Regierung in Italien: Parlament steht vor der Auflösung
Ministerpräsident Gentiloni gab am Donnerstag bekannt, dass sein Kabinett die Arbeit als beendet betrachtet. Eine Neuwahl im März steht an.
Das Neue
Italiens Parlament steht vor der Auflösung. Damit geht das Land Neuwahlen im März entgegen. Ministerpräsident Paolo Gentiloni aus den Reihen der gemäßigt linken Partito Democratico (PD) nutzte seine Jahresend-Pressekonferenz am Donnerstag, um die Entscheidung bekanntzugeben, dass sein Kabinett – eigentlich hätte es noch knapp zwei Monate im Amt bleiben können – seine Arbeit als beendet betrachtet. Gentiloni begab sich unmittelbar nach der Pressekonferenz zum Staatspräsidenten Sergio Mattarella, um ihn um die Parlamentsauflösung zu bitten. Allerdings wird seine Regierung nicht zurücktreten und behält damit bis zum Zusammentreten des neuen Parlaments ihre Vollmachten.
Der Kontext
Italien hat 2017 endlich den Abschied von seiner fast zehnjährigen Wirtschaftskrise geschafft. Mit einem BIP-Wachstum von 1,5 Prozent wurden die Vorhersagen deutlich übertroffen. Doch in der Stimmung der Bevölkerung bildet sich diese Wende bisher noch nicht ab. Zwar wurde der seit einem guten Jahr amtierende Regierungschef Gentiloni vor allem dank seines geräuschlosen Stils – der ihn radikal von seinem Vorgänger und PD-Parteichef Matteo Renzi unterscheidet – zum populärsten Politiker Italiens. Doch die PD profitiert nicht davon. Sie verschlechterte sich in allen Meinungsumfragen von 27 bis 28 Prozent vor der Sommerpause auf gegenwärtig nur noch 23 Prozent. Beste Chancen, zur stärksten Partei aufzusteigen, hat Beppe Grillos Protestbewegung, das Movimento5Stelle, das sich der 30-Prozent-Marke nähert. Und auch die Berlusconi-Rechte profitiert von der Unzufriedenheit. Sie liegt nunmehr bei knapp 40 Prozent.
Die Reaktionen
Harsche Reaktionen gab es vor allem von der Bewegung „G2“, die die Jugendlichen der „zweiten Generation“ vertritt, in Italien aufgewachsene Migrantenkinder. Bis zuletzt hatte die Bewegung auf die Verabschiedung des neuen Staatsbürgerrechts gehofft. Doch das Gesetz wurde nicht mehr verabschiedet, und Staatspräsident Mattarella zeigte sich auch nicht bereit, die Parlamentsauflösung bis in den Januar zu verzögern. Unter den politischen Lagern dagegen war die Parlamentsauflösung kurz vor dem Jahreswechsel unkontrovers. So jubelte Matteo Salvini, Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, schon vor zwei Tagen auf Twitter: „Ich kann es nicht abwarten, Renzi und die Linke nach Hause zu schicken!“
Die Konsequenz
Italien geht unsicheren Zeiten entgegen. Das Wahlrecht sieht die Vergabe von zwei Dritteln der Sitze über Listenproporz von einem Drittel über Direktmandate in Wahlkreisen vor. Höchstens Berlusconis Rechte hat Chancen, eine eigene Mehrheit zu erobern, wenn sie mehr als 40 Prozent gewinnt. Kaum Chancen auf eine Rückkehr ins Amt des Ministerpräsidenten hat dagegen Matteo Renzi. Sollte dagegen eine Koalition aus Renzis PD und Berlusconis Forza Italia möglich sein, könnte der scheidende Ministerpräsident auch der neue sein: Paolo Gentiloni.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation