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Religiöse Identität und AsylIst der Glaube auch stark genug?

Verwaltungsgerichte dürfen prüfen, ob der Glaube von Asylbewerbern an das Christentum „identitätsprägend“ ist, entschieden die Verfassungsrichter.

Staatliche Neutralität sei nicht verletzt, wenn Gerichte die „Intensität“ von Glaubensgeboten prüfen Foto: Ulio Deck/dpa

Freiburg taz | Nicht jeder zum Christentum konvertierte Iraner hat Anspruch auf Asyl in Deutschland. Verwaltungsgerichte dürfen prüfen, ob der neue Glaube auch „identitätsprägend“ ist. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht.

Geklagt hatte ein Iraner, der 2010 nach Deutschland kam. Seinen Asylantrag begründete er zunächst mit der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen. Später berief er sich auf seinen Übertritt zum christlichen Glauben. Im Iran drohe ihm deshalb Verfolgung.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart billigte ihm 2013 einen Asylanspruch zu. Die Kenntnisse vom Christentum hätten zwar nur angelernt gewirkt. Es sei jedoch einem staatlichen Gericht verwehrt, die Taufentscheidung einer Pfarrerin zu hinterfragen. Höhere Instanzen hoben dieses Urteil wieder auf und verweigerten das Asyl. Dagegen erhob der Iraner Verfassungsbeschwerde.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte nun die Klage ab und traf eine klare Unterscheidung. Danach dürfen staatliche Gerichte die Wirksamkeit einer Taufe nicht in Frage stellen – auch dann nicht, wenn es Anzeichen für taktische Überlegungen und Oberflächlichkeit gibt. Hier habe der Staat das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen zu achten.

Prägend oder nicht

Dagegen sei die Asylentscheidung vom Staat zu treffen und nicht von den Kirchen, so die Verfassungsrichter. Gerichte dürften daher prüfen, ob der neue Glaube für die religiöse Identität des Flüchtlinges prägend ist oder nicht. Die Pflicht zu staatlicher Neutralität sei nicht verletzt, wenn Gerichte die „Intensität“ der Verbindlichkeit von Glaubensgeboten überprüfen.

Hierbei könnten Kenntnisse über Glaubensinhalte nur ein Indiz sein. Auch die Fähigkeit, die Hinwendung zum neuen Glauben zu erläutern, habe nur Indizwirkung. Erforderlich sei eine Gesamtschau im Einzelfall. Die Karlsruher Richter bestätigten damit im Kern ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2013.

Im Fall des Iraners war schon die Verfassungsbeschwerde zu schlecht begründet und daher unzulässig. Er kann aber noch Abschiebehindernisse geltend machen.

Die Evangelische Kirche in Deutschlands und die Freikirchen hatten in einer Handhabung „zum Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden“ 2013 kritisiert, dass Gerichte die religiöse Identität von Asylsuchenden prüfen. „Dies steht Gerichten unserer Auffassung nach nicht zu“, so die Kirchen.

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9 Kommentare

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  • Wenn ich einen Kredit möchte, muss ich meine Bonität nachweisen. Wenn ich Autofahren will, brauche ich einen Führerschein. Und für den Führereschein muss ich eine Prüfung ablegen. Wenn ich keinen Pass habe oder Asyl möchte, muss ich dann aber auch nachweisen, dass ich dazu berechtigt bin. Nicht durch Gewissenerforschung, sondern einfache Fragen aus der christl. Geschichte. Ausgerechnnet bei einem so hohen und wertvollen Gut, wie das Asyl soll eine Prüfung entfallen? Was ist daran so falsch.

  • Das dient doch nur dem Zweck, noch mehr Leute aus eigennützigen Gründen abschieben zu können.

    Es gibt sehr unterschiedliche Arten, wie religiöse Menschen ihre Religion ausleben, manche davon sind auffälliger und andere sehr subtil. Es dürfte in den allermeisten Fällen kaum möglich sein, eine sichere Aussage darüber zu treffen, wie wichtig jemandem sein Glaube ist.

