Rettung auf dem Mittelmeer: Umkämpftes Gewässer
Die italienische NGO Emergency rettet Geflüchtete auf dem Mittelmeer. Ihre Arbeit wird zunehmend eingeschränkt. Unterwegs auf einem Rettungsboot.
M ohammad*, ein junger 24-jähriger Syrer, steigt die Stufen des Schiffes hinauf. Die See um ihn herum ist rau, hohe Wellen schlagen gegen den Rumpf und bringen das Schiff zum Schwanken. Flavio, ein junger Freiwilliger an Bord, streckt seine Hand aus und hilft ihm, auf das Deck zu steigen. Die beiden umarmen sich, Mohammad bedankt sich und schaut sich um. Er wirkt müde. Nach einer siebenstündigen Qual auf offener See ist er endlich in Sicherheit, sein Boot geriet in Seenot bevor er von dem Team von Emergency gerettet wurde. Das italienischen NGO führt mit seinem Boot „Life Support“ Such- und Rettungsaktionen im Mittelmeer durch. Nach den ersten Schritten an Deck atmet Mohammad erleichtert auf.
Ein Stück weiter berührt Marzia, eine junge Krankenschwester, sanft seine Schulter, fragt, wie es ihm geht, und begleitet ihn zu einer der Bänke auf dem Deck. Hier führt das medizinische Team eine erste Untersuchung durch, überprüft seinen Gesundheitszustand. Er war in der Nacht zuvor mit 51 anderen Menschen aus Zuwara in Libyen abgereist. Seine Reise ähnelt der von Tausenden von Menschen, die verzweifelt versuchen, Europa zu erreichen. Sie überqueren das Mittelmeer oftmals mit instabilen Booten.
Das macht das zentrale Mittelmeer zur tödlichsten Migrationsroute der Welt. Laut dem Missing Migrants Project (MMP) der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kam es zwischen 2014 bis Mai 2024 zu etwa 24.000 Todesfällen, 1.018 davon allein im Jahr 2024. Das MMP betont, dass das zentrale Mittelmeer auch die Route ist, auf der „die meisten Menschen verschwinden“. Bei vielen gesunkenen Booten werden die Toten nicht registriert, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. Dass die Arbeit von NGOs wie Emergency immer wieder von lokalen Behörden eingeschränkt wird, befeuert laut dem Projekt die hohen Todeszahlen weiter.
Auch Italien hat eine lange Tradition restriktiver Politik gegenüber NGOs. Mit der Ernennung Giorgia Melonis als Premierministerin 2022 setzte sich dieser Trend fort. Vor allem das Piantedosi-Dekret, benannt nach dem italienischen Innenminister Matteo Piantedosi, das Anfang 2023 eingeführt wurde, schränkt die NGOs in ihrer Arbeit ein. Es verbietet Crews wie der von „Life Support“, mehr als eine Rettung pro Fahrt durchzuführen. Sie müssen nach einer Aktion gleich einen vorgegebenen Hafen ansteuern. Zudem ermöglicht es das Festhalten von Rettungsschiffen, die nicht mit der libyschen oder tunesischen Küstenwache zusammenarbeiten – mit Geldstrafen bis zu 50.000 Euro bei Nichteinhaltung.
Auch können durch das Dekret Schiffen Häfen zugewiesen werden, welche die Geflüchteten weit weg von dem Gebiet ausschiffen, in dem die Rettung stattfand. Dadurch müssen die Rettungsboote weite Strecken zurücklegen, was hohe Treibstoffkosten verursacht. Das Dekret wurde von NGOs scharf kritisiert, fünf Organisationen hatten bei der Europäischen Kommission vergangenes Jahr eine Beschwerde eingelegt. Sie soll prüfen, ob Italien damit gegen EU-Recht verstößt.
