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Regierungskrise in ItalienHass und Spiele

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

In Italien droht die Machtübernahme der extremen Rechten unter Matteo Salvini. Für das Land bedeutet das: Es geht weiter bergab.

Fährt er Italien vor die Wand? Der wohl zukünftige Regierungschef Matteo Salvini Foto: dpa

W enn die Rechte nach der Macht greift, braucht es manchmal einen langen Atem, geschichtlich gesehen. Im Moment scheint nichts und niemand verhindern zu können, dass Italiens Wähler dem starken Mann der Stunde, Innenminister Matteo Salvini von der Lega, die „vollen Machtbefugnisse“ – eine Art Ermächtigungs­gesetz – in die Hand geben werden, wie er es für die wohl im Herbst anstehenden Neuwahlen von ihnen verlangt.

Am Ende jedoch auch dieses rechtsextremen bis offen faschistischen Projekts wird die totale Ernüchterung stehen: Wie beim Zeremonienmeister der europäischen Völkischen, Jörg Haider, der die Sache noch eigenhändig gegen die Wand fuhr und seine geliebte Heimat Kärnten auf einem Milliarden-Schuldenberg sitzen ließ; wie bei seinem sich auf der Partyinsel Ibiza als irrwitziger Feind der Demokratie präsentierenden Nachfolger Strache; und natürlich wie bei den Opas dieser Leute, den deutschen Nazis und den italienischen Faschisten. Nach der manischen Begeisterung für den Führer, den Salvini trotz zahlreicher Skandale perfekt verkörpert, folgt die Bauchlandung – und man kann für Italien nur hoffen, dass sie nicht zu heftig ausfallen wird.

Aber in einem Land, das nach Einschätzung des Historikers Andrea Barbero immer noch nur zur Hälfte antifaschistisch und zur anderen Hälfte eben faschistisch ist, kann ein solcher Rückfall in die Barbarei immer drohen. Ab dem Herbst immerhin wird Salvini sich nicht mehr die rassistischen Rosinen herauspicken können, um ein überaltertes, in weiten Teilen von der ökonomischen Dauerkrise gebeuteltes und zur Hälfte der organisierten Kriminalität überlassenes Italien zu begeistern.

Er wird konkrete Lösungen für die immensen Probleme bieten müssen – das allerdings ungestört von jeder Opposition: Die 5-Sterne-Bewegung seines Regierungskollegen Luigi Di Maio hat es in Rekordzeit geschafft, sich überflüssig zu machen; und die „Demokratische Partei“, die immerhin noch über eine stabile Wählerbasis verfügt, konnte sich zuletzt nicht mal auf eine gemeinsame Unterschriftensammlung gegen Salvini verständigen.

Sollen es also wieder „die Märkte“ richten, wie beim Loswerden von Salvinis kriminellem Vorgänger Silvio Berlusconi? Die Börse reagiert in der Tat nervös. Mehr Sorgen muss man sich aber um jene machen, auf deren Rücken Salvini seine Politshow abziehen wird: schlicht alle, die in einem demokratischen und sozialen italienischen Rechtsstaat leben wollen.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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13 Kommentare

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  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zur Erinnerung: Ein Mensch allein - wer auch immer - kann ein Land nur schwerlich an die Wand fahren. In westlichen Demokratien schon gar nicht.

    Um Regierungschef zu werden, bedarf es erst einmal einer Wahl, dann entsprechender Wahlergebnisse. Dazu wäre eine große Anzahl von Wählern nötig.

    Wenn es die geben sollte, wären die Wähler in der Verantwortung.

    Bis dahin gilt: T-T-T (Tiefenatmung, Tee trinken, Träumen).

  • Wenn man hier die Zustandsbeschreibung Italiens liest, erinnert mich das an Trumps "Drecksloch".

    • 9G
      90857 (Profil gelöscht)
      @Rolf B.:

      Die Zustandbeschreibung "hier" habe ich hier am frühen Nachmittag sehr deutlich kritisiert.

      Mein Kommentar wurde rückstandfrei gelöscht.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @90857 (Profil gelöscht):

        Angesichts Ihres bekanntermaßen eher defensiven Schreibstils für mich schwer nachvollziehbar.

