Reisewelle zum Neujahrsfest: Chinas große Völkerwanderung

Zum traditionellen Frühlingsfest haben Chinesen frei. Den Urlaub nutzen sie neuerdings, um ins Ausland zu reisen. Es ist die größte Reisewelle der Geschichte.

Es gibt viel zu Feiern beim chinesischen Neujahrsfest – die meisten tun das im Ausland. Bild: reuters

PEKING taz | Das chinesische Frühlingsfest - manche nennen es auch Neujahrsfest - beginnt eigentlich erst in vier Tagen. Doch schon seit einer Woche befindet sich das Land im Ausnahmezustand. Bahnhöfe erleben Massenanstürme, die Flughäfen sind verstopft, und auf den Autobahnen staut sich der Verkehr. Chinesische Medien berichten, für die kommenden zwei Wochen würden mehr als 3,4 Milliarden Flug- und Bahnreisen erwartet. Das dürfte die größte Reisewelle werden, die die Menschheitsgeschichte je erlebt hat.

Chinas alljährliche Völkerwanderung findet neuerdings nicht mehr nur innerhalb der Landesgrenzen statt, sondern auf der ganzen Welt. Seit Wochen sind Tickets für Flüge nach Phuket, Sydney oder London ausgebucht. Dabei sind die Feiertage rund um das chinesische Neujahr traditionell ein Familienfest. Früher lebten die meisten Familienmitglieder an einem Ort.

Doch gerade im Süden und Osten des Landes hat die Industrialisierung der vergangenen 20 Jahre dazu geführt, dass viele Großfamilien auseinandergerissen sind und die Erwachsenen in den Städten arbeiten. Deren Kinder wuchsen häufig bei den Großeltern auf dem Land auf.

Doch das ändert sich nun wieder. Immer mehr Chinesen können ihre Kinder zu sich holen. Zudem wächst der Wohlstand und auch das Reiseverhalten wandelt sich. Mit mehr Geld in der Tasche steht für immer mehr Chinesen zum Frühlingsfest nicht mehr die Großfamilie, sondern die Auslandsreise im Vordergrund. Durch die Ein-Kind-Politik der vergangenen 30 Jahre verkleinerte sich die Größe der Verwandtschaft ohnehin drastisch.

Das Ausland profitiert

Schon glauben Experten, die Reisewelle während der Neujahrsfeiertage, die den Verkehr des Landes in den vergangenen Jahren fast zum kollabieren gebracht hat, könnte in einigen Jahren der Vergangenheit angehören. „Je sesshafter und reicher die Chinesen in den Städten werden, desto weniger zieht es sie in ihre Heimatdörfer“, vermutet der Soziologe Su Jinxiang vom China Institutes for Contemporary International Relations. Geschenke an die Verwandtschaft würden nun online bestellt und per Bestellservice verschickt.

Das Ausland profitiert allerdings vom veränderten Reiseverhalten der Chinesen: Touristenorte in Südostasien hatten sich nach der Weihnachtssaison bereits über sinkende Besucherzahlen vor allem aus Europa und den USA beklagt. Die Krisen ließen grüßen. Umso mehr können die Orte nun auf konsumfreudige chinesische Touristen hoffen.

Geschäftstüchtige Ressorthotels in Thailand haben schon reagiert. Nicht mehr nur über Weihnachten, die Osterfeiertage und die Sommermonate werden die Preise deutlich angehoben. Die zweite Januarwoche und der Februar zählen nun auch zur Hauptsaison.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.