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Reform von Hartz IVVerfassung wird Jobcentern angepasst

Die geplante Zerschlagung der Jobcenter ist abgewendet. Praktisch ändert das für die Langzeitarbeitslosen wenig.

In den Jobcentern werden die Grundsicherungsempfänger auch weiterhin zusammen von der Bundesagentur und der jeweiligen Kommune betreut. Bild: dpa

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) stand die Zufriedenheit ins Gesicht geschrieben, als sie gestern Abend in Berlin mit Vertretern aus den Ländern und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier vor die Presse trat. Das jahrelange Tauziehen in Sachen Jobcenter ist vorbei - und eine der größten Altlasten der neuen Ministerin beseitigt.

"Dies ist ein wichtiger Tag für die Arbeitslosen, denn sie wissen, auch in Zukunft gibt es die Hilfe aus einer Hand", verkündete von der Leyen stolz. Kurz zuvor hatten sich Spitzenpolitiker aus Union, FDP und SPD auf eine Grundgesetzänderung verständigt. Damit steht fest: In den Jobcentern oder Arbeitsgemeinschaften (Argen) werden die rund 6,7 Millionen Grundsicherungsempfänger ("Hartz IV") auch weiterhin zusammen von der Bundesagentur für Arbeit (BA) und der jeweiligen Kommune betreut.

Anfang des Jahres hatte von der Leyen noch ganz andere Pläne. Sie wollte die Jobcenter aufspalten und so eine Grundgesetzänderung vermeiden. 2009 war zu Zeiten der großen Koalition eine Grundgesetzänderung am Widerstand aus der Unionsfraktion gescheitert.

Eine Neuorganisation der Jobcenter bis Ende 2010 war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die "Mischverwaltung" zwischen Bund und Kommune als grundgesetzwidrig eingestuft hatte. Wieder gab es Widerstand aus der Union: Der hessische Ministerpräsident Roland Koch kündigte an, von der Leyens Plan zur Aufspaltung der Jobcenter im Bundesrat nicht mitzutragen. Und wusste damit die SPD und mehrere unionsgeführte Länder auf seiner Seite.

Seit 2005 werden Hartz-IV-Empfänger in einem der 352 Jobcenter oder einer von 69 sogenannten Optionskommunen (siehe Kasten und Interview) betreut. In den Jobcentern gewähren Bund und Kommune "Hilfe aus einer Hand": Der Bund leistet über die Bundesagentur für Arbeit (BA) die Arbeitsvermittlung und ist für die Regelleistung zuständig. Die Kommune trägt die Kosten für Unterkunft und Heizung und kümmert sich um Sucht- und Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung oder Kitaplätze. In Optionskommunen sind dagegen die Kommunen für die gesamte Betreuungsaufgabe zuständig.

Die gemeinsame Betreuung à la Jobcenter soll nun per Grundgesetzänderung zum Regelfall werden. Bereits nächste Woche will das Kabinett seine Zustimmung erteilen. Bis zum Sommer könnte dann im Grundgesetz ein Satz stehen, der die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden auf dem Gebiet der Grundsicherung erlaubt.

Weil zur Grundgesetzänderung eine Zweidrittelmehrheit nötig ist, mussten auch die Sozialdemokraten ihre Zustimmung geben. Sie geben sie gerne, schließlich wollen sie traditionell eine starke Bundesagentur und eine zentral gesteuerte Arbeitsmarktpolitik erhalten, ganz im Gegensatz zur FDP. Und so gab sich Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier - nach einem großen Lob der Arbeitsministerin für die außergewöhnlich gute Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg - ganz als verantwortungsbewusster Staatsmann: "Es geht um das Schicksal von Arbeitslosen und Arbeitssuchenden. In einer solchen Situation haben oberflächliche, parteitaktische Erwägungen zurückzustehen", sagte Steinmeier. Dann beeilte er sich, weitere Ergebnisse wie die Entsperrung von 900 Millionen Euro Arbeitsmarktmitteln im Haushalt der BA, die Entfristung von 3.200 BA-Stellen und einen verbindlich festgelegten besseren Betreuungsschlüssel für Arbeitslose als Verhandlungserfolg zu verbuchen. "Insgesamt ein Ergebnis, mit dem ich zufrieden bin, das auch unsere Handschrift zeigt", resümierte Steinmeier.

Doch die Sozialdemokraten mussten ein Zugeständnis machen. Künftig darf es statt 69 bis zu 110 Optionskommunen geben. Sie würden knapp 25 Prozent aller Grundsicherungsstellen ausmachen. Allerdings sollen sie künftig strenger gesteuert und kontrolliert werden.

Das hatte im Dezember 2009 auch Dieter Engels, Präsident des Bundesrechnungshofs, gefordert. Der Bund besitze, obwohl er den weit überwiegenden Teil der Finanzierungslast der Grundsicherung trage - derzeit rund 38 Milliarden von 50 Milliarden Euro -, im Falle der Optionskommunen "keine Aufsichtsbefugnisse und Steuerungsmöglichkeiten", so Engels. Er warnte vor den "erheblichen Risiken einer kommunalen Lösung".

