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Regierungsbildung in GroßbritannienLabour spielt alle Karten aus

Auch die Rücktrittsofferte von Premierminister Gordon Brown scheint den Weg zu einer Londoner Linkskoalition zwischen Labour und Liberalen nicht freizumachen.

Hier soll bereits ausgezogen werden: Regierungssitz in London. Bild: dpa

In Großbritannien zeichnet sich eine neue Regierung ab. Wie Medien gestern Nachmittag meldeten, sind Versuche der regierenden Labour-Partei, mittels eines Koalitionsangebotes an die Liberaldemokraten an der Macht zu bleiben, gescheitert. Am späten Nachmittag meldete BBC, am Hintereingang des Regierungssitzes in 10 Downing Street werde bereits Gepäck in Regierungsautos geladen.

Noch am Vortag hatte Brown seinen Rücktritt für den Herbst angekündigt und damit seine letzte Karte gespielt in den Bemühungen, Labour an der Macht zu halten. Er werde den Raum für einen neuen Parteichef freimachen, der beim Labour-Parteitag im September gewählt werden solle, und zu dieser Wahl nicht mehr antreten, sagte er am späten Montagnachmittag. Es war ein taktischer Winkelzug, der die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen den oppositionellen Konservativen unter David Cameron und den Liberaldemokraten unter Nick Clegg in eine Krise stürzte. Denn ohne Brown wurde Labour für die Liberaldemokraten plötzlich wieder interessant.

Liberalenführer Nick Clegg hatte vor den Wahlen am 6. Mai erklärt, dass er Brown keinesfalls stützen werde, sollte Labour von den Wählern eine Abfuhr bekommen. Und die bekam sie: Mit 258 Abgeordneten liegt Labour deutlich hinter den Konservativen, die auf 307 Sitze kommen. Da auch das nicht für eine absolute Mehrheit reicht, sind die 57 Liberalen das Zünglein an der Waage. Sie nahmen daraufhin Koalitionsverhandlungen mit den Konservativen auf.

Browns Rückzugsangebot führte gestern Vormittag zu ersten förmlichen Gesprächen zwischen Labour und Liberaldemokraten. Doch Unterhändler berichteten gegenüber Journalisten, Labour habe kein attraktives Angebot gemacht. Darüber hinaus hätte eine Koalition von Labour und Liberaldemokraten gar keine Parlamentsmehrheit und müsste kleinere Parteien ins Boot holen. Die Grüne Caroline Lucas hat jedoch bereits abgewinkt: Sie werde sich nicht binden, sondern bei Unterhaus-Abstimmungen von Fall zu Fall entscheiden. So wäre eine solche Koalition instabil und würde wohl zu baldigen Neuwahlen führen.

Mehrere Labour-Politiker, darunter sogar amtierende Minister, setzen lieber darauf, in die Opposition zu gehen. Eine konservativ-liberale Koalition, so hoffen sie, würde sich rasch unbeliebt machen. Die Neinsager in der Labour-Fraktion trafen sich am Nachmittag separat, während die Liberaldemokraten ihre Gespräche mit den Konservativen wieder aufnahmen und die Labour-Parteispitze zur Krisensitzung zusammenkam.

Schlüssel zum Ausgang der Koalitionsverhandlungen ist die Reform des britischen Wahlsystems, das ausschließlich Wahlkreisabgeordnete ins Parlament schickt und daher kleine Parteien benachteiligt. Die meisten Liberaldemokraten machen ihre Entscheidung, ob sie Labour oder die Konservativen unterstützen wollen, von deren Haltung zur Wahlrechtsreform abhängig. Labour hatte schon vor den Wahlen eine Volksabstimmung über ein neues Wahlsystem angeboten; nach Browns Rücktrittsangebot zogen die Konservativen nach.

Gestern Abend sollte die liberaldemokratische Parteispitze zusammenkommen, um über den Ausgang der Gespräche zu entscheiden. Kommt die nötige Dreiviertelmehrheit in Parteivorstand und Fraktion zur Annahme eines Koalitionsangebotes nicht zustande, wird eine konservative Minderheitsregierung wahrscheinlich.

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