    Die Obrigkeit sollte endlich mal aufhören, zwanghaft Leute abschieben zu wollen. Es sollte nicht nur um die Interessen der Alteingesessenen gehen, sondern die der gesamten Gesellschaft beachtet werden und dazu gehören auch die Flüchtlinge. Wenn wir endlich mal aufhören, grundlos Menschen auszusperren und davon ausgehen, dass jemand, der seine Heimat verlässt, in der Regel einen triftigen Grund dafür hat, dann wird das Kasperltheater mit der Frömmigkeitsprüfung sowieso hinfällig.

    • @Ein alter Kauz:

      Was sind denn eigennützige Gründe? Bekommen Leute Geld für Abschiebung?

  • Wer hat die Kompetenz, so etwas zu überprüfen? Bei Gericht? Wird es einen neuen Beruf geben -- "Hingabeprüfer*in" oder "Frömmigkeits- und Innigkeitsinspektor*in"? Gibt es die für jede Konfession? Da gibt's ja durchaus Unterschiede...

    • @miri:

      Die Antworten auf ihre Fragen ergeben sich auch aus dem Beschluss des BVerfG:

      Die Kompetenz dazu hat per Gesetz das BAMF und die Verwaltungsgerichte (Punkt 30). Der Beruf wäre dann Entscheider bzw. Richter, letzteres immer Jurist, ersteres oft auch, aber z.B. auch Sozialwissenschaftler etc. möglich.

      Einen neuen Beruf wird es nicht geben, die Anforderungen bereits den oben genannten Berufsbildern. Insbesondere die Glaubhaftmachung in Konversionsfragen ist keine neue. Dieselben Fragen die Sie sich hier stellen stellt die Rechtswissenshaft und die Psychologie sich schon seit Jahrzehnten und dazu gibt es auch Antworten und Verfahren. Darauf weißt auch das BverfG in seinem Beschluss hin indem es unter Punkt 35 den groben Rahmen aus "Glaubhaftigkeitsprüfung bei Asylklagen aufgrund religiöser Konversion oder Homosexualität: Ein Ansatz von Praktikern (Teil 1), ZAR 2016" zitiert. Das ist natürlich nur ein Auszug.

      Zuletzt geht es dann gerade nicht darum, dass es für einzelne "Religionen" Experten gibt. Das ist sogar gerade nicht nötig, denn es geht nicht um Wissen über die Religion, sondern die genaue und umfassende Schilderung des eigenen Weges zur neuen Religion (siehe wieder GLaubhaftigkeitsmachung). Das stellte das BVerwG schon 2013 (aufbauend auf dem EuGH Urteil von 2012) fest und wurde vom BVerfG jetzt bestätigt (siehe Punkt 17 des Beschlusses).

      Man sollte auch bedenken: Was das BVerfG jetzt bestätigt hat ist seit 2012 stehende Verwaltungs- bzw. Rechtspraxis. Also nichts neues. Die Entscheidungen dazu sind entsprechend gut begründet. Die Urteile sind keien einfach Lektüre, ich empfehle es trotzdem.

      Hier noch mal der Link zum Beschluss zum nachlesen, die oben zitierten Punkte sind die rechts vom Text in Rot geschriebenen:

      www.bundesverfassu...03_2bvr183815.html

      Ich hoffe das hat etwas geholfen die Thematik zu verdeutlichen. Das Thema ist Komplex und nicht unbedingt intuitiv zugänglich.

  • Ein echt mieses Urteil.



    Wenn die Aussage ich bin ..(nicht Islamische Religion Ihrer Wahl einfügen)..



    im Raum steht interessiert es Fanatiker nicht,



    ob die Person getauft ist oder die jeweilige Religion intensiv auslebt.

    • @r0ck3t13r:

      Vorsicht: Genau das sagt das Urteil (auch das vom BVerwG aus dem Jahr 2013) eben gerade nicht:



      Wenn sich allein aus dem formalen Akt der Taufe die Gefährdung ergibt, dann liegen die Voraussetzungen des §3 AsylG vor. Wenn aber allein das nicht zu einer Verfolgung führt, sondern nur die tatsächliche Ausübung, dann liegen die Vorussetzung des §3 AsylG nicht automatisch vor.



      Darum geht es im Kern: Gibt es diese "Fanatiker" in dem Land überhaupt, wie wahrscheinlich ist es, dass sich wenn es sie gibt sie überhaupt davon erfahren (unterstellt er übt die Religion nicht aus), was würde dann passieren etc. Das liegt als Asylgrund in der Überprüfung durch die entsprechenden staatlichen Stellen. Das sagt auch der Beschluss, nichts anderes.

      Ob und wie die Umstände in dem Zielland sind wäre dann der Streitpunkt.

      Aber der Beschluss bedeutet nicht, dass jemand dem allein durch die Taufe eine Gefahr droht allgemein keinen Anspruch auf Schutz hat.

      So gesehen halte ich es tatsächlich auch für ein gutes Urteil (bzw. Beschluss), aber jeder kann es sich bzw. die refenzierten Urteile des EGMR, des EUGH sowie des BVerwG selbst durchlesen, ich empfehle die Lektüre:

      www.bundesverfassu...03_2bvr183815.html

      Interessanterweise (und eine andere Thematik), auch wenn das BVerfG gesagt hat, dass sich aus einer missbräuchlichen oder asyltaktischen Taufe (erst mal) kein anzweifeln der Taufe an sich ergeben darf, kann dies aber bei der Würifigung zur Ablehnung des Asylantrages sehr wohl herangezogen werden ( "...derartigen Anhaltspunkten kann jedoch im Rahmen der Verfolgungsprognose Rechnung getragen werden"). Soll heißen, es wird in solchen Fällen auf eine Ablehnuung hinauslaufen.

      Im Ergebnis bleibt es damit sei der mindestens seit 2012 bestehenden Rechtspraxis und es ändert sich nichts. Bin mal gespannt was Herr Kauder dazu sagt, das ist ja sein Steckenpferd, dass allein die Taufe immer ausreichen sollte.

      • @Mike-in-the-Box:

        Nur ist die Verfolgung bei Ausübung der Religionsfreiheit ja eigentlich ein Asylgrund.

        • @Hampelstielz:

          Exakt, genau darum geht es ja in dem Beschluss:



          Wird die Religion ausgeübt? Und wenn ja: Auf welche Weise und ergibt sich daraus in dem spezifischen Land eine Verfolgung? Und wer stellt das fest? Kirche oder Staat?

          Und da hat schon der EuGH 2012, darauf aufbauend das BVerwG 2013 und jetzt 2020 das BVerfG festgestellt: Das zu prüfen fällt dem BAMF und dem Verwaltungsgerichten zu. Dabei sind sie nicht an die Bewertung der Kirchen gebunden, dass der Glaubenswechsel identitätsprägend ist und aus religiösen und nicht asyltaktischen Gründen erfolgte. Wenn man es genau nimmt wird das BVerfG da fast schon ungehalten ("Ob die BRD Schutz [...] gewährt, obliegt nach Maßgabe der europäischen und nationalen Rechtsvorschriften ausschließlich dieser selbst und nicht der Kirche oder den Religionsgemeinschaften").

          Es wird eben zwischen Taufe (der formale Akt des Glaubensübertrittes) und Ausübung der neuen Religion unterschieden. In dem vorliegenden Fall als Beispiel: Die Gerichte haben, aufbauend auf den Infomrationen zum Iran festgestellt: Den iranischen Behörden sit bekannt, dass viele Iraner sich Taufen lassen umd ies im Asylverfahren geltend machen zu können, darau ergibt sich keine VErfolgung. Erst wenn jemand "wirklich" konvertiert UND er seine neue Religion im Iran auf eine Art und Weise leben wird, die ihn für den Staat als gefährlich erscheinen lassen, liegt eine GEfahr für ihn (und damit eine Verfolgugn) vor. Wenn er aber nicht ernsthaft konvertiert ist wird er dies, falls es überhaupt im Iran bekannt ist, geltend machen können, den Reueschwur ablegen und unbehelligt bleiben. Das kann man ihm zumuten, weil er die Konvertierung nicht glaubhaft war, man könnte es ihm nicht zumuten wenn sei es wäre.



          Ich verkürze hier sehr stark, das Thema ist durchaus komplex und die Zeichenbegrenzung hinderlich. Das religiöse Verfolgung ein Asylgrund ist ist unbestritten. Es geht darum, ob es dazu kommen würde, wer DAS prüft und welcher Ragmen dieser Prüfung zugrunde liegt.