Regierungskrise bei Rot-Rot-Grün: Doch keine Neuwahlen in Thüringen
Linke und Grüne ziehen den Antrag auf Auflösung des Landtags in Thüringen zurück. Wegen Rückziehern bei CDU und FDP fehlten Stimmen.
Grünen-Fraktionschefin Astrid Rothe-Beinlich sah die Verantwortung vor allem bei CDU und FDP. Zunächst hatten vier Abgeordnete der CDU verkündet, nicht mitzustimmen. Dann hatte die FDP-Fraktion erklärt, sie werde sich lediglich enthalten. Deshalb wären die AfD-Stimmen nötig gewesen. CDU-Fraktionschef Mario Voigt wies die Verantwortung auf Twitter von sich. „Die Mehrheit im Parlament steht und die Linke will sie nicht nutzen“, schrieb er. Rot-Rot-Grün riskiere Stillstand für Thüringen.
Das fragile Konstrukt einer durch die CDU tolerierten Minderheitsregierung ist Ergebnis des Tabubruchs vom Februar 2020. Damals war der FDPler Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD, die zweitstärkste Kraft ist, zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Nach seinem Rückzug hatten Rot-Rot-Grün und CDU vereinbart, befristet zusammenzuarbeiten. Der sogenannte Stabilitätsmechanismus war bereits einmal verlängert worden.
Um das 90 Mitglieder zählende Landesparlament aufzulösen, hätten 60 Abgeordnete dafür stimmen müssen. Das regierende rot-rot-grüne Bündnis, das über 42 Stimmen verfügt, hätte also die Unterstützung von 18 der 21 CDUlern benötigt. Zuletzt hatten aber auch in der Linken zwei Abgeordnete Zweifel angemeldet. Zudem liegt eine Abgeordnete im Krankenhaus und hätte am Montag nicht erscheinen können.
Die Regierung unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow könnte jetzt bis 2024 im Amt bleiben. Die drei Fraktionschefs sahen trotzdem so aus, als wäre sie gerade gestürzt worden. Denn der Stabilitätsmechanismus endet mit Beginn der Sommerpause und Rot-Rot-Grün kann nicht mehr auf die Christdemokraten zählen. SPD-Fraktionschef Matthias Hey appellierte an CDU und FDP, zurück an den Verhandlungstisch zu kehren. „Wir müssen jetzt unter Demokraten versuchen, dieses Land auf Kurs zu halten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner