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Regisseurin über den Start der Berlinale„Freude, Aufregung, Übelkeit“

„Kids Run“ von Barbara Ott eröffnet die renommierte Sektion „Perspektive Deutsches Kino“ der Berlinale. Was geht ihr vor der Premiere durch den Kopf?

„Ich habe ein Faible für Zorn und Aggression“: Regisseurin Barbara Ott Foto: J. Matjasko
Bert Schulz
Interview von Bert Schulz

taz: Frau Ott, sind Sie sehr aufgeregt?

Barbara Ott: Ja. Klar. (lacht)

Ihr Film „Kids Run“ wird kommenden Freitag auf der Berlinale gezeigt, als Weltpremiere und Eröffnungsfilm der renommierten Sektion Perspektive Deutsches Kino.

Ich bin hin- und hergerissen zwischen ganz stolz sein und der Freude, dass das geklappt hat. Dann bin ich natürlich aufgeregt. Und manchmal habe ich ein bisschen Angst und mir ist ein bisschen übel.

„Kids Run“ ist Ihr erster Film in Spielfilmlänge. Besser als mit einem Berlinale­auftritt kann es dafür eigentlich gar nicht laufen.

Klar ist das super.

Wann haben Sie die Nachricht bekommen, dass Ihr Film dort läuft?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Irgendwann Ende vergangenen Jahres.

Die Macherin und ihr Film

Die Regisseurin Barbara Ott, 36, wurde in Bayern geboren und lebt heute in Neukölln. Sie hat szenische Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert. Ihr Kurzfilm „Sunny“ (2013) wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Kurzfilmpreis Lola. „Kids Run“ ist ihr erster abendfüllender Spielfilm.

Der Film „Kids Run“ handelt von dem dreifachen Vater Andi, der in ständiger Geldnot lebt und seine Aggressionen nicht im Griff hat. Doch er liebt seine Kinder und kämpft um sie. Der Film eröffnet am Freitag, 21. Februar, 19.30 Uhr, im Kino International die Berlinale-Reihe „Perspektive Deutsches Kino“. Karten dafür gibt es ab Dienstag, 10 Uhr. „Kids Run“ wird danach noch vier Mal gezeigt, zuletzt in einer Sondervorstellung im Knast Plötzensee (Donnerstag, 27. 2., 17 Uhr). Karten dafür gibt es nur personalisiert an den Vorverkaufskassen. (bis)

Im Interview: 

Wie lange haben Sie an dem Film gearbeitet?

Ziemlich lange. Es fing 2014 an, 2018 haben wir gedreht, dann kamen Schnitt und Ton, und und und...

„Kids Run“ handelt von einem mit seinem Leben überforderten, aufbrausenden Vater dreier Kinder. Er schuldet seiner Ex-Freundin Geld; die droht ihm, die gemeinsame Tochter wegzunehmen. Kein wirkliches Feel-Good-Movie. Wie kamen Sie auf den Stoff?

Mich interessiert das Elternsein per se – und das Überfordert sein als Eltern: dieser Kampf, wie man Arbeit, Job, Geld verdienen, Kinder erziehen auf die Reihe kriegt. Und mich interessiert die Vaterfigur. Das sind Menschen, von denen man oft ein Klischee im Kopf hat: Die seien aggressiv, prollig, kriegen nichts auf die Reihe, sind schlimm zu den Kindern. Ich finde es toll, diese Schichten langsam abblättern zu lassen, dem Mann in die Seele zu schauen, zu verstehen, wie er denkt und fühlt. Und die Zuschauer dahin zu bringen, dass sie mit ihm denken und fühlen. Er ist ja kein schlechter Mensch.

„Kids Run“ ist auf eine Art eine Weiterentwicklung Ihres vielfach ausgezeichneten Kurzfilms „Sunny“. Manche Szenen gleichen sich, auch der jeweilige Protagonist ist sehr ähnlich: Ein viel zu junger Vater zwischen Arbeitslosigkeit, Kinderbetreuung und Alltag. Haben Sie gedacht: Mit „Sunny“ hatte ich so einen Erfolg, jetzt mache ich daraus einen Langfilm?

