Regulierungswut der Uefa: Halbautomatisches Dingsda

Die halbautomatische Abseitserkennung ist die Gewinnerin der Fußball-EM. Wird es bald auch eine vollautomatische Wolfsgruß-Erkennung geben?

Ohne die neue Technik wäre der Zehnagel des Dänen Thomas Delaney (l.), der ins Abseits reinragte, nicht aufgefallen Foto: Christian SChulze/Nordphoto/imago

Halbautomatische Abseitserkennung! Ist es nicht toll, mit welchen Wortschöpfungen uns der Fußball dank seiner neuerdings unerschöpflichen Regulierungswut bereichert! Diese technische Neuerung kam erstmals bei einer Europameisterschaft zur Anwendung und hat sich zudem gleich unverzichtbar gemacht. Zumindest aus Gastgebersicht gehört dieses halbautomatische Dingsda zu den Gewinnerinnen dieses Turniers. Ohne sie wäre die DFB-Elf vermutlich gar nicht erst ins Viertelfinale eingezogen, weil ansonsten nicht zu sehen gewesen wäre, dass der Zehnagel des Dänen Thomas Delaney im Achtelfinalspiel ins Abseits reinragte.

29 Kameras und ein Sensor im Ball haben bei dieser Detailanalyse eigentlich vollautomatisch geholfen. Weil die Uefa aber eben immer noch ein wenig menschlich bleiben möchte, haben mindestens zwei Menschenaugen abschließend drauf geschaut, wodurch das Ganze eben halbautomatisch wurde. Halbmenschliche Abseitserkennung wäre eventuell der noch schönere Begriff gewesen, aber das wäre jetzt Meckern auf hohem Niveau.

Apropos Meckern. Diese „Anti-Mecker-Regel“, wie der hölzerne neue Uefa-Passus „Kommunikation mit dem Schiedsrichter“ im Volksmund übersetzt wird, ist zum heißen Scheiß dieser EM geworden. In der Bundesliga, munkelt man, soll nun auch eingeführt werden, dass nur Kapitäne meckern dürfen. Manche fordern das schon für den Amateurfußball. Nur an Feinheiten müsste noch gearbeitet werden. Ob der Torhüter als Kapitän wirklich wie bei der EM einen Mecker-Stellvertreter auf dem Feld ernennen muss, oder wenigstens nicht doch ein bisschen mitmeckern darf, ohne gleich eine Gelbe Karte zu erhalten, sollte vielleicht in einer Testphase evaluiert werden.

Bewusste Regulierungslücken

In den Schubladen der Uefa sollen gerüchtehalber für die nächsten Turniere bereits frische Vorschläge hinterlegt worden sein. Dort wird laut über eine vollautomatische Wolfsgrußgesten-Erkennung nachgedacht, die auch die Stadionränge miteinschließt, um dem Verband Scherereien vom Hals zu halten. Es soll ebenso Vorlagen für eine spezifizierte Anti-Nancy-Faeser-Mecker-Regel geben, nachdem die deutsche Innenministerin bereits zum zweiten Mal bei einem Fußballturnier verhaltensauffällig wurde. Der große Traum ist ohnehin vermutlich so eine Art Entpolitisierungsfilter an den Stadioneingängen. Doch noch fehlt es an Ideen, wie das technisch umgesetzt werden könnte.

In manchen Bereichen werden bei dem Turnier aber bewusst Regelungslücken gelassen. Das Rauchverbot wird zwar mit dem notwendigen Schutz der Gesundheit der Stadionbesucherinnen begründet, der Alkohol darf vom offiziellen Bierpartner der Uefa allerdings eifrig unters Volk gebracht werden. Beim Spiel gegen Dänemark war mein Sitznachbar auf der Pressetribüne bereits beim Halbzeitpfiff bei seinem dritten Bier angelangt. Sich die EM schönzutrinken, soll offenbar keinesfalls verboten sein. Ihm hat die Partie deutlich besser gefallen als mir.

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Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

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