Regierungsbildung in Finnland: „Wahre Finnen“ jetzt am Ruder
Der Rechtspopulist Timo Soini bestimmt die künftige Außen- und Europapolitik. Regierungschef wird der Konservative Juha Sipilä.
Die Rechtspopulisten, die bei der Wahl im April zweitstärkste Kraft geworden waren, hatten sich in den vergangenen zweieinhalb Wochen mit der konservativen Sammlungspartei und dem rechtsliberalen Zentrum – der Wahlsiegerin – auf das Regierungsprogramm und die Zusammensetzung einer Koalition dieser drei Parteien geeinigt. Die Wahl des Zentrumsvorsitzenden Juha Sipilä zum Ministerpräsidenten durch eine Mehrheit des finnischen Parlaments am Donnerstagnachmittag bestätigte diese Regierungskonstellation dann auch formal. Nach Norwegen übernimmt damit jetzt in einem zweiten nordischen Land eine Partei mit offen ausländerfeindlicher Programmatik Regierungsverantwortung.
Von einem „grand slam“ für Soini sprach eine Kommentatorin des finnischen Rundfunks. Denn die „Wahren Finnen“ würden in Zukunft für zentrale Bereiche der finnischen Politik Verantwortung tragen. Der EU-Kritiker Soini könne als Außen- und Europaminister nicht nur großen Einfluss auf die finnische Europapolitik nehmen, sondern auch Teile der EU-Agenda mitbestimmen. Dass er für Griechenland den „Grexit“ für die „sauberste Lösung“ hält, hat er erst kürzlich wiederholt. Ein weiterer Vorteil seiner Ministerwahl: Er muss nun nicht als Finanzminister ein unpopuläres Sparprogramm umsetzen, bei dem 10 Milliarden Euro vor allem im Sozialsektor eingespart werden sollen, um den Staatshaushalt zu sanieren.
Neben dem Verteidigungsminister und der Sozial- und Gesundheitsministerin stellen die „Wahren Finnen“ mit Jari Lindström auch den Justiz- und Arbeitsminister. Der darf die angekündigte Ausländerrechtsverschärfungen in Gesetzesform gießen und erregte gleich Aufsehen mit der Bemerkung, er könne sich „unter bestimmten Umständen“ die Wiedereinführung der Todesstrafe vorstellen. Welchen Einfluss werden solche Stellungnahmen, immer wiederkehrende rassistische Ausfälle und überhaupt die Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten auf das weltweite Image Finnlands haben?
Die Staatswissenschaftlerin und Expertin für rechtsradikale Parteien, Ann-Cathrine Jungar, verweist auf ein Beispiel, wonach ein Stadtrat der „Wahren Finnen“ in der Hauptstadt Helsinki fordert, man solle in Finnland lebende afrikanische Flüchtlinge zwangssterilisieren, weil sie sich sonst zu sehr vermehrten. „Im internationalen Vergleich ist die Toleranz für fremdenfeindliche Aussagen in Finnland ausgesprochen hoch“, meint Jungar. „Es kennzeichnet die ‚Wahren Finnen‘, dass sie gegenüber solchen Bemerkungen nie wirklich auf Distanz gehen. Von einer Regierungspartei würde man sich das aber schon wünschen.“
Nicht nur um das Image Finnlands macht sich der Politologe Göran Djupsund Sorgen. Die neue Regierung spare da, wo man es nicht solle, nämlich im Bildungswesen. Sie lege vor allem den Schwachen die Lasten auf: „Es sieht finster aus“, resümiert Djupsund.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“