Nur Deutschland gilt noch als sicher. Der Abstand von Bundesanleihen zu Staatsanleihen der Nachbarländer stieg auf neue Rekordwerte. Bleiben die Zinssätze dieser Länder für längere Zeit hoch, droht ihnen nicht nur die Zahlungsunfähigkeit. Der Euro insgesamt ist in Gefahr. Die Schuldenkrise hat damit die Kernstaaten der Währungsunion erreicht.
Bundesbank bleibt hart
Europaweit mehren sich die Stimmen, dass die EZB nicht nur wie seit Kurzem in begrenztem Umfang italienische, portugiesische und spanische Staatsanleihen kauft, sondern dauerhaft und unbegrenzt für alle ausstehenden Kredite der in die Bredouille geratenen Euroländer einsteht. Nur so könne auf den Märkten das Vertrauen in den Euro zurückgewonnen werden.
Doch besonders Bundesbank-Chef Weidmann bleibt hart. Er spricht von "süßem Gift" für die Schuldenstaaten, die dann ihre Sparmaßnahmen nicht mehr ernsthaft in Angriff nehmen würden, und holt die ganz große Keule heraus: Hyperinflation.
Davon kann zumindest bislang keine Rede sein. Wie das statistische Amt der Europäischen Union am Mittwoch mitteilte, liegt die jährliche Inflationsrate bei 3,0 Prozent, im Vergleich zum Vormonat sind die Preise um 0,3 Prozent gestiegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!