Regionalwahl in Katalonien: Kein normaler Urnengang
Die Wahl im reichen Katalonien am Sonntag ist eine Abstimmung über die Unabhängigkeit. Eine Mehrheit für die Separatisten ist möglich.
![Büste des spanischen Königs Juan Carlos Büste des spanischen Königs Juan Carlos](https://taz.de/picture/677904/14/14037064.jpg)
Der Grund für die ganze Aufregung: Am Sonntag wird in Katalonien ein neues Regionalparlament und eine neue Autonomieregierung gewählt. Doch es ist dieses Mal kein normaler Urnengang.
Es geht um die Unabhängigkeit der reichen Region im spanischen Nordosten. Eine Liste mit dem Namen „Gemeinsam für das Ja“, auf der neben den regierenden konservativen Nationalisten Demokratische Konvergenz Kataloniens (CDC) Politiker der separatistischen Republikanische Linke Kataloniens (ERC) sowie viele bekannte Persönlichkeiten aus Zivilgesellschaft, Kultur und Sport vertreten sind, hat nur einen Programmpunkt: Die Unabhängigkeit Kataloniens.
Sie streben die absolute Mehrheit im Parlament an, um dann die Loslösung von Spanien umzusetzen. Der Urnengang wird damit zu einer Art Referendum, das die spanische Verfassung jedoch nicht zulässt und das die Regierung in Madrid entschieden ablehnt. Im Notfall solle der Bruch mit Spanien auch einseitig vollzogen werden, so der katalanische Regierungschef Artur Mas.
Drohungen verfangen nicht
Zwar strebe er eine Verhandlungslösung für den Weg zur Unabhängigkeit an, doch wenn sich Madrid weiterhin stur stelle, werde Katalonien dennoch gehen und nicht einmal seinen Teil an den spanischen Staatsschulden begleichen. Die Umfragen gehen von einem knappen Sieg der Separatisten aus.
Artur Mas, Regierungschef
„Gemeinsam für das Ja“ wird zwar kaum die Hälfte der Parlamentssitze erreichen, doch können Mas und die Seinigen auf die Unterstützung einer weiteren separatistischen Liste, der linksradikalen CUP setzen. Dem Block der Separatisten stehen die in Madrid regierende Partido Popular (PP), der katalanische Ableger der sozialistischen PSOE und die Bürgerpartei Ciudadanos gegenüber.
Katalonien würde mit der Unabhängigkeit auch die Europäische Union und den Euro verlassen müssen, heisst eines der Drohargumente, die Spaniens Regierungschef Rajoy und sein Zentralbankchef in den vergangenen Tagen immer wieder anführen. Die Wirtschaft Kataloniens, die Renten, die Bankguthaben, alles stünde auf dem Spiel.
Podemos ist gegen die Unabhängigkeit
Katalonien ist die reichste Region des Landes. Die Emotionen schlagen hoch. Der Katalane Mas weiss dies geschickt zu nutzen. Seine gesamte Argumentation lebt vom ständigen Konflikt mit Madrid. „Große Chefs kommen in katalanisches Reservat um zu sagen, wie wählen“, erklärte der Nationalist auf einer seiner Wahlkampfveranstaltungen. „Eingeborene zeigen große Stinkefinge“, fügte er unter Applaus hinzu.
Nur eine Liste möchte den Krieg um die Fahnen nicht mitmachen, „Katalonien, ja man kann” (CQSEP) – ein Bündnis rund um die Protestpartei Podemos sowie regionalen Postkommunisten und Grüne. Deren Spitzenkandidat, der Aktivist aus der Bewegung der Nachbarschaftsvereine in den Arbeiterstadtteilen Barcelonas, Lluís Rabell, redet nicht von der Unabhängigkeit sondern von den sozialen Zuständen in Katalonien, wo die Autonomieregierung die gleiche Spar- und Privatisierungspolitik betrieben hat wie Rajoy in Madrid.
„Jede vierte Zwangsräumung von Wohnungen findet in Katalonien statt, 21 Prozent der Katalanen leben an oder unter der Armutsgrenze“, sagt der Rabell. Er wirft Mas vor, sich hinter der Fahne zu verstecken, um nicht für seine traurige Bilanz zur Rechenschaft gezogen zu werden. Rabell, der bei seinen Auftritten von Podemos-Chef Pablo Iglesias unterstützt wird, tritt für eine Volksabstimmung in Katalonien über die Unabhängigkeit ein, will aber gleichzeitig, „dass die Katalanen bleiben.” CQSEP hofft auf den zweiten Platz bei den Wahlen am Sonntag an.
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