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Regierungskrise in NorwegenEU-Energiepolitik lässt Koalition platzen

Die Zentrumspartei verlässt das Bündnis mit den Sozialdemokraten. Ministerpräsident Jonas Gahr Støre bleibt vorerst im Amt.

Norwegens Premierminister Jonas Gahr Store verkündet das Ende der Zusammenarbeit mit der dass Arbeitspartei Foto: Cornelius Poppe/ap

Härnösand taz | Zum ersten Mal seit 25 Jahren hat Norwegen eine Ein-Parteien-Regierung – wenn auch keine besonders starke: Im Streit über die Energiepolitik des Landes hat sich die Zentrumpspartei (Sp) am Donnerstag aus der Minderheitsregierung zurück gezogen und und die sozialdemokratischen Arbeiterpartei (Ap) allein gelassen. Entscheidend waren konträre Ansichten über die Einführung eines EU-Energiemarktpakets – dabei ist Norwegen gar kein EU-Mitglied.

Die Auseinandersetzung hatte sich seit Längerem zugespitzt, bis die Zentrumspartei ernst machte. Ihr Parteichef, der bisherige Finanzminister Trygve Slagsvold Vedum, und Fraktionschefin Marit Arnstad verkündeten in Oslo den Ausstieg ihrer Partei. Zentrales Argument ist die Sorge, dass die Arbeiterpartei sich zu sehr an den europäischen Strommarkt binde und damit die Strompreise in Norwegen unkontrollierbar steigen würden.

„Wir waren die ganze Zeit sehr klar in unserer Haltung, dass es für uns nicht in Frage kommt, den Prozess zu beginnen, der uns enger an den dysfunktionalen Strommarkt der EU bindet“, sagte Vedum. Arnstad fügte hinzu: „Wir können nicht in einer Regierung mit der Ap sitzen, ohne einen anderen energiepolitischen Kurs einzuschlagen.“

Ministerpräsident Jonas Gahr Støre bleibt vorerst im Amt, was der jetzt ehemalige Koalitionspartner unterstützt. „Wir werden eine sachliche und konstruktive Oppositionspartei sein“, sagte Arnstad. Støre sagte laut dem norwegischen Rundfunk NRK bei einer Pressekonferenz, dass er sich einen anderen Ausgang des Konflikts gewünscht hätte. Er betonte aber, es sei nur um diese Sachfrage gegangen. „Wir trennen uns als politische Freunde.“ Støre darf nun acht Ministerposten neu besetzen.

Erst der Anfang

Der Streit dreht sich um den Teil des vierten Energiemarktpakets der EU, den die Arbeiterpartei auch für Norwegen einführen möchte. Die Zentrumspartei fürchtet, dass das nur der Anfang ist und nach und nach das ganze Paket eingeführt wird. Støre wies diese Befürchtung am Donnerstag zurück: „In einer Situation mit so großer Instabilität auf dem europäischen Energiemarkt ist es nicht aktuell für die Arbeiterpartei, auch die übrigen fünf Direktiven dazu einzuführen“, sagte er.

In Norwegen wird im Herbst gewählt, vor der Wahl wollte Støre die drei Direktiven einführen, die regeln, dass mindestens 32 Prozent des EU-Energieverbrauchs bis 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen soll, dass die Gebäudeenergieffektivität wächst und Energie effektiver genutzt wird.

Von EU-Seite aus hat Norwegen Zeit bis zum 21. Mai, das Paket einzuführen. Norwegen kann als Land des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ablehnen, neue EU-Regelwerke in nationale Gesetzgebung zu gießen, hat von diesem Recht bisher aber keinen Gebrauch gemacht.

Støre vertritt die Ansicht, dass die Bindung an diese EU-Direktiven nicht zu höheren Strompreisen im eigenen Land führen werde. Außerdem sieht die Arbeiterpartei es als wichtig an, sich gerade in geopolitisch unsicheren Zeiten eng an die EU zu binden.

Im vergangenen Herbst waren die Strompreise im Süden Norwegens auf neue Rekordhöhen geklettert. Das hatte für viel Unmut im Land gesorgt, da bereits bestehende Verknüpfungen mit dem europäischen Strommarkt dafür verantwortlich gemacht wurden.

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