Fakt ist, die deutsche Arbeitsmarktpolitik wird eine weitere Kommunalisierung erfahren - vor der die Linke und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gestern warnten. "Ein einheitlicher Arbeitsmarkt droht mehr und mehr aus dem Blick zu geraten. Es wird nicht sichergestellt, dass Menschen in gleicher Lage gleiche Chancen auf Förderung erhalten", kommentierte Wilhelm Adamy, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt beim DGB, die Einigung.

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11 Kommentare

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  • C
    claudia

    >>"Dies ist ein wichtiger Tag für die Arbeitslosen,..."

  • T
    TOM

    An Dirk: Übernimmst du die Umzugskosten von Schulz? Wirst du der Arbeitgeber sein der auf Ihn 6 Monate wartet bis er alle Formalitäten beim Amt geklärt hat? Wirst du der Arbeitgeber sein der ca. 30 Seiten für Ihn ausfüllt damit seine Anträge erst einmal verschwinden um Sie dann noch einmal auszufüllen? Bist du der Arbeitgeber der Ihm dann eine Chance gibt und nicht doch lieber jemand "einfacheren" einstellt? Wirst du dich irgendwann mit der Praxis der Realität informieren?

  • DR
    Dr. rer. Nat. Harald Wenk

    Wenn das Ganze auf der obersten Ebene der Grundgesetzänderung spielt, die aus weit weit wichtigeren Anlässen nie Realisierungschancen hatte,

    bringt eine Größernordnungsabschätzung die Bedeutung der Sache hervor.

    Das "soziale Dispositiv", die vielen Sozialberufe und Institutionen sind auch sehr differenziert und werden zum großen Teil "ungefragt", per Ordre des zuständigen "Mufti", auf das reine Objekt Bevölkerung losgelassen. Diese Verschiebung in die Verrechtlichung undemokratischer sozialer Mikromachtbeziehungen geht natürlich im erbitterten Rechnen um Heller und Pfennig, dem einzigen wirkliche Argumentenfeld des öffentlichen Diskurses, unter.

  • M
    mindzombie

    Voller erfolg für die Arbeitslosen????????

    Ihr habt sie doch nicht mehr alle! Dann bleibt ja alles wie gehabt oder verstehe ich das falsch??

    Und wo bleibt der jetzt der Widerstand, es wird ZEIT!

  • N
    Nordwind

    Tja, so is dat mit dem Leistungsprinzip unserer Qualitätspolitiker.

     

    Wer zu dusselig ist verfassungskonforme Gesetze zu erlassen muss halt die Verfassung dusseligen Gesetzen anpassen.

  • D
    Dirk

    Sorry, Schulz. Warum sollen alle deine Sozialhilfe blechen, nur damit du in Berlin bleiben kannst? Noch ganz dicht im Oberstübchen? Zieh dahin, wo du einen Job bekommst oder sei so konsequent und melde dich von der Sozialhilfe ab, wenn dir dein Berliner Dasein so verdammt wichtig ist. Was? Nicht so konsequent? Eieiei.

  • M
    Ámos

    Hilfe aus einer Hand? Die Kommune ist um ihre Kassenlage besorgt. Die Jobcenter bleiben damit die Knechte der Kommune. Dafür bekommen auch die wenigsten

    Antragsteller das Geld,was ihnen laut Gesetz zusteht. Das weiß die Politik und daher modifiziert sie einfach das Grundgesetz. Tun aber so, als würden sie an die Betroffenen denken. Man hat den Eindruck, dass die Verfassung bald nur noch eine "Schönwetter-Verfassung" ist. In schlechten Zeiten bricht man sie einfach.

  • M
    Mesumersiggi

    Viel Rauch um nichts, gibt es durch eine Grundgesetzänderung auch nur einen Neuen Arbeitsplatz

    bei den Hartz IV Langzeitarbeitslosen ich glaube nicht, aber da kann man mal wieder sehen wenn den Regierenden das Grundgesetz nicht passt, wir es passent gemacht.

  • D
    Dübel

    der deutsche ist zu nichts zu gebrauche. weder ist er in der lage seine freiheit zu verteidigen, noch ist er für den widerstand zu gebrauchen.

    hauptsache er kann arbeiten...

  • O
    Oli

    Praktisch ändert das für die Langzeitarbeitslosen wenig.

     

    Und das halten viele Parteien und Politiker für einen Erfolg. In Wirklichkeit ist es ein Skandal, dass eine gescheiterte Reform auf diese Art und Weise erst an die Verfassung angepasst wird. Ich hoffe, dass die Menschen bald begreifen, was da alles schief läuft.

  • S
    Schulz

    Mir ist im Grunde egal, wer mich abrechnet,

    ob zentral oder in Einzelbereichen zergliedert.

     

    Ich suche immer noch Arbeit (es gibt 2.500 Euro

    Vermittlungsgutschein, Beihilfen fuer Arbeitgeber

    und Weiterbildungsmassnahmen praxisbegleitend)

    ((aber nicht mehr von mir privat... als Firmenkapital zur Aufweichung der Schuldenfalle des Unternehmens))

    ((auch nicht mehr von mir privat als Beweis meiner Sozialvertraeglichkeit))

     

    Ich suche immer noch Arbeit in Berlin.

    Wohnung wird sich finden.

     

    Bisher war Berlin in den letzten 5 Jahren die praegendste Stadt meines Lebens.

    Vielleicht wird es ja auch fuer Enkel oder Urenkel

    so werden.