Regen zerstört Flüchtlingsunterkünfte: Und nun auch noch das Wetter
Zunehmend leiden Flüchtlinge unter dem Dauerregen: Zeltlager verwandeln sich in Schlammflächen, erste Unterkünfte wurden schon evakuiert.
Der schnodderige Spruch fiel ihr postwendend auf die Füße: „Sechs Wochen Zelten im Sommer halte ich für unproblematisch“, mit diesen Worten äußerte sich Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) im Frühsommer zur Not-Unterbringung von Flüchtlingen in großen Zeltlagern. Spätestens aber seit jüngst ein großflächiges Regenband die Sonne aus dem deutschen Norden vertrieben hat, verbietet sich wohl derartige Flapsigkeit: In vielen Flüchtlingslagern im Norden heißt es derzeit Land unter. Und manche Behelfsunterkunft konnte wegen schwammiger Bodenverhältnisse gar nicht erst errichtet werden.
Tiefe Furchen, in denen das Wasser steht
Durchweichte Pappen und Europaletten befestigen etwa in der Erstaufnahme in Hamburg-Jenfeld die Wege, damit die 700 Flüchtlinge, die hier in Zelten untergebracht sind, nicht im Matsch versinken. Schon jetzt macht das Jenfelder Moor seinem Namen alle Ehre: Autos haben tiefe Furchen in den Schlamm gegraben, in denen das Wasser steht. Über einem Zaun hängt nasse Kleidung im Nieselregen – noch nasser kann die Wäsche nicht mehr werden, und trocknen wird sie in absehbarer Zeit auch nicht.
Und die Menschen in den Zelten? „Es geht noch“, sagt eine Mitarbeiterin des städtischen Betreibers „fördern und wohnen“, bevor sie den Zaun schließt – auch gegen neugierige Journalistenblicke. Im Gegensatz zu den Bewohnern hausen die Mitarbeiter immerhin im trockenen Container. Außerdem haben sie feste Schuhe an den Füßen, nicht Turnschuhe oder Sandalen, wie sie die meisten Geflüchteten hier tragen.
Überall in Hamburg, wo derzeit mehr als 7.200 Flüchtlinge öffentlich untergebracht sind – und das nicht selten in Zelten –, macht der Dauerregen der vergangenen Tage ihnen schwer zu schaffen. „Das aktuelle Wetter ist eine große Belastung für die Menschen“, räumt die „fördern und wohnen“-Sprecherin Susanne Schwendtke ein. Zwar stünden bestehende Zeltlager in der Schnackenburgsallee, der Dratelnstraße im Stadtteil Wilhelmsburg oder eben dem Park im Jenfelder Moor noch stabil. Kleidung und Bettwäsche aber würden unter solchen Bedingungen einfach nicht mehr trocken. Dem aufgeweichten, unbefestigten Boden rücke man mit Tonnen von Rindenmulch und Kies zu Leibe.
Die anhaltenden Niederschläge über weiten Teilen Norddeutschlands haben dafür gesorgt, da erste der provisorischen Zeltstädte bereits evakuiert werden mussten. Andernorts kam derweil der vorgesehene Aufbau ins Stocken: Extremer Starkregen sorgte etwa in der Nacht zu Montag dafür, dass 200 dort untergebrachte Menschen eine Turnhalle im niedersächsischen Groß Schneen (Landkreis Göttingen) verlassen mussten – sie landeten in einer nahe gelegenen Schule. Wasser und reichlich Schlamm waren von einem benachbarten Hang in den Dorf geflossen und schließlich in den Bau eingedrungen. Auch in der Erstaufnahmeeinrichtung im nahen Friedland mussten zwei Zelte „aufgegeben“ werden: Sie hatten dem Unwetter schlicht nicht standgehalten.
Sogar die Bundeswehr gibt vorerst auf
In Hamburg-Marienthal sorgte die anhaltende Nässe dafür, dass 21 eigentlich Mitte der Woche aufzustellende Flüchtlingszelte erst später stehen werden: Nicht mal die Bundeswehr sah sich dazu in der Lage angesichts des durchweichten Untergrunds.
Eine Notunterkunft im Büropark Bremen-Oberneuland konnte ebenfalls noch nicht wie geplant Flüchtlinge aufnehmen: Auch dort stand das Wasser vor, aber mehr noch in den Zelten.
Um Decken, Gummistiefel und Regenkleidung wurde die Erstversorgung vieler Flüchtlinge inzwischen fast überall in Norddeutschland erweitert; Sachspenden, die gegen die durchdringender Nässe helfen, sind überall willkommen. Ansonsten hilft den Betroffenen wohl nur eins: darauf hoffen, dass das für den heutigen Donnerstag angekündigte Hochdruckgebiet viel Sonne und Wärme bringt. Der nächste Regen – er kommt bestimmt.
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