Regime in Syrien beginnt zu bröckeln: Staatsanwalt tritt zurück
Adnan al-Bakkur, der Generalstaatsanwalt der Provinz Hama, tritt zurück. Er beklagt Gräueltaten gegen Oppositionelle. In Dair as-Saur gab es heftige Kämpfe. Und die EU erhöht den Druck.
DAMASKUS dpa/dapd | Das syrische Regime zeigt nach Monaten blutiger Gewalt gegen Demonstranten erste Auflösungserscheinungen. Die Protestbewegung meldete am Donnerstag heftige Kämpfe zwischen desertierten Soldaten und Angehörigen einer Regierungsmiliz in der Stadt Dair as-Saur nahe der irakischen Grenze. Mehrere Mitglieder der sogenannten Schabiha-Miliz seien verwundet worden, hieß es.
Im Internet veröffentlichten die Regimegegner eine Videoaufnahme, in der Adnan al-Bakkur, der Generalstaatsanwalt der Provinz Hama, aus Protest gegen Gräueltaten der Sicherheitskräfte seinen Rücktritt erklärt. Al-Bakkur sagt, am 31. Juli seien im Zentralgefängnis von Hama 72 Aktivisten exekutiert worden. Dutzende Menschen seien bei Militäroperationen in der Stadt getötet oder zu Tode gefoltert worden.
In einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Sana hieß es dazu, Al-Bakkur sei am vergangenen Montag von Terroristen entführt worden. Diese hätten ihn unter Androhung von Gewalt gezwungen, Lügen über die Praktiken der Sicherheitskräfte zu verbreiten.
In der Nacht zum Donnerstag meldete die Protestbewegung erneut Razzien in der Stadt Hama, die zu den Hochburgen des Aufstandes gegen Präsident Baschar al-Assad gehört. Am Mittwoch seien landesweit drei Demonstranten getötet worden, hieß es. Unter den Toten soll ein Mädchen sein, das in Dair as-Saur erschossen wurde.
Neue UN-Resolution in Arbeit
Wie viele Menschen seit Beginn des Aufstandes Mitte März getötet wurden, kann bislang niemand genau sagen. Menschenrechtler gehen jedoch von mehr als 2.200 Toten aus. Hunderte von Menschen werden von ihren Angehörigen vermisst. Es wird befürchtet, dass etliche von ihnen getötet und in Massengräbern verscharrt wurden.
Die EU erhöht weiter den Druck auf den syrischen Präsidenten Baschar Assad. Wie der britische Außenminister William Hague am Donnerstag am Rande einer internationalen Konferenz in Paris mitteilte, ist zur Eindämmung der Gewalt gegen friedliche Demonstranten im Land eine neue UN-Resolution in Arbeit.
Zudem sei ein Öl-Embargo geplant. Es bestehe eine "reale Perspektive für eine Einigung auf Sanktionen gegen syrische Erdöllieferungen in die Europäische Union", sagte Hague. Die Pläne sollen den Angaben zufolge am Wochenende beim Treffen der EU-Außenminister im polnischen Sopot erörtert werden.
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