piwik no script img

Rendite für kleine Leute

■ Windkraft-Experte Gerhard Gerdes kontert Kritik an Windenergie: „Falls es schiefgeht, bleibt keine Belastung“

taz: Im letzten Jahr wurden 1,5 Milliarden Kilowattstunden Strom durch Wind erzeugt, gleichzeitig verbrauchten die Deutschen aber 485 Milliarden Kilowattstunden. Hat Windkraft bei diesen Verhältnissen Sinn?

Gerhard Gerdes, Abteilungsleiter Systemtechnik beim Deutschen Windenergie-Institut in Wilhelmshaven: Es ist immer die Frage, auf was man die Energieerzeugung durch Windkraft bezieht. Windkraftanlagen werden im wesentlichen in den Küstenländern aufgestellt. In Niedersachsen stehen 380 Megawatt, das macht schon einen Anteil an der Stromversorgung von zwei Prozent. In Schleswig Holstein stehen ungefähr 450 Megawatt, macht acht Prozent aus. Hier werden die Anlagen aufgesellt und tragen ihren Teil zur Stromerzeugung bei.

Die Windenergie wird mit 300 Millionen Mark pro Jahr unterstützt durch die Stromkonzerne, die den teureren Windstrom abnehmen müssen. Könnte man das Geld nicht sinnvoller einsetzen, um – aufs ganze Bundesgebiet gesehen – ein Promille Kohlendioxid-Ausstoß einzusparen ?

Es gibt sicherlich andere Methoden, um Co 2 einzusparen. Aber man muß an eine zukünftige Energieversorgung denken. Die Alternative heißt erneuerbare Energiequellen und Energieeinsparung. Energieverschwendende Anlagen müssen stillgelegt werden.

Ist Windkraft nicht das Alibi der Umweltpolitik . Wird damit nicht die Notwendigkeit verschleiert, an den Energieverbrauch richtig ranzugehen?

Wie wollen wir jemals von der aktuellen Situation runterkommen, wenn bei allen Maßnahmen, die natürlich erstmal klein-klein sind, sofort gesagt wird, es lohnt sich sowieso nicht?

Macht man sich nicht sehr stark vom politischen Wohlwollen abhängig? In den USA wurde die Förderung verändert und seitdem stehen Windmühlen als Investitionsruinen rum.

In den USA wurde ja nur über Steuerabschreibungen gefördert. Das ist bei uns anders. Wir haben ja hier das Stromeinspeisungsgesetz, das die Energieversorger kippen wollen. Aber gerade hat der Bundesgerichtshof diese Richtlinie bestätigt. Natürlich ist das Einspeisegesetz eine politische Frage, aber letztendlich ist alles abhängig von der Politik. Ob wir Energie einsparen oder ein Kernkraftwerk bauen wollen, das ist keine Frage des technisch Machbaren.

Wird mit diesen politischen Vorgaben nicht eine Branche mit sicheren Renditen versorgt, die das Geschäft mit dem guten Gewissen macht?

Wer jemals eine Windenergieanlage betrieben hat weiß: Das ist ein enormes Riskio. Allein die Größe Wind ist sehr unzuverlässig. Sie können in einem Jahr nicht vorhersagen, wie der Wind im folgenden Jahr ist. Aber ihre Zinsen und Tilgung laufen weiter. Und das bei Profiten, die kein Industrieunternehmen interessieren würden. Das sind Renditen für kleine Leute.

Rechtfertigt der Nutzen der Windkraft die Naturzerstörung?

Es gibt keine Naturzerstörung durch die Windenergie, schlimmstenfalls werden einige Vogelarten beeinträchtigt. Aber die Landschaft wird verändert. Das behindert zur Zeit die Akzeptanz der Bevölkerung für die Windkraft. Aber: Ein Kernkraftwerk bedroht die Umwelt für 1.000 Jahre. Ein Ölkraftwerk stößt jahrzehntelang Co 2 aus. Wenn sich in zwanzig Jahren herausstellen sollte, das Experiment Windkraft ist fehlgegangen, dann bauen wir die Türme wieder ab, buddeln den Betonsockel aus und was bleibt, ist etwas Co 2-Vermeidung. Fragen: Joachim Fahrun

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen