Rettungsaktion von Sea Watch gestört: Libysche Attacke auf Flüchtlinge
Die libysche Küstenwache hat ein Flüchtlingsboot in internationalen Gewässern bedrängt. 30 Menschen sollen ertrunken sein, sagt Sea Watch.
In der Nacht zum Freitag war das Rettungsschiff „Sea Watch 2“ von der italienischen Rettungsleitstelle zu einer Unglücksstelle rund 14 Seemeilen nördlich der Küstenstadt Sabratah gerufen worden. Dort saßen etwa 150 Menschen in einem manövrierunfähigen Boot. Die Besatzung der „Sea Watch“ begann, Rettungswesten auszugeben. „Wir hätten die Aktion ohne Verluste von Menschenleben in 90 Minuten beenden können“, sagt Werth.
Dann jedoch sei das Boot der Küstenwache erschienen und habe die Helfer abgedrängt. Werth sagt, er habe beobachtet, wie einer der libyschen Küstenwächter auf das Flüchtlingsboot stieg und dabei mit einem Stock auf die Insassen eingeschlagen habe. Nach einiger Zeit seien die Libyer wieder abgefahren. Es sei nicht klar geworden, was sie wollten, sagte Werth.
Kurz darauf platzte einer der Schwemmkörper des Flüchtlingsboots – etwa an der Stelle, an der das Boot der Libyer angedockt habe. Daraufhin seien die Flüchtlinge in Panik geraten und ins Wasser gerutscht. Die Besatzung der „Sea Watch“ konnte 120 von 150 Menschen bergen.
Die libysche Marine hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Soldaten einer Patrouille seien in der Nacht zum Freitag an Bord eines Hilfsschiffs gegangen, um zu überprüfen, weshalb sich das Schiff in libyschen Hoheitsgewässern aufhielt, sagte ein Sprecher der Marine am Samstag in Tripolis. „Die Besatzung gibt vor, dass wir sie angegriffen haben und es mehrere Tote gab. Aber das stimmt nicht, und wir fordern sie auf, Beweise für diesen Zwischenfall vorzulegen“, ergänzte er.
An Bord der „Sea Watch 2“ war der Berliner Fotograf Christian Ditsch. Er hat die Aktion der libyschen Küstenwache fotografiert. Eines seiner Bilder zeigt die Radaranlage des Schiffs. Die dort zu erkennenden Koordinaten zeigen einen Aufenthaltsort in internationalen Gewässern an.
In den letzten Monaten waren Seenothelfer mindestens zweimal mit Schüssen von mutmaßlichen libyschen Küstenwächtern angegriffen worden. Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer kritisiert, dass die EU mit der libyschen Marine im Rahmen ihrer „Sophia“-Mission gegen Schleuser zusammenarbeiten will. Am Mittwoch begann die Ausbildung von Mitgliedern der libyschen Küstenwache durch die EU. Es seien bereits zwei Schiffe Italiens und der Niederlande auf dem Weg in internationale Gewässer vor der libyschen Küste, wo die Ausbildung beginnen soll. Die im Mittelmeer im Einsatz befindliche EU-Mission „Sophia“ darf selbst nicht in libyschen Hoheitsgewässern tätig werden.
Mit der Überprüfung der Auszubildenden will die EU sicherstellen, dass sich unter ihnen keine Anhänger radikaler Gruppen wie der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) befinden. Außerdem wollen die Europäer keine Küstenwächter ausbilden, die in Korruption verstrickt sind und mit Schleppern gemeinsame Sache machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter