Regierungskritiker in Kamerun: Freiheit definiert sich im Gefängnis
Der kamerunische Schriftsteller Patrice Nganang bleibt wegen „Beleidigung des Präsidenten“ in Haft. Daran gibt es weltweit Kritik.
Am Abend des 6. Dezember war Nganang am Flughafen von Douala in Kamerun festgenommen worden, als er das Land verlassen wollte. Nganang, der seit Jahrzehnten im Exil lebt, hatte zuvor mehrere Wochen in seinem Heimatland verbracht und am Ende einen Brandtext gegen das rigorose Vorgehen des autoritären kamerunischen Staates im Kampf gegen Separatisten und „Terroristen“ im anglofonen Westen des Landes veröffentlicht.
Weil Nganang einen Regimewechsel in Kamerun forderte, dessen Präsident Paul Biya seit 35 Jahren an der Macht ist, und weil er auf Facebook dem 82-jährigen Biya explizit den Tod an den Hals gewünscht haben soll, hat die Staatsanwaltschaft ihn der „Beleidigung des Präsidenten“ bezichtigt. Sie wirft dem Kameruner auch vor, einen kamerunischen Pass zu besitzen, obwohl er auch einen US-Reisepass hält – in Kamerun ist die doppelte Staatsbürgerschaft nicht vorgesehen, obwohl viele einflussreiche Leute zwecks Reiseerleichterung einen europäischen Zweitpass halten, wie Kritiker anmerken.
Wie man einen US-Amerikaner wegen Beleidigung des kamerunischen Präsidenten einsperren kann, haben Kameruns Behörden nicht näher erläutert. Die Anschuldigung soll mittlerweile modifiziert worden sein.
Patrice Nganang hat in Deutschland studiert und lehrte zuletzt in New York Literatur. Mit seiner Festnahme ist er zum Helden geworden. Eine Onlinepetition afrikanischer Schriftsteller für seine Freilassung hat bis Freitagmittag über 7.000 Unterstützer gefunden. Die Universität Princeton, wo der Kameruner kommendes Jahr eine Gastprofessur antreten soll, hat einen offenen Brief mit 661 Unterschriften veröffentlicht, 249 davon von Professoren.
Zum Schweigen lässt sich Patrice Nganang nicht bringen. „Die Morgenröte einer neuen Republik“ lautet die Überschrift eines Textes, den er aus der Haft verbreitet hat. „Schreiben“, formuliert er, „gründet auf Freiheit, Mut und Ehrlichkeit. […] Heute definiert sich Freiheit in Kamerun im Gefängnis. Es ist der Ort, an dem Mut und Ehrlichkeit die Republik von morgen schaffen.“ Kamerun brauche eine neue Verfassung, einen neuen Gesellschaftsvertrag, um „die Klugheit, die Fantasie“ der Kinder Kameruns einzusetzen. „Dass dies nur auf der Asche dieses Regimes möglich ist, steht außer Frage.“ Logisch, dass Nganang hinter Gittern bleibt – und dass man sich weiter für ihn einsetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja