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Regierungserklärung von Olaf ScholzWiderstände beim Sicherheitspaket

Kanzler Scholz spart bei seiner Regierungserklärung das Thema Migration aus. Kritik kommt von Friedrich Merz, aber auch aus den eigenen Reihen.

Scholz berlässt nach seiner Regierungserklärung den Plenarsaal Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Bundeskanzler Olaf Scholz umgeht in seiner Regierungserklärung am Mittwochmittag das Streitthema seiner eigenen Partei. Es wurde angenommen, dass er sich im Vorfeld zum Gipfel des Europäischen Rates am Donnerstag zur Migrationspolitik äußert. Während es in Brüssel den ersten Tagesordnungspunkt darstellt, hat Scholz dazu „kein einziges Wort gesagt“, kritisierte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Er bezeichnete die Rede des Kanzlers als „vorgezogene, fast schon verzweifelte Wahlkampfrede eines Bundeskanzlers, der mit dem Rücken zur Wand steht“.

Bereits im Vorfeld kritisierte die Union das Vorgehen der Regierungsparteien und legte zu Beginn der Sitzung Widerspruch gegen die geplante Tagesordnung am Freitag ein. An dem Tag sollen die Abgeordneten über das Sicherheitspaket abstimmen, das am Mittwoch im Innenausschuss beraten wurde.

Doch die Vorschläge der Union zu Migration und Sicherheitspolitik wurden im Ausschuss nicht aufgegriffen. Damit werden sie am Freitag im Plenum ebenfalls nicht thematisiert. Ein „höchst befremdliches Vorgehen“, wie Hendrik Hoppenstedt, Parlamentarischer Geschäftsführer der Union, sagte.

Der Sitzung gingen Medienberichte voraus, laut denen Scholz bei einer Probeabstimmung über das Sicherheitspaket die Abgeordneten in der Sitzung zur Zustimmung ermahnt. Merz warf ihm im Zuge dessen vor, der SPD-Fraktion die Vertrauensfrage angedroht zu haben. Die SPD dementierte das, Scholz habe nur gesagt, er würde notfalls „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“, wenn die eigene Mehrheit der Koalition in Gefahr gerät.

Widerstände innerhalb der SPD

Die Interpretation, Scholz habe damit die Vertrauensfrage gemeint, sei „etwas übertrieben“, heißt es laut der Nachrichtenagentur dpa aus dem Umfeld des Kanzlers. Hintergrund sind Widerstände innerhalb der SPD. So gab es am vergangenen Montag einen erneuten offenen Brief von SPD-Mitgliedern, in dem sie die Bundestagsfraktion auffordern, das geplante Sicherheitspaket „in dieser Form“ abzulehnen.

Trotz der Änderungen in der Vorlage bleibe es dabei, dass „rassistische und ausgrenzende Narrative gestärkt“ würden, heißt es in dem Brief. Vor allem die weiterhin vorgesehenen Kürzungen von Sozialleistungen unter dem Existenzminimum für bestimmte Schutzsuchende seien weiterhin abzulehnen.

Die Leistungen für Asyl­be­wer­be­r:in­nen, für die nach dem Dublin-Verfahren ein anderer Staat zuständig ist, sollen laut neuer Vorlage gestrichen werden. Nach Dublin müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie als Erstes ankommen. Leistungen sollen laut Vorlage erst gestrichen werden, wenn Betroffene auch wirklich ausreisen können, wenn also das Ankunftsland die Bereitschaft zur Aufnahme erklärt und ein Abschiebeflug gebucht ist. Wer dennoch nicht ausreist, soll zwei Wochen lang eine Überbrückungsleistung erhalten.

Auch bei den Grünen regt sich Widerstand. Eine Gruppe von Basismitgliedern veröffentlichte am Mittwoch ebenfalls einen offenen Brief, in dem sie ihre Abgeordneten dazu motivieren wollen, gegen das Sicherheitspaket zu stimmen.

„Das Paket enthält Maßnahmen, die Grund- und Menschenrechte verletzen, und birgt die Gefahr, Deutschland in einen Überwachungsstaat zu verwandeln“, heißt es in einer Mitteilung. Unterschrieben haben den Brief unter anderem die designierten Vorsitzendenden der Grünen Jugend und Katrin Schmidberger, nominierte Bundestagsdirektkandidatin für Friedrichshain-Kreuzberg.

Vorgesehen sind mehr Befugnisse für die Polizei sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bei der Gesichtserkennung.

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