An Bord der „Life Support“ verlaufen nicht alle Rettungsaktionen so erfolgreich wie die von Mohammad: Einige Tage zuvor fährt das Schiff in die maltesische SAR-Zone ein. „Von nun an müssen wir auf alles vorbereitet sein und unsere Funkgeräte auf hoher Lautstärke eingeschaltet halten“, motiviert Ani die Crew. Sie kommt aus Asturien und koordiniert die Operationen des 30-köpfigen internationalen Teams. Die Crew wird zu einer Notfallsitzung zusammengerufen, Frontex hat dem Schiff einen Notruf weitergeleitet. Sie haben rund 40 Menschen an einer tunesischen Gasplattform gesichtet. Wo sich Schiffbrüchige aufhalten, bekommt die Crew auch über eine Notfall-App sowie zivile Luftaufklärungsflugzeuge mit. Die Plattform ist eine riesige Struktur, die von hohen Pylonen getragen wird. Sie ist über eine Treppe erreichbar, die in den Wellen zu verschwinden scheint. Die Schiffbrüchigen haben sich auf einem Art Zwischengeschoss verbarrikadiert. Nicht weit entfernt treibt ein leeres Schlauchboot vorbei.
„Wir segeln dorthin, es ist ein paar Meilen entfernt, seid bereit einzugreifen“, sagt Ani über Funk. Wenig später kommt der letzte Funkspruch, es ist Zeit zu handeln. Sobald Sie das Gebiet erreicht haben, werden die Rettungsboote ins Wasser gelassen, um zur Plattform zu fahren. „Wir haben die Freigabe, dass wir uns nähern können“, informiert Ani. An Bord eines der beiden Rettungsboote nimmt Ian, ein schwedischer Steuermann in den Siebzigern, bei hohem Wellengang Fahrt auf, es weht ein starker Wind. Die Plattform ist nur wenige hundert Meter entfernt. „Ich kann sie sehen, sie sind in der Nähe der Treppe“, ruft Bader, ein Kulturvermittler der „Life Support“ aus Marokko. Er wird in Situationen wie diesen besonders gebraucht, da er den ersten Kontakt herstellt. Gleichzeitig muss er die Menschen an Bord beruhigen und wichtige Informationen übersetzen.
Die Schlauchboote der „Life Support“ werden gebeten, 500 Meter von der Plattform entfernt zu bleiben. In dieser Position vergehen Stunden, mittlerweile ist es Nacht. Es herrscht intensive Anspannung, dem Team sind die Hände gebunden, sie dürfen nur auf Kommando eingreifen. Das Team versucht ständig, mit der Plattform in Kontakt zu treten, ohne jemals eine Antwort zu erhalten. Dann nähert sich ein Licht einer Marineeinheit. Der flackernde Schein einer Fackel, die von den Schiffbrüchigen gehalten wird, verschwindet hastig. Plötzlich kommt ein Befehl von der Kommandobrücke der „Life Support“, zum Mutterschiff zurückzukehren. Trotz eines anfänglich grünen Lichts für die NGO einzugreifen, verweigert die Plattform jetzt jede Intervention. Die „Life Support“ soll die Schiffbrüchigen an eine tunesische Marineeinheit übergeben. Auf dem Rettungsboot schauen sich alle an und ein Schrei der Missbilligung durchbricht die Stille.
Bader von der Crew der „Life Support“
Die „Life Support“ weigerte sich erst, die Schiffbrüchigen an die tunesischen Behörden zu übergeben, da Tunesien kein sicherer Hafen für Menschen auf der Flucht ist. Während des Rettungsversuchs versuchte die „Life Support“ zudem, mit den maltesischen und italienischen Seenotleitstellen in Kontakt zu treten, ohne eine Antwort zu erhalten. „Das sind die Bedingungen, unter denen wir arbeiten“, kommentiert Ani seufzend. „Ich konnte deutlich zwei Kinder und einige Frauen sehen, dann kam der Ruf umzukehren“, sagt Bader. Seine Stimme erstickt vor Wut, sein Blick ist auf das Meer gerichtet. „Diese Szene bleibt mir im Gedächtnis.“ Die „Life Support“ wollte im Nachgang von den tunesischen, italienischen und maltesischen Behörden sowie von Frontex erfahren, wo die Schiffbrüchigen genau hingebracht wurden. Ihre Anfragen blieben jedoch unbeantwortet.
