Regimeterror in Eritrea: Die versklavte Bevölkerung
Die UN-Kommission wirft der Regierung schwere Verbrechen vor und will Anklage erheben. Die EU sieht das Land als Migrationspartner.
„Die Kommission hat Grund zur Annahme, dass in Eritrea seit 1991 Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen worden sind, nämlich Versklavung, Inhaftierung, Verschwindenlassen, Folter, andere unmenschliche Akte, Verfolgung, Vergewaltigung und Mord“, steht gleich zu Beginn des Berichts, der auf mehrjährige Recherchen folgt. „Die Kommission kommt zum Schluss, dass Eritrea ohne umfassende rechtliche und institutionelle Reformen nicht in der Lage ist, seiner Rechenschaftspflicht für diese Verbrechen und Verletzungen nachzukommen. Sie empfiehlt daher, dass der Sicherheitsrat die Lage in Eritrea dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs zur Prüfung vorlegt.“
Bereits im Juni 2015 hatte die Untersuchungskommission staatliche Verfolgung in Eritrea ausführlich dokumentiert. Dieser Bericht war von Eritreas Regierung und ihren Verbündeten scharf kritisiert worden, unter anderem weil die UN-Ermittler Eritrea nicht besucht hatten – die Regierung hatte das nicht erlaubt. Für den Abschlussbericht durfte eine UN-Delegation ins Land, nicht aber die Untersuchungskommission.
Eritreas Regierung unter dem Präsidenten und ehemaligen Befreiungskämpfer Iasaias Afeworki verübe seit der Unabhängigkeit des Landes im Mai 1991 einen „andauernden, ausgedehnten und systematischen Angriff gegen die Zivilbevölkerung von Eritrea“, so die Kommission, so die Kommission. Die Wertung als „ausgedehnt und systematisch“ entspricht der Definition eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Völkerstrafrecht.
Ausreise verboten
Folter werde in zivilen und militärischen Einrichtungen weiterhin „ausgedehnt und systematisch“ angewandt, heißt es weiter. Es gebe weiterhin sexualisierte Gewalt gegen Männer und Frauen in der Haft, Bestrafung von Familienangehörigen von Flüchtlingen, Hinrichtungen und Zwangsarbeit, ebenso die als Zwangsrekrutierung zu wertende zeitlich unbegrenzte Wehrpflicht.
Die politische Brisanz liegt nicht nur in der Dimension der Vorwürfe, sondern auch im Umstand, dass er mitten in die Diskussionen über eine Zusammenarbeit zwischen der EU und Eritrea zur Eindämmung der illegalen Migration läuft. Eritrea erlaubt seinen Bürgern generell die Ausreise nicht. Rund 5.000 Menschen fliehen jeden Monat aus dem Land mit weniger als 6 Millionen Einwohnern; 2015 beantragten laut UNO 47.025 Eritreer Asyl in einem EU-Land.
Die zivilgesellschaftliche Lobbygruppe EEPA, die für eine menschenrechtsorientierte EU-Außenpolitik eintritt, verlangt nun eine „sofortige und unzweideutige Antwort“ auf den UN-Bericht. Eritrea ist eines der 16 Länder, mit denen die EU vertieft über gemeinsame Maßnahmen gegen Flüchtlingsströme spricht; im Rahmen des „Khartum-Prozesses“ zu Europas Zusammenarbeit mit den Regierungen am Horn von Afrika gegen illegale Migration ist auch Eritrea ein Partner. Menschenrechtler monieren, dass es auch um polizeilichen und geheimdienstlichen Informationsaustausch gehe. Es könne keine Kooperation mit einem Regime geben, das als Täter von Verbrechen gegen die Menschlichkeit identifiziert wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland