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Regierung in TschechienKorrupte Antikorruptionspartei

Im Skandal um Prags Verkehrsbetriebe wurden mehrere Mitglieder der Stan-Partei verhaftet. Ihnen wird organisiertes Verbrechen vorgeworfen.

Im Zentrum des Korruptionsskandals: Stan-Vorsitzender Vít Rakušan Foto: Ondrej Deml/CTK Photo/imago

Prag taz | Die tschechische Bürgermeisterpartei Stan galt bis Ende vergangener Woche als parteipolitische Manifestation der Zivilgesellschaft, die sich zum Ziel gesetzt hatte, das Erbe Václav Havels in der hohen Politik zu wahren: die Guten, die sich gegen das Böse wehrten, das in der Person des Oligarchen Andrej Ba­biš die tschechische Politik heimgesucht hatte. So schaffte es die Stan auf die Regierungsbänke, zuerst in Prag und danach in der gesamten Republik.

Er fühle die Verantwortung in sich, die Tschechische Republik von Korruption und Klüngel zu befreien, wiederholte der Stan-Vorsitzende Vít Rakušan wie ein Mantra, nachdem er es vom Bürgermeister des mittelböhmischen Provinzkaffs Kolin dank des Wahlerfolgs seiner Partei zum Innenminister der Republik in Prag geschafft hatte.

Mit seinem staatstragendem Blick und dem Image des anständigen Jungen von nebenan erreichte Rakušan, dass rund ein Fünftel der tschechischen Wähler ihr Kreuzchen bei seiner Partei machten. Ab und zu verriet er dabei, dass er in seiner Rolle als Havel 2.0 eigentlich auch dazu prädestiniert sei, irgendwann mal Präsident des Landes zu werden.

Doch offensichtlich hat er das Kleingedruckte übersehen. Sie werden mich eines Tages instrumentalisieren, hatte Havel in der hervorragenden Dokumentation „Bürger Havel“ gesagt, die den „Dichterpräsidenten“ Anfang der nuller Jahre beeindruckend offen porträtierte: Am letzten Freitag wurden hochrangige Politiker der Stan, allen voran Prags stellvertretender Oberbürgermeister Petr Hlu­bu­ček, von einer Eliteeinheit der Antikorruptionspolizei verhaftet.

Am Sonntag erklärte der Schul- und Jugendminister Petr Gazdik seinen Rücktritt zum 30. Juni an. Er fühle sich nicht schuldig, wolle aber Schaden von seiner Stan-Partei und der Koalition abwenden. In Bedrängnis war er wegen Beziehungen zu einem Unternehmer geraten, der zu den Beschuldigten in einer Affäre um verdächtige Aufträge der Prager Verkehrsbetriebe zählt. Er zählt dabei selbst nicht zu den Verdächtigen.

Schmiergelder und Postengeschacher

Kurz zuvor hatten Hlubuček und Partechef Rakušan gefeiert, dass Ex-Ministerpräsident An­drej Babiš wegen Subven­tions­betrug definitiv vor Gericht kommt. Doch die Summen, die Hlu­bu­ček und weitere zehn Personen mit Verbindungen über die Stan-Partei illegal gerafft haben, lassen Babiš jetzt wie einen Konfirmanden aussehen. Die Polizei beschuldigt Hlu­bu­ček zusammen mit den Unternehmern Zakariu Nemraha und Michal Redl des organisierten Verbrechens.

Gemeinsam sollen sie Schlüsselpositionen in kommunalen und möglicherweise staatlichen Unternehmen mit ihren Freunden besetzt haben, mit dem Ziel öffentliche Aufträge gegen Schmiergeld zu vergeben. Das ist nichts Neues in der tschechischen Politik. Doch dass der Kampf gegen Korruption und für die Werte Havels und der Samtenen Revolution zum Zweck politischer Macht so eklatant für die persönlichen Bereicherung missbraucht werden, ist selbst für Tschechien unglaublich.

Seitdem sie 2017 als Wahrer der Demokratie aus den Dörfern und Gemeinden in die landesweite Politik kam, ist die Stan-Partei in korrupte Verstrickungen involviert. Mutmaßliche Hauptperson ist der Unternehmer Michal Redl aus dem mährischen Zlín, einer Industriestadt nahe der slowakischen Grenze.

Hoffnungsträger nur eine Illusion

Obwohl Redl schon in Zusammenhang mit einem der bislang berüchtigten tschechischen Mafioso, Radovan Krejčíř, als Betrüger verurteilt wurde – er entging einer Gefängnisstrafe nur, weil er sich als unmündig erklären ließ –, wurde er zur grauen Eminenz der Stan und quasi zu ihrem Paten.

Nach derzeitigen Erkenntnissen drehte sich der Betrug vor allem um die Prager Verkehrsbetriebe. Dort wurden mutmaßlich Hunderte Millionen Kronen auf die Seite geschafft.

Was hier aufgedeckt wird, ist eine neue Amigo-Gesellschaft, die sich als Kämpfer gegen Korruption präsentiert, um sich selbst korrumpieren zu lassen. Nachdem dies nun aufgeflogen ist, hat sich der Hoffnungsträger einer ganzen Generation als Illusion erwiesen. Andrej Babiš mag es freuen, hat er doch die Hoffnung noch nicht aufgegeben, doch noch Staatspräsident zu werden. Einen besseren Wahlhelfer als die Stan hätte er sich dabei nicht wünschen können.

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