Die Ablehnung erfolgt knapp elf Monate nach dem in Tunis unterzeichneten Migrationsdeal zwischen der EU und Tunesien. Dieser sieht vor, dass die Europäische Kommission dem nordafrikanischen Land 105 Millionen Euro für Grenzmanagement und Schmuggelbekämpfung zur Verfügung stellt. Laut einem Bericht der Financial Times sollen sogar 164 Millionen Euro über drei Jahre an tunesische Sicherheitskräfte fließen. In dem Deal wurde auch verhandelt, dass sich tunesische Boote auf See aufhalten und die Menschen an Bord nach Tunesien zurückbringen sollen – auch Schiffbrüchige. Der Deal erntete scharfe Kritik vonseiten verschiedener Organisationen wie etwa Human Rights Watch (HRW).
„Die tunesischen Behörden haben Migranten misshandelt, rassistische und fremdenfeindliche Einstellungen geschürt, und sie haben Menschen, die mit Booten geflohen sind, denen in Tunesien ernsthafter Schaden droht, zwangsweise zurückgeführt“, sagte Lauren Seibert von HRW im Juli. Laut HRW hat die tunesische Polizei, das Militär und die Nationalgarde einschließlich der Küstenwache schwere Menschenrechtsverletzungen begangen. HRW spricht von Schlägen, übermäßiger Gewaltanwendung, einigen Fällen von Folter, willkürlichen Verhaftungen, kollektiven Vertreibungen, gefährlichen Aktionen auf See, Zwangsräumungen und Diebstahl von Geld und Habseligkeiten. „Mit diesen Mitteln trägt die EU eine Mitverantwortung für das Leid von Migranten, Flüchtlingen und Asylsuchenden in Tunesien“, so Seibert. Auch Ani erzählt, dass es seit dem Migrationsdeal immer häufiger dazu kommt, dass ihnen Rettungsaktionen verweigert werden.
Zurück an Bord: Seit dem Vorfall an der tunesischen Gasplattform sind nur wenige Stunden vergangen, es bleibt keine Zeit, über den Vorall nachzudenken. Das Boot steuert gerade auf die libysche Sonderverwaltungszone zu. Es herrscht hoher Wellengang, das Schiff schwankt. Plötzlich ertönt Anis Stimme in allen Funkgeräten: „An alle Rettungskräfte, bereitet euch auf eine Rettungsaktion vor.“ Vom Außendeck ist ein Boot mit mindestens 50 Menschen zu sehen, es ist ganz in der Nähe der „Life Support“. „Wir sind eine italienische humanitäre Organisation, bleiben Sie ruhig“, ruft Tareq, einer der Kulturvermittler aus Syrien, durch ein Megafon. Einige Leute aus dem in Not geratenen Boot fangen an zu schreien, andere fuchteln mit den Armen.
An Deck nimmt das Team der „Life Support“ seine Position ein, jeder schaut aufs Meer. Innerhalb von Sekunden werden die Rettungsboote ins Wasser gelassen, viel Zeit bleibt nicht. Eines der Rettungsboote kommt in die Nähe der Geflüchteten, durch den hohen Wellengang ist die Situation extrem gefährlich. Jonathan, ein Retter an Bord eines der Beiboote, gibt Ian Anweisungen, indem er sich auf den Bug stellt: „Fünf, vier, drei, zwei, eins. Ein bisschen, ein bisschen, zurück! Jetzt hör auf!“ Das Rettungsboot ist nur wenige Meter von dem anderen Boot entfernt und mit Hilfe der Crew der „Life Support“ werden Rettungswesten an die Geflüchteten verteilt. Das zweite Rettungsboot nähert sich dem anderen, langsam werden die Schiffbrüchigen in kleinen Gruppen auf die Rettungsboote gebracht.