Der überragende Erfolg von „Sunny“ trägt mich noch heute durch diese Filmwelt. Und es stimmt: „Kids Run“ ist wie „Sunny“ zehn Jahre später, inzwischen mit drei Kindern. Es war immer noch meine Sehnsucht, diese Geschichten zu erzählen, von diesen Menschen.

Stecken dahinter eigene Erfahrungen mit solchen Männerfiguren?

Ich hatte einen Kindergartenfreund, der aus eher prekären Verhältnissen stammte und ein Stigma trug, aus dem er nie rausgekommen ist. Ich glaube, dass er ein Antrieb ist für mich. Und wenn man, so wie ich, die Bücher selber schreibt, ist mit Sicherheit irgendwas Autobiografisches dabei.

Die Männer in den Filmen sind anfangs Prototypen von Personen, die nicht mehr gebraucht werden. Sie sind gewalttätig, arbeiten in prekären Jobs, die immer überflüssiger werden.

Prägt für zehn Tage das Stadtgeschehen: Die Berlinale mit ihrem Zentrum am Potsdamer Platz Foto: dpa

Wenn man genauer hinschaut, sind das Männer in typischen Frauenrollen: Sie kümmern sich um die Kinder. Und wenn sie darum kämpfen, Kinder und Jobs zu vereinbaren, finde ich das eine Herausforderung, die eher Frauen als Männer betrifft.

Einige Szenen in beiden Filmen zeigen sehr drastisch Gewalt. Sie selbst sagen, „Kids Run“ sei „mitunter schwer zu ertragen“. Warum soll, warum muss man sich als ZuschauerIn das anschauen?

Um zu verstehen, dass manche Menschen, die einem nicht so nahe sind, dennoch Parallelen zu uns allen aufweisen. Wenn man den Bezug zu sich selbst findet, stellt man fest, dass die Menschen, die sich in bürgerlichen Schichten bewegen dürfen, gar nicht so weit davon entfernt sind von jenen, die man oft mit einem abschätzigen Blick betrachtet. Letztlich habe ich ein Faible für Zorn und Aggression. Aber der Film trägt auch ganz viel Liebe in sich.

Zwischen „Sunny“ und „Kids Run“ liegen sieben Jahre. Warum verging so viel Zeit dazwischen?

Ein Drehbuch zu entwickeln, Förderung zu organisieren – das dauert einfach ein paar Jahre. Ich schreibe die Bücher selbst. Das liebe ich und gleichzeitig hasse ich es.

Warum?

Es ist einfach total anstrengend, alles aus sich selbst hervorzuholen und es irgendwo hinzubringen, wo es dann eine Geschichte wird – oder man zumindest glaubt, dass es eine Geschichte wird.

Dass Ihr Film auf der Berlinale so prominent läuft, ist ein großer Erfolg. Eine Garantie, dass er auch ins Kino kommt, ist es allerdings nicht – wie viele Regisseure sogar auf der Berlinale ausgezeichneter Filme erleben mussten.

In meinem Fall ist das zum Glück anders: Wir haben einen Verleih, der Film wird im Herbst in die Kinos kommen. In wie vielen er dann laufen wird und wie lange, das kann ich natürlich jetzt nicht sagen.

Was erhoffen Sie sich noch von den Filmfestspielen?

Dass der Film gesehen und von den Zuschauern verstanden und gemocht wird. Und dass er später noch auf ein paar anderen Festivals weltweit läuft.

Eine Weltpremiere, das klingt super dramatisch, klingt nach Glamour, rotem Teppich, Blitzlichtgewitter. Gibt es da von der Produktionsfirma eigentlich noch mal Tipps – etwa, welches Kleid Sie tragen sollten?

Ich werde kein 2.000-Euro-Kleid tragen. Und ich glaube, es gibt in dieser Filmreihe der Berlinale nicht mal einen roten Teppich für die Premiere (lacht). Kurz bevor es los geht, treffe ich mich mit meiner Produzentin und sage ihr: „Wir freuen uns jetzt auf die nächsten zwei Wochen“.

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