Regelungen im Datenschutz: Keine Abfrage ins Blaue
Das Bundesverfassungsgericht fordert Nachbesserungen am Gesetz zur Bestandsdatenauskunft. Kleinere Vergehen sind kein Anlass dafür.
Die Klage betraf die sogenannten Bestandsdaten der Internet- und Telefonkunden. Gemeint sind insbesondere Name und Anschrift, mit denen die Kunden identifiziert werden. Oft hat die Polizei nur die Telefonnummer, die E-Mail-Adresse oder die IP-Adresse eines Verdächtigen und will wissen, welche reale Person dahinter steckt. Dann macht sie eine Bestandsdaten-Abfrage.
Die Bestandsdaten der Telefonkunden werden jährlich millionenfach im automatisierten Verfahren bei der Bundesnetzagentur abgefragt. Beim Bundesverfassungsgericht ging es aber um die so genannte manuelle Abfrage. Hier fragen die Sicherheitsbehörden direkt die Internet- und Telefonprovider nach Informationen, die der Netzagentur nicht vorliegen. So können nur die Internetprovider mitteilen, wem sie zu einem bestimmten Zeitpunkt eine IP-Adresse für Aktivitäten im Internet zugewiesen haben. Es geht hier um einige zehntausend Abfragen im Jahr, insbesondere im Bereich Kinderpornografie.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regeln zur Bestandsdatenauskunft bereits 2012 beanstandet. Auch damals war Patrick Breyer der Kläger. In diesem Beschluss erfanden die Richter das Doppeltür-Prinzip. Für eine Abfrage seien jeweils zwei gesetzliche Regelungen erforderlich. Die erste Regelung betrifft die Übermittlung der Daten durch den Provider (Tür 1), die zweite Regelung den Abruf der Daten durch die Sicherheitsbehörden (Tür 2).
Beschwerde schon 2013
Der Gesetzgeber versuchte, das neue Konzept 2013 im Gesetz zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft umzusetzen. Auch gegen dieses erhob Patrick Breyer, der inzwischen Europaabgeordneter der Piraten ist, Verfassungsbeschwerde. Mitklägerin ist Katharina Nocun, damals Bundesgeschäftsführerin der Piraten, heute Buchautorin („Fake Facts“). Unterstützt wurde ihre Sammelklage von 5.827 BürgerInnen. Die Klage hatte Erfolg.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass der Bundestag die Vorgaben von 2012 nicht korrekt umgesetzt hat. Sowohl die Übermittlungsvorschrift im Telekommunikationsgesetz (Tür 1) als auch die Abrufvorschriften in den Gesetzen der Sicherheitsbehörden (Tür 2) seien unverhältnismäßige Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Betroffen sind die Gesetze für sechs Sicherheitsbehörden, unter anderem Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Bundesamt für Verfassungsschutz.
„Eingriffsschwellen“ gefordert
In den Gesetzen fehlten vor allem spezifische „Eingriffsschwellen“, so die Richter in Karlsruhe. Eine Abfrage „ins Blaue hinein“ dürfe nicht zulässig sein. So müsse bei der Abfrage von Passwörtern belegt werden, dass eine Berechtigung zur Nutzung der Daten (etwa eines E-Mail-Postfachs) besteht. Bei der Zuordnung von IP-Adressen müsse ein „hervorgehobenes Rechtsgut“ geschützt werden. Nicht jede kleine Ordnungswidrigkeit könne eine Abfrage rechtfertigen.
Der Bundestag muss die Vorschriften bis zum Jahresende 2021 nachbessern. Patrick Breyer war nur mäßig zufrieden. Er hatte auf einen generellen Richtervorbehalt gehofft und auf eine Beschränkung des Abrufs auf schwere Straftaten und Gefahren. (Az.: 1 BvR 1873/13).
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