„Es war eine enge Annäherung, eine sehr riskante Situation“, sagt Nicola, ein italienischer Retter nach der Aktion. „Angesichts der hohen Wellen hätte das Boot kentern können, also haben wir die Schwimmwesten so schnell wie möglich verteilt.“ Als sich das Rettungsboot dem in Not geratenen Boot näherte, fiel Nicola auf, dass es ein Doppeldeck hatte: „Es waren Menschen unter Deck und es lag ein starker Benzingeruch in der Luft. Sofort bemerkte ich einen Mann, der regungslos dalag“, erzählt er. „Wir dachten, er sei ohnmächtig geworden, wir waren sehr besorgt.“
Die Boote müssen mehrmals zwischen dem Mutterschiff und Rettungsboot hin und her fahren, bevor alle Schiffbrüchigen an Bord der „Life Support“ gebracht werden. Die meisten, erschöpft von der Müdigkeit, können kaum stehen. Einer Frau sieht man den Schmerz ihrer Reise an ihrem Blick an. Sara, eine sardische Krankenschwester und Leiterin des medizinischen Teams, empfängt sie einzeln und überprüft mit dem Team ihren Gesundheitszustand. „Viele leiden unter Dehydrierung und körperlichen Schmerzen von der Reise“, erklärt sie.
Die insgesamt 52 Schiffbrüchigen kommen aus Pakistan, Bangladesch, Syrien, Ägypten und Nigeria. Auch Mohammad wurde bei dieser Aktion gerettet. Das Notfallteam bringt sie in den Schutzbereich, einen Ort des Schiffes, an dem sich eine kleine Klinik befindet. Nach weiteren medizinischen Untersuchungen wird klar, dass keine schwerwiegenden klinischen Fälle vorliegen. Einige Stunden nach der Rettung kommt Kapitän Domenico von der Brücke herunter, um zu den Schiffbrüchigen zu sprechen: „Ich teile Ihnen mit, dass die italienischen Behörden uns den Hafen von Catania zur Ausschiffung gegeben haben, morgen Abend werden Sie in Italien sein.“
Ein Applaus bricht aus, Amhed*, ein 24-Jähriger aus Aleppo, umarmt Abdel* und Mohammad, seine Mitreisenden. Die Crew hat Glück, dass das Boot einen so nahen Hafen wie Catania anfahren kann. „Wir sind gestern Abend aus Zuwara, Libyen, abgereist. Die See war sehr rau, wir mussten durch die Wellen laufen, bevor wir das Boot erreichten, das Wasser stand uns bis zur Brust, wir hatten alle Angst zu ertrinken“, erinnert er sich.
Ahmed wollte nicht mehr in Aleppo bleiben. Über Jordanien reiste er aus Syrien in den Libanon, wo er drei Jahre blieb. „Vor fünf Monaten habe ich die Entscheidung getroffen, nach Libyen zu gehen“, fährt er fort. „Dies ist das zweite Mal, dass ich die Überfahrt versuche, die Libyer haben uns immer schlecht behandelt.“ Ahmed war zusammen mit anderen Syrern von einer lokalen Miliz gefangen genommen und in ein Gefängnis gebracht worden. Sie verlangten jeweils 2.000 Dollar für die Freilassung. „Als wir frei waren, beschlossen wir, es noch einmal gemeinsam zu versuchen, wir hatten keine andere Wahl, als das Meer zu überqueren“, erinnert er sich. „Ich würde gerne nach Deutschland.“ Viele seiner Bekannte leben mittlerweile dort.
Abdel schaut seinen Freund an und ergreift das Wort: „Ich war Lastwagenfahrer in Syrien und möchte diese Arbeit in Europa fortsetzen“, erzählt er. „In Libyen war es schrecklich, es ist ratsam, nie allein zu sein, besonders wenn man Syrer ist.“ Man werde mit ziemlicher Sicherheit entführt, weil die Libyer denken, dass die Geflüchteten reich sind, sagt er. Sie nehmen an, dass sie Geld in der Tasche haben, um ihre Reise fortzusetzen. Von Jordanien nach Libyen zahlten sie etwa 4.500 Dollar, von dort nach Italien weitere 4.000 Dollar. Es war eine lange Reise, voller Gefahren, von denen sie nichts ahnten. Die drei erzählen auch von der Reise auf See. Es sei ein Alptraum gewesen, weil sich das Boot mit Wasser füllte. Sie wechselten sich gegenseitig ab, um Wasser aus dem Boot zu schöpfen. „Dann entdeckten wir euch, ihr wart die Rettung“, sagt Abdel.
Fehlende Gedankenfreiheit in Ägypten
Abbas*, ein 44-jähriger Ägypter, hört dem Gespräch zu und nickt. Er spricht gut Italienisch, hat mehrere Jahre auf der Halbinsel gelebt und gearbeitet. In Italien war er einige Zeit Maurer und Gipskartonarbeiter. Im Selbststudium lernte er auch Bildhauerei. Aber in Italien wurde er nicht gut bezahlt, um ein anständiges Leben zu führen. Zudem wurde er betrogen, indem er einige Monate lang kein Gehalt erhielt.
Eines Nachts beschloss Abbas, nach Ägypten zurückzukehren: „Ich hatte die Nase voll und vermisste meine Familie sehr, aber es war der größte Fehler, den ich hätte machen können.“ Zurück in Ägypten wurde Abbas depressiv, er verließ sein Zuhause vier Jahre lang nicht. „Ich ging nur hinaus, um meine Schwester und meine Verwandten zu treffen, in Ägypten hat man keine Gedankenfreiheit, die Währung ist nichts mehr wert, und man leidet sehr.“ Er konnte keinen Job mehr finden, ein Visum für Italien zu bekommen wurde immer schwieriger.
Er hat drei Söhne, die bei ihrer Mutter leben: „In Ägypten ist das Schulsystem auf keinem guten Niveau“, sagt er. Für eine gute Ausbildung müsse man einen Privatlehrer anheuern und bezahlen. Das können sich die wenigstens leisten. Abbas kämpft mit den Tränen, wenn er über seine Familie spricht: „Sie wissen von dieser Reise, sie sind alle besorgt, ich kann es kaum erwarten, ihnen zu sagen, dass ich in Italien bin.“ In Italien will er eine Aufenthaltsrechtserlaubnis bekommen und alles versuchen, um seine Familie auf die Halbinsel zu bringen.
Es ist Zeit für das Abendessen, Kabir* nimmt seine Portion Couscous mit Gemüse, er ist 31 Jahre alt und kommt aus Bangladesch. Er hat seine Familie verlassen, weil er seine Frau und Familie nicht mehr ernähren konnte. In Libyen versuchte er zu arbeiten, wurde aber von einer libyschen Miliz entführt. „Ich war zwei Monate lang inhaftiert, sie schlugen mich jeden Tag, sie ließen mich erst frei, als meine Familie sie bezahlte“, erzählt er. Sobald er freigelassen wurde, wollte er sofort aus Libyen fliehen.
„Ich war entschlossen, nach Europa zu gehen, um zu arbeiten und meiner Frau und meinen Kindern in Bangladesch Geld zu schicken“, erinnert sich Kabir. Es ist der gleiche Plan wie vieler seiner Staatsangehörigen. „Wie kann ich ihnen jetzt Essen geben? Sie haben so viel gelitten, nachdem ich dieses Risiko in Libyen eingegangen bin. Deshalb habe ich mich dazu entschieden, aufs Boot zu steigen.“ In Catania will er sich einen Job suchen, sich selbst und seine Familie retten. Vom Boot aus ist in der Ferne jetzt der schneebedeckte Gipfel des Ätna zu sehen, Catania ist nur noch ein paar Stunden entfernt. Ein junger Mann zeigt auf das Festland, Abbas lächelt und umarmt ihn, Kabir stützt seine Hände auf die Reling und starrt Sizilien an, eine Gruppe seiner Landsleute drängt sich um ihn.
Es herrscht Stille an Bord, die nur durch das Rauschen des Windes unterbrochen wird. Die lebensrettende Ankunft im sizilianischen Hafen naht, fast dreißig Stunden sind seit der Rettung vergangen. Mohammad steigt langsam die Stufen des Schiffes hinab, blickt zur Besatzung und grüßt sie, bevor er schließlich einen Fuß an Land setzt, wo er von den italienischen Behörden begrüßt wird. Eine neue Reise liegt vor ihm, vielleicht in ein anderes Leben, eine andere Zukunft.
Aus dem Englischen Isabella Zborka. *Die Namen wurden aus Sicherheitsgründen geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste