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Reichsbürger im NordwestenKaiser sticht König

Im Kloster Malgarten wirbt das „Königreich Deutschland“ für Reichsbürgerideen. Mie­te­r:in­nen rufen dagegen das römische Kaiserreich wieder aus.

Lockt neben Künst­le­r:in­nen auch Möchtegern-Könige an: Das historische Kloster Malgarten bei Bramsche Foto: agephotostock/dpa

Osnabrück taz | Das einstige Benediktinerinnenkloster Malgarten, bei Bramsche im niedersächsischen Landkreis Osnabrück gelegen, ist ein Schmuckstück: Fachwerk und Katzenkopfpflaster. Alter Baumbestand und ein mäanderndes Flüsschen. Verwunschene Gärten, eine mittelalterliche Kirche, ein Torhaus wie für ein Märchenschloss. Die Anlage, Anfang des 19. Jahrhunderts ­säkularisiert, ist heute größtenteils in Privatbesitz, steht unter Denkmalschutz. Kulturschaffende leben und arbeiten in dieser Idylle, es gibt Ausstellungen und Kammerkonzerte, ein Seminar- und Gästehaus, Ausflügler finden eine kleine ­Gastro vor. Malerisch. „Kulturkloster“ nennt sich der Ort.

Aber es gibt Tage, an denen bekommt die Idylle Risse. Die Quer­den­ke­r:in­nen­par­tei „Die Basis“­ war schon hier, ebenso die Impfgegner:innen-Protestgruppe „Widerstand 2020“. Jüngster Vorfall: Für den Abend des 28. Juni 2022 mietete das reichsbürgerische ­„Königreich Deutschland“ (KRD) des selbst ernannten „Obersten Souveräns“ Peter Fitzek die Konzert­scheu­ne an, bestuhlt für bis zu 50 Personen, für den Vortrag „Gemein­wohlstaat der Zukunft“. Wer teilnehmen wollte, musste zuvor seine bundes­repu­bli­kanischen Rechte abtreten, sagt ein Zeuge des Geschehens. Das KRD hat An­hän­ge­r:in­nen in der Region. Mit gleich zwei seiner umstrittenen „Gemeinwohlkassen“ ist es hier verankert, in Wallenhorst und Hagen am Teutoburger Wald.

„Ich habe erst durch einen Anruf der Polizei erfahren, wer da kommt“, sagt Alois Eilermann der taz, Leiter des „Forums Kloster Malgarten“. „Unserem Buchungssystem war das nicht zu entnehmen.“ Kloster-Mieter:innen formieren sich zum Widerstand gegen Fitzeks Fantasiestaat. Im Fenster der Musikwerkstatt von Heiner Windelband zeugt noch heute ein Flugblatt davon; es kritisiert den „Meinwohlstaat“ des „Möchtegern-Königs“. Direkt daneben hängt die satirische Proklamation von Schauspieler Peter Badstübner alias Kaiser Verius II, Herrscher über das Imperium Romanum in den Grenzen des Jahres 117. Am 28. Juni hat sich Badstübner, der hier lebt, selbst zum Kaiser ernannt, um die Behauptung der Reichs­bür­ge­r:in­nen­sze­ne ad absurdum zu führen, das Deutsche Reich bestehe in den Grenzen von 1937 fort. Alle „königlichen Ansprüche“, verkündet Kaiser Badstübner, seien damit „hinfällig und erloschen“.

Der Verfassungsschutz beobachtet das „Königreich“

Am Ende braucht das KRD nur einen kleinen Kaminraum, für „10 bis 12 Teilnehmende“, so das niedersächsische Innenministerium Mitte Juli 2022 auf die Kleine Anfrage „Treffen von Reichsbürgern am Kloster Malgarten in Bramsche“ von Marie Kollenrott, Landtagsabgeordnete der Grünen, Sprecherin für Rechtspolitik, Verfassungsfragen und Innere Sicherheit. Die Polizei war am Veranstaltungstag vor Ort, an allen Zufahrten des Geländes. Das KRD werde vom niedersächsischen Verfassungsschutz als Teil des Sammelbeobachtungsobjektes „Reichsbürger und Selbstverwalter“ beobachtet, teilt das Ministerium mit. Auf der Basis von Verschwörungstheorien fänden sich in ihren Aussagen „Ideologieelemente wieder, die aus dem Rechtsextremismus bekannt sind“. Der niedersächsische Verfassungsschutzbericht 2021 ordnet sie daher unter „Rechtsextremismus“ ein, rund 900 Unterstützer stark.

Seit dem Vortrag des KRD geht in Malgarten die Sorge um, Andreas Wilhelm, der Eigentümer des Geländes, schon betagt, könne das Kloster an das Königreich verkaufen – das hat jüngst zwei Schlösser in Sachsen erworben und expandiert. Es beabsichtige gegenwärtig, schreibt das Innenministerium Kollenrott, „lokale autarke Strukturen zu errichten“, ein eigenverwaltetes „Staatsgebiet“ entstehen zu lassen.

Auch Filiz Polat, Bramscher Bundestagsabgeordnete der Grünen, sind die Aktivitäten des KRD-Umfelds zugetragen worden. „Wenn es um ReichsbürgerInnen oder sogenannte SelbstverwalterInnen geht, bin ich hoch sensibel“, sagt sie der taz. „Die Gruppen lehnen den deutschen Staat ab, ja leugnen ihn sogar. Da es teilweise Überschneidungen mit Gruppen von QuerdenkerInnen und radikalen CoronaleugnerInnen gibt, ist hier eine gefährliche Entwicklung zu beobachten.“

Ich kannte die vorher gar nicht. Ich wollte einfach erfahren, wie die denken

Andreas Wilhelm, Eigentümer des Klostergeländes, über das „Königreich Deutschland“

Polat steht mit dem niedersächsischen Verfassungsschutz und dem Bramscher Bürgermeister Heiner Pahlmann (SPD) in Kontakt. Man müsse „ganz genau hinschauen, um zu verhindern, dass die Szene hier Wurzeln schlägt“, sagt sie. Ihr liegen zwar keine konkreten Hinweise vor, dass das KRD in der Region Osnabrück Immobilien erwerben will. Man werde aber wachsam bleiben. „Nazis und rechte Gruppierungen haben hier keinen Platz.“

Der Hintergrund: Seit Jahren verzeichnet Niedersachsen eine starke Zunahme rechter Straftaten. Ihre Zahl stieg von 2018 bis 2021 um 45 Prozent, in Stadt und Landkreis Osnabrück um 84 Prozent. „Die Feinde der Demokratie, also ultrarechte Strömungen, haben Zulauf und dies schlägt sich in Straftaten nieder“, sagt Volker Bajus, Landtagsabgeordneter der Grünen und Fraktionschef im Osnabrücker Rat.

Ob KRD-Chef Fitzek Interesse am Kauf von Malgarten hat? Der „König“, von der taz um Stellungnahme gebeten, schweigt. Grundeigentümer Wilhelm, als Vermieter zeitweise beim KRD-Vortrag anwesend, schweigt nicht: „Ich kannte das KRD bis zu seiner Anfrage bei uns gar nicht“, sagt er der taz. „Ich wollte einfach erfahren, wie die denken.“ Das Kloster, das er über drei Jahrzehnte „von einer halben Ruine wieder zum Leben erweckt“ hat, bezeichnet er als „mein intensives Hobby“. Es solle, auch nach ihm, „möglichst so bestehen bleiben wie es ist“, mit Künstler:innen-Gemeinschaft, Seminarhaus, und Gastro­nomie. „Aber das geht natürlich nur, wenn es nicht mehr defizitär ist. Das ist die eigentliche Gefahr für seine Zukunftsfähigkeit, nicht die Reichsbürger-Diskussion.“

Komme es zum Verkauf oder zur Insolvenz, lasse sich „nichts ausschließen“. Über eine Stiftung habe er nachgedacht, eine Genossenschaft, einen Verein, eine Übernahme durch die öffentliche Hand. „Wir arbeiten dran“, sagt Eilermann, „die Zukunft des Klosters auf einen guten Weg zu bringen“.

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