Regierungswechsel in Bulgarien: Kiril Petkow ist neuer Landeschef
Der Chef der bulgarischen Reformpartei steht für Transparenz und den Kampf gegen Korruption – jetzt auch als Ministerpräsident.
Schon in der vierten Klasse habe Petkow begonnen, sich für Politik zu interessieren. Das jedenfalls sagte sein engster Freund seit Sofioter Kindertagen, Boris Georgiew, dem bulgarischen Sender Nova TV. Damals hätten beide als „Post-Jung-Pioniere“ (Tschawdarscheta) an einem Treffen teilgenommen. Seitdem habe Petkow wohl immer wieder etwas in diese Richtung gezogen.
Zunächst jedoch zog es ihn erst einmal zu seinen Eltern nach Vancouver. Sie waren 1994 nach Kanada ausgewandert. An der University of British Columbia absolvierte Petkow ein Studium in Finanzwissenschaften und reichte als einer der Jahrgangsbesten auch noch einen Masterabschluss der Harvard-Universität in den USA im Fach Business Administration nach. In Kanada lernte er auch seine zukünftige Frau Linda McKenzie kennen, mit der er drei Töchter hat.
Nach Mitarbeit in einer kanadischen Firma gründete Petkow schließlich sein eigenes Unternehmen „Probiotik“, das auch Patente für Biotechnologie in den USA besitzt. Irgendwann reifte dann der Entschluss, nach Bulgarien zurückzukehren. 2018 gründete Petkow an der biologischen Fakultät der Universität Sofia für bulgarische Studierende das Zentrum für angewandte Forschung und Innovation in Naturwissenschaften (CASI).
Wirtschaftsminister für fünf Monate
Zwei Jahre später gingen Zehntausende Bulgar*innen für Reformen und gegen Korruption der Regierung von Bojko Borissow wochenlang auf die Straße. Aus dieser Protestbewegung gingen mehrere Parteien hervor, die bei der Parlamentswahl am 4. April 2021 sowie am 11. Juli 2021 die Verhältnisse in der Volksversammlung gehörig durcheinanderwirbelten und eine Koalitionsbildung unmöglich machten.
Ergo übernahm eine Interimsregierung (Mai bis September) die Geschäfte, in der Petkow den Posten des Wirtschaftsministers bekleidete. Im Oktober erklärte das Verfassungsgericht seine Nominierung für verfassungswidrig, da er zu diesem Zeitpunkt die kanadische Staatsbürgerschaft besessen habe.
Bereits im September hatte Petkow mit seinem Mitstreiter und derzeitigem Finanzminister Assen Wassilew die Partei „Wir führen den Wandel fort“ (PP) gegründet, die bei der Wahl am 14. November die meisten Stimmen erreichte. „Null Toleranz gegenüber Korruption“ lautet Petkows Credo, der als Interimsminister bereits einige Skandale aufgedeckt hat. Doch um dieses Ziel durchzusetzen, wird er ziemlich dicke Bretter bohren müssen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder