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Regierungsbildung in BrandenburgBSW erstmals an der Macht

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke ist wiedergewählt, wenn auch erst im zweiten Anlauf. Erstmals ist das BSW Teil einer Landesregierung.

Keine Liebes­hochzeit: Dietmar Woidke (SPD, l.), Minister­präsident von Brandenburg, und Robert Crumbach (BSW), bei dessen Ernennung zum Finanz­minister Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Potsdam taz | Sie müssen etwas länger warten, jene Blumen, die seit dem frühen Morgen im weiß-roten Plenarsaal des Brandenburger Landtags neben mehreren Tischen und Bänken stehen. Erst im zweiten Wahlgang und gut eine Stunde später als geplant ist Ministerpräsident Dietmar Woid­ke, 63, (SPD) wiedergewählt. Im ersten Anlauf bekommt er im 88 Sitze großen Landtag in Potsdam nur 43 Stimmen – 2 zu wenig. Erst im zweiten werden daraus 50. Dabei hat Woidkes SPD mit ihrem neuen Bündnispartner BSW 46 Mandate. Tags zuvor hatten die beiden Parteien ihren Koalitionsvertrag unterschrieben. In den vergangenen fünf Jahren hatte die SPD mit CDU und Grünen in einer Kenia-Koalition regiert.

Woidkes Partei war aus der Landtagswahl am 22. September als stärkste Kraft vor der AfD hervorgegangen. Doch gleichzeitig verlor die CDU so klar, dass beide im neuen Landtag zusammen nur 44 Stimmen hätten, eine weniger als notwendig für eine Mehrheit. Grüne und Linkspartei wiederum schafften den Wiedereinzug nicht. Jenseits von ausgeschlossenen Bündnissen mit der AfD blieb so als einzige Möglichkeit eine SPD-BSW-Koalition.

Die Blumen – mal gelb-orange, mal dunkelrot – sind durchaus noch frisch, als Woid­ke und wenig später auch das von ihm ernannte Kabinett sie in den Händen halten. 50 Abgeordnete haben im zweiten Wahlgang in geheimer Wahl für den SPD-Mann gestimmt. Nun ist die Frage nicht, wer sich ­anfangs verweigerte, sondern woher die Stimmen stammen, die Woidke über jene 46 seiner eige­nen Koalition hinaus bekommen hat.

Die CDU wolle sichergehen und mit einigen Stimmen Woid­ke unterstützen, war schon vor Sitzungsbeginn auf der Pressetribüne zu hören. Aber würde das so sein? Immerhin bewahrheiteten sich auch Mutmaßungen nicht, die AfD könnte einen Kandidaten aufstellen. Tatsächlich gibt es im Politikbetrieb des 2,6-Millionen-Landes zwischen SPD und CDU auch persönliche Sympathien. Woidke selbst, seit 2013 im Amt, sieht in seinem Wahlergebnis einen „Vertrauensvorschuss“ von der oppositionellen CDU.

Doch CDU-Fraktionschef Jan Redmann dementiert per Pressemitteilung: Es habe keine Zustimmung aus der CDU gegeben, heißt es von ihm – „Dietmar Woidke ist nach Thomas Kemmerich der zweite Ministerpräsident, der mit den Stimmen der AfD ins Amt kommt.“ Die AfD wiederum nennt die CDU „Königsmacher“.

In der SPD hatte man sich auch nach dem gescheiterten ersten Wahlgang gelassen gegeben, Abgeordnete standen plaudernd zusammen. Dabei galt das Ergebnis als Überraschung. Denn dass eine Stimme fehlen würde, war erwartbar, nicht aber mehrere: Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf hatte angekündigt, aus Widerstand gegen ein Raketenabwehrsystem nicht für Woidke zu stimmen. „Wer die Aufstellung der Arrow 3 in Brandenburg unterstützt, kriegt meine Stimme nicht“, sagte Hornauf schon Ende November. Er deutete dabei an, andere dächten wie er. Tatsächlich fehlten Woidke eingangs mindestens 3 von 46 Stimmen.

BSW stellt erstmals Minister

Mit der klaren Mehrheit im zweiten Wahlgang erwischt Woid­ke nun immerhin einen noch besseren Start als sein Ministerpräsidentenkollege im benachbarten Berlin, dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU): Dem fehlte im April 2023 gleich in zwei Wahlgängen in seiner ebenfalls neuen schwarz-roten Koalition die notwendige Mehrheit. Zudem behaupteten AfD-Abgeordnete, im dritten Wahlgang für ihn gestimmt zu haben. Seither allerdings arbeitet die Berliner CDU-SPD-Koalition ohne öffentlich ausgetragenen Streit zusammen.

Im neuen brandenburger Kabinett führt das erst im Januar als Partei gegründete BSW drei von neun Ministerien und stellt damals erstmals in Deutschland Landesminister. BSW-Landeschef Robert Crumbach, ein vormaliger Arbeitsrichter, der über 40 Jahre SPD-Mitglied war, übernimmt das Finanzministerium und ist nun Vize-Ministerpräsident.

Am Nachmittag, als nach einer Pause das neue Kabinett erstmals vor den Abgeordneten sitzt, steht die Mehrheit der Koalition schon auf Anhieb: Bei der Abstimmung zum „Siebten Gesetz zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes“ gehen bei SPD und BSW alle Hände hoch.

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3 Kommentare

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  • War es das, was sich die Woidke Wähler gewünscht haben?



    Eine Russlandtreue-Kaderpartei in der Landesregierung.

    Quo vadis SPD?

  • Parteiwechsel à la Crumbach, Wagenknecht ...sind unerfreulich. Sie diskreditieren das passive Wahlrecht.

  • Na wunderbar.

    Das BSW macht Brandenburg zur atomwaffenfreien, antiamerikanischen, antiwestlichen, Putin-freundlichen Zone.

    Oder auch nicht.

    Es ist zwar nicht schön, aber ganz so viel können sie auch wieder nicht anrichten.

    Vielleicht wird es auch nur eine Menge Bla-Bla und nicht viel substantielles.