Regisseur über digitale Auferstehung: „Ein gefährliches Geschäftsmodell“
Tech-Unternehmen bieten an, digitale Doubles von Toten für die Hinterbliebenen zu erstellen. Hans Block hat einen Dokumentarfilm darüber gedreht.
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taz: Herr Block, worum geht es in Ihrem Film „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“?
Hans Block: Der Film beschäftigt sich mit Start-ups, die behaupten, uns unsterblich machen zu können – in digitaler Form. Auf der Grundlage aller Daten, die wir hinterlassen, werden digitale Doppelgänger*innen erschaffen, die nach unserem Tod mit unseren Hinterbliebenen interagieren.
taz: Wie sind Sie dieses Thema angegangen?
Block: Wir haben diese Behauptungen überprüft und Kund*innen getroffen, die jetzt mit ihren verstorben Liebsten ihr Leben gestalten. Und wir haben uns gefragt, was macht es mit uns Menschen, wenn wir den Tod aus dem Leben verbannen?
taz: Geht es dabei um das alte Konzept der Seele?
Block: Tatsächlich lassen diese Tech-Unternehmen diesen eher religiös konnotierten Begriff wieder aufleben. Es wird behauptet, dass diese ganzen Daten über einen Menschen auch eine gewisse Objektivität haben, und daraus die Persönlichkeit oder die Seele eines Menschen restauriert werden kann. Das heißt, dass sie uns vielleicht besser kennen, als wir selbst, weil sie eine Grundlage haben, um den Menschen zu errechnen. Das ist ein göttliches Narrativ, das bislang nur die Kirche hatte. Es gibt jetzt eine weltliche Heilsgeschichte, wie der neue Gott KI unsere Seelen neu erschaffen kann.
taz: Erkennen die Kund*innen denn nicht, dass es sich um Simulationen handelt?
Block: Die User*Innen wissen, dass sie da mit einer Maschine reden, in der sich ein Codetext befindet. Aber die Gespräche wirken oft so magisch, dass sie zwischenzeitlich darin glauben, dahinter stecke mehr als reine Mathematik.
taz: Interessant, dass Sie das Wort „magisch“ verwenden. Ähnelt die Praxis den magischen Zirkeln und Séancen, in denen man vor 100 Jahren die Toten herbeirief …?
„Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“. Regie: Hans Block und Moritz Riesewieck. Deutschland / USA 2024, 87 Min.; Vorführung im Rahmen der Hospizwoche Hamburg, 6. 10.,12 Uhr, Metropolis Kino
Block: Genau. Wenn man in die Kulturgeschichte schaut, dann ist die Sehnsucht, mit den Toten Kontakt aufzunehmen und unsterblich zu werden, immer wieder aufgetaucht. Der Unterschied zu einer Séance ist aber, dass hier eine riesige Industrie dahinter steckt, die darauf aus ist, extreme Profite zu machen. Da wird die Zerbrechlichkeit von Menschen ausgenutzt, die einen Trauerprozess durchmachen. Das ist ein großes und gefährliches Geschäftsmodell.
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