Regierungskritische Proteste in Ägypten: Sexuelle Übergriffe auf Frauen
Eine Bürgerwehr versucht sie zu schützen, doch immer wieder gibt es während der Demos sexuelle Gewalt gegen Frauen. Vor allem auf dem Kairoer Tahrir-Platz.
KAIRO ap | Eine neue Serie sexueller Übergriffe auf Frauen überschattet die regierungskritischen Proteste in Ägypten. Besonders dramatisch ist die Lage auf dem Kairoer Tahrir-Platz, dem Dreh- und Angelpunkt der Massenkundgebungen gegen den islamistischen Staatschef Mohammed Mursi.
Am Sonntag sei dort mit 46 Vorfällen die bislang höchste Zahl von Übergriffen registriert worden, teilte eine Bürgerwehr mit, die sich zum Schutz von Frauen auf dem Tahrir-Platz formiert hat. Viele Fälle seien so schwerwiegend, dass Betroffene psychologische und medizinische Hilfe benötigten, sagte ein Mitglied der Hilfsgruppe, Engi Ghoslan, der Nachrichtenagentur AP.
Am Tag der Massenproteste waren in Kairo zahlreiche Menschen auf den Straßen, darunter fahnenschwenkende Familien mit Kleinkindern, die mit Pfiffen und Gesängen den Rücktritt Mursis forderten. Auf den zentralen Plätzen herrschte eine Art Volksfeststimmung. Mit Einbruch der Dunkelheit kann es jedoch vor allem auf dem schlecht beleuchteten Tahrir-Platz für Frauen gefährlich werden.
Das musste eine junge Holländerin erfahren, als sie dort zwei Tage vor den Massenkundgebungen von einer Gruppe von Männern sexuell bedrängt wurde, wie die Behörden mitteilten. Niederländische Medien berichteten, die 22-Jährige habe offenbar als Praktikantin für eine ägyptische Organisation gearbeitet und den Tahrir-Platz aufgesucht, um Fotos von den Demonstrationen zu machen. Laut dem New Yorker Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) ist die Frau inzwischen in ihre Heimat zurückgebracht worden.
„Keine Polizei – keine Sicherheit“
Ein ranghoher Berater von Staatschef Mursi, Essam al-Haddad, erklärte, die jüngste Attacke sei nur einer von sieben Fällen, die Menschenrechtsgruppen am Freitag auf oder rund um den Tahrir-Platz gemeldet hätten. Einige Aktivisten werfen der Regierung vor, Klagen über sexuelle Belästigungen zu übertreiben. Auf diese Weise wolle sie weibliche Demonstranten fernhalten und die Protestbewegung in Misskredit bringen, argwöhnen Regierungsgegner.
Doch die Angaben der Bürgerwehr namens „Operation gegen Sexuelle Übergriffe“, die auf dem Tahrir-Platz patrouilliert, sprechen eine andere Sprache. Allein am Montag seien mindestens 17 versuchte Übergriffe registriert worden, teilte die Gruppe über Twitter mit. In acht Fällen seien Freiwillige zum Schutz der Frauen eingeschritten. „Das Problem ist, dass es keine Polizei gibt – und damit keine Sicherheit“, sagte der Demonstrant Nabil Mitri.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland