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Rekordsumme für Werk von Frida KahloUnd über ihr ein Gerippe

Das Auktionshaus Sotheby's versteigerte ein Selbstporträt der Malerin Frida Kahlo zum Rekordpreis von rund 55 Millionen US-Dollar. Was sagt das über den Kunstbetrieb aus?

Frida Kahlos Selbstporträt „El sueño (La cama)“, übersetzt: Der Traum (Das Bett), am 19. November bei Sotheby's Foto: Sotheby's/dpa

Jahresende, für den Kunstbetrieb ist das die Zeit der Rankings und Rekorde. Noch vor wenigen Tagen wurde Gerhard Richter vom Kunstkompass als der wichtigste Gegenwartskünstler weltweit für das Jahr 2025 gekürt. Die Kunstkompass-Redaktion wertete dafür Ausstellungsbesprechungen, Museumsankäufe, Erwähnungen in Fachpublikationen aus. Schon 22 Mal stand Richter ganz oben in ihrem Jahres-Ranking.

Auch das Kunstmagazin Monopol setzte Gerhard Richter diese Woche an die Spitze seiner Top 100 für 2025. Überraschenderweise. Der war da noch nie, bei der Monopol-Redaktion bewertet man eher, wer im Kunstbetrieb so für Diskussionen sorgt, die manch Skandal verursachende Theatermacherin Florentina Holzinger war letztes Jahr bei dieser Redaktion die Nummer eins.

Und das Bild wird noch einmal ein ganz anderes, wenn man auf die Rankings der englischsprachigen Kunstmagazine schaut, das britische Art Mag listet Gerhard Richter zwar weit oben, aber hinter Jeff Koons oder Banksy. In ein paar Tagen wird die Londoner Art Review ihre Power 100 veröffentlichen. Die führte letztes Jahr die Kuratorin und Sultanstochter aus Schardscha, Sheikha Hoor al-Qasimi, an.

Wer von Einfluss in der Kunstwelt ist, das zu messen, scheint also durchaus eine subjektive Sache zu sein. Da könnte man auch noch einmal auf den Kunstmarkt blicken, wo die Zahlen sprechen (und Gerhard Richter auch sehr erfolgreich mitspielt). Bei Sotheby's in New York wurden diese Woche zwei Rekorde gebrochen: das Bildnis der Elisabeth Lederer des Österreichers Gustav Klimt wurde zum teuersten je versteigerten Werk in der Geschichte des Auktionshauses und ein surrealistisches Selbstporträt der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo gilt jetzt als teuerstes Kunstwerk einer weiblichen Künstlerin überhaupt.

Kunstwerke versteckt im Depot

Für 236,4 Millionen US-Dollar (etwa 204 Millionen Euro) kaufte ein unbekannter Bieter das Bildnis der Elisabeth Lederer, auf dem Klimt um 1915 die Tochter des jüdischen Industriellen August Lederer aus Wien darstellte. Das Bild, um das die Geschichte rankt, es habe der Porträtierten zu NS-Zeiten das Leben gerettet, könnte jetzt ins Louvre Abu Dhabi kommen, vermutet Der Standard. Auch das teuerste je ersteigerte Gemälde, der für 450 Millionen US-Dollar verkaufte, Leonardo da Vinci zugeschriebene „Salvator Mundi“, sollte mal im Louvre Abu Dhabi der Öffentlichkeit gezeigt werden. Stattdessen lagert er Berichten zufolge in einem Zolllager in Genf, der saudische Kronzprinz Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud soll sein Besitzer sein.

Auch die Bie­te­r:in­nen des rekordbrechenden Porträts von Frida Kahlo waren anonym, als es gestern Abend bei Sotheby's in New York 54,7 Millionen US-Dollar erzielte. Das Gemälde aus dem Jahr 1940 trägt den Titel „El sueño (la cama)“ – „Der Traum (Das Bett)“. Darauf liegt Frida Kahlo schlafend und von einer Rankepflanze umschlungen in einem Bett, das in einem Wolkenhimmel zu schweben scheint. Darüber ein riesiges Skelett. Tatsächlich soll ein Skelett aus Pappe über dem Bett der Künstlerin gehangen haben.

„El sueño (La cama)“ war 1980 zuletzt versteigert worden – für 51.000 US-Dollar. „Dieses Rekordergebnis zeigt, wie weit wir gekommen sind, nicht nur in unserer Anerkennung des Genies von Frida Kahlo, sondern auch in der Anerkennung von weiblichen Künstlern auf dem höchsten Niveau des Marktes“, wird Anna Di Stasi, die Leiterin der Abteilung für lateinamerikanische Kunst beim Auktionshaus Sotheby's, in der Tagesschau zitiert.

Ordentlicher Gender Gap

54,7 Millionen US-Dollar für ein surrealistisches Gemälde von Frida Kahlo, 236,4 Millionen US-Dollar für ein Jugendstil-Porträt von Gustav Klimt: Die Rekordergebnisse von dieser spätjährlichen Verkaufswoche bei Sotheby's verzeichnen einen ordentlichen Gender Gap.

Standardmäßig erzielen weibliche Künstlerinnen auf dem Auktionsmarkt niedrigere Preise, der bisherige Höchstpreis für eine weibliche Künstlerin war 44,4 Millionen US-Dollar für ein Ölgemälde der US-amerikanischen Malerin Georgia O’Keeffe (das die New York Times übrigens nach wie vor für das teuerste verkaufte Gemälde einer weiblichen Künstlerin hält, wenn man die Inflation mit einberechnet), ein Monroe-Porträt von O'Keeffes Zeitgenossen Andy Warhol hingegen erzielte 2022 mit 195 Millionen US-Dollar das bis dahin höchste Auktionsergebnis für ein Werk des 20. Jahrhunderts.

Was nun mit dem versteigerten Gemälde von Frida Kahlo geschieht, wo es hinkommt, ob es öffentlich zu sehen sein wird, ist noch nicht klar. 45 Jahre lang war es jetzt in einer privaten Sammlung der Öffentlichkeit weitestgehend unzugänglich. Wenn es nun einen Bereich gibt, wo sich die Größen des Kunstmarkts mit den einflussreichsten Top 100 des Kunstbetriebs aus den jährlichen Rankings überschneiden können, dann ist es die öffentliche Sichtbarkeit.

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5 Kommentare

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  • Sie hatte einen Unfall, der sie jahrelang ans Bett fesselte. Frida Kahlo hat dieses Bild ganz sicher nicht gemalt, um solch absurde Summen zu erzielen – ganz im Gegenteil. Doch am Ende interessiert das niemanden. Ein perfektes Beispiel für die geldorientierte, groteske Kunstszene.

  • Bei den Preisen für Bilder verstorbener Künstler und Künstlerinnen von "Ordentlichem Gender Gap" zu schreiben ist folkloristischer Kokolores. Diese Preise legen Käufer frei fest indem sie bereit sind diese zu bezahlen, und die werden Sie nicht zwingen können, für ein Werk mehr hinzublättern, nur weil das Werk aus Frauenhand stammt. Und die Künstler selber haben nichts mehr davon, egal ob Frau oder Mann. Umgekehrt wird für die große Kunst z.B. eines Robert Wyatt auch lächerlich wenig bezahlt im Vergleich z.B. mit den Belanglosigkeiten einer Taylor Swift. Sie würden das wohl kaum als "Ordentlichem Gender Gap" bezeichnen. Dabei werden hier noch lebende Künstler für ihre Arbeit entlohnt.

  • Ich sehe mir das Bild an und frage mich selbst: "Würdest du dafür 55 Dollar ausgeben? Nein - denn es gefällt mir überhaupt nicht!"

  • Was sagt es über den Medienbetrieb aus, wenn der über Rekordpreise bei Kunstversteigerung berichtet? Haben die Medienmachenden eine magische Fixierung auf alles was rekordverdächtig ist? Oder ist in der modernen Welt einfach alles dem liberalen Wettbewerb zu unterwerfen und man konstruiert selbst da noch einen Wettbewerb, wo es gar keinen Sinn macht? Löwenzahn kämpft gegen Hahnenfußgewächs um den Bestäuber, der die eigne DNA weiterträgt? Was wäre eine Blütenwiese, wenn sie nur Wiese wäre? Keiner Nachricht wert.

  • Wenn ich den Artikel lese komme ich eher zu dem Schluss das sich fiese kulturlose Autokraten ein Image erkaufen wollen. Erst Sportveranstaltungen und abgehalfterte Stars, jetzt nach "Außenstellen" bekannter Museen die zugehörige Kunst, halt alles was man für Geld kaufen kann, so lange kulturlose Menschen es zulassen.