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„Rettomat“ im S-BahnhofHat alles seinen Preis

Auf dem S-Bahnhof Bornholmer Straße kann man jetzt „gerettete“ Lebensmittel am Automaten ziehen. Eine prima Idee – aber nicht wirklich günstig.

Entscheidend ist, was unten rauskommt: „Rettomat“ von Sirplus Foto: Claudius Prößer

An so einem sonnigen Februartag lässt es sich durchaus mal ein paar Minuten aushalten auf dem zugigen S-Bahnhof Bornholmer Straße. Schon der Blick hinüber auf die blühenden japanischen Kirschbäume an der Norwegerstraße lohnt das Umsteigen. Und jetzt ist auch noch eine Weltneuheit zu bestaunen: zwei „Rettomaten“ des Berliner Unternehmens „Sirplus“. Eigentlich ganz gewöhnliche Snack-Automaten, aus denen man hier aber Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum ziehen und so vor der Mülltonne retten kann.

Gute Sache, das – und eine experimentelle Erweiterung der Sirplus-„Rettermärkte“, deren vierter gerade erst im Ostbahnhof eröffnet hat. Das Start-up von Foodsharing-Erfinder Raphael Fellmer verkauft alles Mögliche, bio oder nicht, frisch oder haltbar, „abgelaufen“ oder sonst wie ausgemustert. Wie die schon sprichwörtlichen krummen Karotten, die den Schönheitsidealen der Lebensmittelregale nicht entsprechen.

Bis Jahresende soll es in Berlin an die zehn Rettermärkte geben, es wird aber auch republikweit expandiert, und nach oben ist laut Fellmer noch eine Menge Luft: „Im Moment werden in Deutschland jedes Jahr 18 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Da ist der limitierende Faktor nicht die Verfügbarkeit.“ Hilfsorganisationen wie den Tafeln lässt Sirplus übrigens grundsätzlich den Vorrang.

Niemand muss jetzt denken, dass im Rettomaten an der Bornholmer wurmstichige Äpfel auf die erlösende Münze warten. Es gibt vielmehr automatengängige Ware, Schokoriegel, vegane Flips, Kokosdrinks, auch eine fancy Bambuszahnbürste ist dabei – „Dinge, die den Alltag nachhaltiger gestalten“, so CEO Fellmer.

Öfter mal was Neues

Das Sortiment soll sich des Öfteren ändern, je nachdem, was gerade vom Großhandel gerettet wurde. Nach drei Monaten Testphase wird erst mal evaluiert, bei Sirplus ist man aber guter Dinge: „Die Aktion hat auf Instagram knapp sechstausend Likes bekommen, die Leute sind begeistert. Es haben ja nicht alle einen Rettermarkt um die Ecke“, sagt Fellmer.

Dass die Automaten ausgerechnet hier stehen, ist dabei kein Zufall: Die Deutsche Bahn hat die Station Bornholmer Straße zu einem von deutschlandweit 16 „Zukunftsbahnhöfen“ erkoren. Auf denen soll ausprobiert werden, was Bahnfahren noch attraktiver machen könnte. Hier gibt es beispielsweise außer den Rettomaten zwei neue DB-Snackpavillons, demnächst noch kommt ein „innovatives Lichtkonzept“ dazu.

Ob am Ende wirklich das Geld im Kasten klingt, bleibt abzuwarten. Denn viele Preise im Rettomaten sind ganz schön happig, selbst wenn man auch dem Aufsteller seinen Teil vom Kuchen gönnt.

Jemand Lust auf 50 g Bioschokolade „Authentic Single Origin Cocoa – Bean to Bar“, MHD 01.12.2019, für schlappe 4,60 Euro? Schwierig. Dabei kostet dieselbe Tafel im Sirplus-Onlineshop nur 2,29 Euro (statt ursprünglich 4 Euro). Und die veganen Kakaonib-Lucuma-Riegel, im Rettomat à 2 Euro, hatte Sirplus online schon mal für 3,98 Euro angeboten, allerdings als komplettes Zwölferpack. Mittlerweile ist das dort nicht mehr zu haben: „Alles weggerettet“ heißt es da.

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2 Kommentare

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  • 0G
    05158 (Profil gelöscht)

    ...Niemand muss jetzt denken, dass im Rettomaten an der Bornholmer wurmstichige Äpfel auf die erlösende Münze warten....



    Das ist ein schöner Satz eines Schreibers!



    Rettomaten an der Bornholmer. Hat einen gewissen abgelutschten Reiz.



    Ich stehe für:



    „Retten ist das Abwenden einer Gefahr von Menschen oder Tieren durch: Lebensrettende Sofortmaßnahmen, die sich auf Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Atmung, Kreislauf und Herztätigkeit richten und/oder Befreien aus einer lebens- oder gesundheitsgefährdenden Zwangslage (durch technische Rettungsmaßnahmen).“

  • 4,60 € für 50g abgelaufene Schokolade, die nichtabgelaufen nur 4,-€ kostet?

    Ist schon schräg, oder? Wo ist da die prima Idee?

    Hat sich mal jemand über Gentrifizierung bei Snackautomaten Gedanken gemacht?