piwik no script img

Regulierter Verkauf von CannabisEs war nur blauer Dunst

In Friedrichshain-Kreuzberg wird es keine Coffeeshops geben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel weist einen Antrag des Bezirksamts zurück.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) und Suchthilfekoordinator Horst-Dietrich Elvers im Rathaus. Foto: dpa

Wenn sie enttäuscht war, dann ließ sich Monika Herrmann das zumindest nicht anmerken. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat den Antrag des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg auf Einrichtung von legalen Cannabis-Verkaufsstellen abgewiesen. Am Montag um 9.07 Uhr war der lang erwartete Bescheid im Büro der grünen Bezirksbürgermeisterin eingegangen. Eine Stunde später traten Herrmann und der Koordinator des Projekts, Horst-Dietrich Elvers, vor die Presse. „Schade“, sagte Herrmann. Es klang fast trotzig. Das Projekt sei damit aber nicht tot: „Der Weg ist das Ziel“.

Sechs Seiten umfasst der Ablehnungsbescheid. Das Bundesinstitut erklärt sich darin für nicht zuständig und verweist den Bezirk an den Gesetzgeber. Auch wenn Herrmann und ihre Kollegen die Möglichkeit haben, binnen vier Wochen Widerspruch einzulegen – das Vorhaben, vier Cannabis-Fachgeschäfte in Friedrichshain-Kreuzberg aufzumachen, ist damit in weite Ferne gerückt.

Alle erwachsenen Einwohnerinnen und Einwohner des Bezirks sollten monatlich bis zu 60 Gramm Marihuana erwerben können. Oberste Priorität des Antrags, der aus der Feder von Suchthilfekoordinator Elvers stammt, hat der Gesundheits- und Jugendschutz: „Unser Ziel war nicht Kifferland Kreuzberg“, betonte Herrmann am Montag vor der Presse. „Wir wollen den Jugendschutz verbessern“. Ziel der kontrollierten Abgabe sollte sein, dem Schwarzmarkt die Basis zu entziehen und unter 18-Jährigen den Zugang zur Droge zu erschweren. Zudem sollte das Marihuana möglichst regional, biologisch und Co2-arm erzeugt werden.

Diesen Plänen hat das Bundesinstitut nun mit dem Hinweis, nicht zuständig zu sein, einen Riegel vorgeschoben. Begründet wird das so: Der Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken sei mit „dem Schutzzweck“ des bestehenden Betäubungsmittelgesetzes nicht vereinbar. Aufgabe des Gesetzes sei es vielmehr, einen Betäubungsmittelmissbrauch zu unterbinden, sofern dieser nicht notwendig medizinisch indiziert sei. Ergo: Das Bundesamt würde seine Kompetenzen überschreiten, wenn es das Betäubungsmittelgesetz anders auslegen würde. „Sollte sich die Akzeptanz gesetzlicher Verbotsregelungen im Verlauf einer gesellschaftlichen Entwicklung tatsächlich verändert haben, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, dieser etwaigen Änderung Rechnung zu tragen“, heißt es wörtlich.

Unser Ziel war nicht Kifferland Kreuzberg

Monika Herrmann, Grüne

Im Widerspruch dazu steht, dass sich das Bundesinstitut trotzdem inhaltlich mit dem Antrag des Bezirks auseinandersetzt. Allerdings geschieht das nur selektiv. So wird zum Beispiel moniert, dass die kontrollierte Abgabe „Unbedenklichkeit suggeriert, die das Betäubungsmittel nicht hat“. Auch an der Sicherheit und Kontrolle der Cannabisabgabe werden Zweifel angemeldet. Um zu vermeiden, dass mit dem Cannabis aus den Fachgeschäften gedealt wird, wollte der Bezirk es teurer verkaufen als auf dem Schwarzmarkt.

Damit werde eine unerlaubte Weitergabe trotzdem nicht ausgeschlossen, stellt das Bundesinstitut fest. Ein Schwarzmarkt lasse sich nicht durch einen legalen Teilmarkt austrocknen. Der Schutz von Minderjährigen sei nicht gewährleistet.

„Für uns ist das kein Scheitern“, sagte Suchthilfekoordinator Elvers. Und auch Herrmann gab sich überzeugt: Die kontrollierte Abgabe werde kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Kiffen ist doch längst kein Aufregerthema mehr. Wer‘s will der tut‘s, und kriegt seine Brösel überall und jederzeit. Herrmann’s Antrag war gelinde gesagt naiv, und Henkel’s Zero-Tolerance trifft nun mal die Mehrheitsmeinung. Soweit so einfach, und alles bleibt beim alten.

     

    Was über alle Grenzen von Meinung und Lebenseinstellung hinaus besorgen sollte ist die Zunahme beim Konsum von wirklich riskanten und gefährlichen Drogen und der millionenschwere organisierte Drogenhandel, gepaart mit Menschen-, Waffen- und Terrorhandel. Hier muss der Staat bei der Strafverfolgung entschieden mehr Personal und damit Geld aktivieren. Wenn ich König von Deutschland wäre dann würde ich Alkohol, der hierzulande sträflich billig zu kriegen ist, deutlich höher besteuern und die Mehreinnahmen zweckgebunden für Aufklärung, Prävention, Therapie und Kriminalitätsbekämpfung einsetzen.

    • @Rainer Seiferth:

      Damit fordern Sie genau das, was seit Jahrzehnten getan wurde und schief lief. Sie sehen ja wozu es geführt hat: HIV, unschuldige Menschen im Knast und Online-Shops. Gut gemacht!

  • Wenn man es wirklich will, dann macht man es in altbewährter Kreuzberger Tradition einfach, wenn man es nicht wirklich will, dann spult man ein offizielles Genehmigungsverfahren ab, dessen Ergebnis vorhersehbar ist.

    Schon in den 1980er-Jahren nervte am hochgeschätzten Christian Ströbele und der AL, dass in erster Linie nur gelabert, gelabert, gelabert wurde.

     

    Genau das hat sich nicht geändert, seien es Coffeeshops in Berlin, Startbahnen in Frankfurt oder Braunkohleflöze in NRW…

  • Ich lebe in einer Stadt in Deutschland - da gibt es dutzende Coffeeshops - illegal und unter ständiger Bedrohung durch die Justizbehörden und der Polizei. Dann machen die mal nen Raid und kurze Zeit später macht der Laden an der nächsten Ecke wieder auf.

     

    Schön wäre, wenn legale Coffeshops geprüftes Zeug hätten, damit man nicht irgendein Mist mitraucht.