Regierungskrise in Südkorea: Präsident Yoon sieht rot
In einer trotzigen Fernsehansprache hat Südkoreas Präsident seine Kriegsrechtsentscheidung verteidigt. Sein politisches Schicksal scheint dennoch besiegelt.
Mit selbstbewusster, firmer Mine verteidigte er seine Entscheidung von letzter Woche, das Kriegsrecht über Südkorea verhängt zu haben. Er hätte die demokratische Ordnung schützen müssen, sagte Yoon. Die Opposition hätte mit ihren Blockaden die Regierungsarbeit lahmgelegt. Gegen Ende seiner Rede fügte Yoon einen schicksalhaften Satz an, der wohl schon bald in Südkoreas Geschichtsbücher eingehen wird: „Ich werde bis zum Ende kämpfen“.
Damit hat der konservative Politiker zumindest in einem Punkt Klarheit geschaffen: Trotz immensem öffentlichen Drucks, flächendeckenden Demonstrationen und laufenden Polizeiermittlungen wird Präsident Yoon Suk Yeol nicht aus eigenen Stücken zurücktreten. Für den langjährigen Staatsanwalt heißt es jetzt also: alles oder nichts.
Neues Amtsenthebungsverfahren gegen Yoon eingeleitet
Sein trotziger bis siegessicherer Tonfall kann jedoch nicht darüber hinwegdeuten, dass Yoons politischer Niedergang de facto bereits besiegelt ist. In einer umgehenden Reaktion auf seine Ansprache sprach Han Dong Hoon, Parteichef der regierenden Konservativen, denen auch Yoon selbst angehört, erstmals öffentlich davon, dass dieser seines Amtes enthoben werden müsse. Der von der Opposition eingereichte Antrag, der am Samstagnachmittag im Parlament zur Abstimmung kommt, sollten auch die konservativen Abgeordneten unterstützen, sagte Han.
Damit gilt als nahezu gesichert, dass das Amtsenthebungsverfahren die benötigte Zweidrittelmehrheit erhalten wird. Denn 192 der insgesamt 300 Abgeordneten gehören ohnehin den Oppositionsparteien an. Mit Stand Donnerstagabend haben sich zudem bereits sieben Abgeordnete der Regierungspartei offen dazu bekannt, am Samstag ebenfalls für den Antrag zu stimmen. Es benötigt also nur mehr eine einzige weitere Stimme, damit der Präsident – zumindest übergangsweise bis zur finalen Entscheidung der Staatsanwaltschaft – seine Macht abgeben muss.
Die Amtsgeschäfte würde dann Premierminister Han Duck Soo übernehmen. Der studierte Ökonom und langjährige Diplomat gilt als besonnener Politiker und bestens dafür geeignet, das Land aus seinen tiefen ideologischen Grabenkämpfen herauszuhieven. Am Mittwochabend erntete er große Anerkennung dafür, dass er trotz der Ausnahmesituation aus der Deckung ging und bei einer Veranstaltung der deutschen und französischen Handelskammern versuchte, die internationalen Unternehmensvorstände zu beruhigen. Südkoreas Bekenntnis zur Marktwirtschaft sei ungebrochen, sagte er.
Präsident ist politisch handlungsunfähig
Doch die derzeitige Gretchen-Frage, wer denn momentan tatsächlich die Macht in Südkorea habe, konnte auch er nur ausweichend beantworten: „Südkorea ist ein Land, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht. Mein Präsident übt seine Autorität im Rahmen der Verfassung aus, aber er würde gerne einige seiner Befugnisse delegieren“, sagte Han.
Auf dem Papier mag Yoon Suk Yeol noch Präsident sein, doch politisch ist er handlungsunfähig. Und beim Volk hat der spätestens seit Mittwoch sämtliche Gunst verloren, als nämlich die präsidialen Sicherheitskräfte die angerückten Polizisten bei einer angeordneten Razzia im Präsidentenbüro blockierten. Mit der Durchsuchung wollte die Staatsanwaltschaft Dokumente konfiszieren, welche die Umstände der Kriegsrechtsentscheidung ausleuchten. Yoon jedoch stellte sich mit seiner Verweigerungshaltung ganz dreist über das Gesetz.
Die Rechnung dafür bekam das Staatsoberhaupt bereits heute in Form von zunehmendem Volkszorn präsentiert. Die in Teilen linksradikale Gewerkschaft KCTU hat am Donnerstagnachmittag einen Protestzug einberufen, der sich seinen Weg vom Rathaus bis zum Wohnsitz des Präsidenten bahnte. „Verhaftet den Rädelsführer Yoon Suk Yeol!“, riefen etwa tausend Demonstranten direkt vor dessen Residenz. Sie besetzten ganze Straßenzüge und lieferten sich kleine Rangeleien mit der Polizei. Noch scheint die Lage friedlich, aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis sich der Frust in Teilen der Bevölkerung in offene Gewalt entlädt.
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