        Auch hier gilt zuweilen das christliche Motto: Die Wege des Herrn sind unergründlich. ^^

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Nach meiner Wahrnehmung passt sich die radikale Mitte in zunehmendem Maße an die verluderte Sprache derer an, die sie bekämpfen will.



          Wir werden in absehbarer Zeit ein Europa der Feindseligkeit haben, das sich gewaschen hat.



          Die mediale Empörungsindustrie ist das Resultat einer fehlenden europäischen Solidarität und der Unfähigkeit der deutschen Außenpolitik, Bedürfnisse anderer Staaten überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Das fördert den Rechtsruck in Europa. Die EU ist am Ende.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Rolf B.:

            Ich bin nahe an Ihren Ausführungen, werter Mitstreiter.

            Für mich ist die EU kräftig am Implodieren (als Nicht-Lateiner fällt mir gerade mein Wunschbegriff nicht ein), aber sie ist m. E. noch nicht am Ende.

            Eine Feindseligkeit bis in die Niederungen alltäglichen Umgangs unter Personen wie auch zwischen Personen und Institutionen haben wir bereits seit Jahren. Mit zunehmender Tendenz.

            Ich selbst darf mich in eigener causa bei zahlreichen Akteuren wie Ämtern, Banken, Anwälten dafür lakonisch bedanken, in den Jahren 2010 ff. gründlich abgezockt und zu einem Leben in finanzieller Armut gezwungen worden zu sein. Zuerst habe ich das persönlich genommen, bis ich die strukturelle Gewalt hinter den persönlichen Erfahrungen entdeckt habe.

            Was die 'radikale Mitte' angeht, ist mir nicht klar, ob Sie hier die italienischen Parteien der Regierung - oder die berichterstattende taz - meinen.

        • 9G
          90857 (Profil gelöscht)
          @76530 (Profil gelöscht):

          Als Sympathisant der italienischen M5S erlaube ich mir, die Begriffswahl von Trump ebenso "ekelhaft" zu finden,

          wie hier die exzessive Verwendung von Godwin's Law gegenüber der demokratisch gewählten Regierung eines EU-Gründungsmitgliedes.

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @90857 (Profil gelöscht):

            Ihr Hinweis auf Godwin's Law (mir bis dato gänzlich unbekannt) kommt bei mir zur rechten Zeit. Da habe ich geistige Nahrung für das Wochenende. Merci vielmals.

            Was ich jedoch nicht nachvollziehe: was ist an der häufigen Verwendung 'ekelhaft'? Steht für Sie eine demokratisch gewählte Regierung in der Schutzzone der Kritikfreiheit? Oder sind es die Mittel der Kritik? Möchten Sie lieber das Werfen mit Wattebäuschchen als das Austeilen verbaler Spitzen?

            Besonderer Sympathien für M5S gänzlich unverdächtig, halte ich (restlos) ALLE und ALLES für kritikabel und hinterfragbar. Auch demokratische Entscheidungen.

            Anderernfalls könnten wir uns in umfassendem Schweigen üben. Für mich angesichts des aktuellen Welt-Zustandes keine 1A-Lösung.

            • 9G
              90857 (Profil gelöscht)
              @76530 (Profil gelöscht):

              Hallo Herr Leiberg,

              ich ziehe mich vorerst von der taz zurück und meine schon, wie Rolf B hier schreibt:

              "passt sich die radikale Mitte in zunehmendem Maße an die verluderte Sprache derer an, die sie bekämpfen will."

              Das gilt nicht nicht nur für diesen Artikel hier, der bereits im ersten Absatz

              "eine Art Ermächtigungs­gesetz"

              Godwin's Law auf die redaktionelle Ebene hebt, das gilt nach meinem Eindruck zunehmend und generell für die taz;

              die ich von Anfang an lesend begleitet habe, gar ein Gründungsmitglied kannte.

              Bis denne ...

              • 7G
                76530 (Profil gelöscht)
                @90857 (Profil gelöscht):

                Schade.

                Die Zweifel sind auch mir nicht fremd. Doch das Finden einer neuen 'Heimat' äußerst beschwerlich, zumal auch ich personelle Verknüpfungen zu einem Gründungsmitglied hatte.

                Machen Sie's gut ...

  • Na, der Markt scheint es gerade mal nicht richten zu wollen:

    t.co/LYBj9DD5bm