Reform der Rettungsmedizin: Dringender Behandlungsbedarf
Eine Regierungskommission hat Reformvorschläge für die Rettungsmedizin vorgelegt. Das Schulfach Erste Hilfe ist auch vorgesehen.
Wer in Deutschland die 112 anruft, hofft auf schnelle und kompetente Hilfe. Und bekommt sie meistens auch. Doch das Versprechen der Rettungsmedizin bröckelt wie das gesamte Gesundheitssystem: Immer mehr Patient*innen, überlastetes Personal, ein uneinheitliches System mit falschen Finanzierungsanreizen. Am Donnerstag stellten die vom Bundesgesundheitsministerium beauftragte Regierungskommission und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Empfehlungen für eine Reform der Rettungsmedizin vor.
Nach einem leichten Rückgang in den Pandemiejahren 2020 und 2021 meldeten viele Regionen eine Rekordzahl an Rettungseinsätzen im Jahr 2022. Insgesamt steigt die Zahl seit Jahrzehnten kontinuierlich an.
Dass viele der Einsätze keine echten Notfälle sind und aufgrund finanzieller Fehlanreize trotzdem in den überlasteten und personell ausgelaugten Krankenhäusern landen, ist ein Kern des Problems – Ende 2022 warnte das von Akteur*innen der Notfallmedizin gegründete Bündnis Pro-Rettungsdienst vor einem Zusammenbrechen des Systems der Notfallrettung. Im Herbst und Winter 2022 berichteten Ärzt*innen von kaum zu ertragenden Zuständen in der Kindernotfallversorgung – und warnen jetzt vor ähnlichen Szenarien in der bevorstehenden Krankheitssaison.
„Das System leidet vor allem an den zersplitterten Zuständigkeiten und den Partikularinteressen der beteiligten Akteure“, heißt es in einer Studie zur Situation zur deutschen Notfallversorgung, die ebenfalls Ende 2022 erschien – in Auftrag gegeben von der Bertelsmann-Stiftung und durchgeführt von Gesundheitswissenschaftler*innen der Universität Maastricht. Über 200 Rettungsleitstellen gibt es in Deutschland und rund 300 Träger der Rettungsdienste. Einheitliche Standards gibt es nicht, sondern große regionale Unterschiede.
Vor allem einheitliche Vorgaben im Blick
In einer Stellungsnahme im Februar 2023 hatte die Regierungskommission bereits den Aufbau integrierter Notfallzentren an den Kliniken und ein neues telefonisches Leitsystem empfohlen. Damit sollen Patient*innen stärker als bisher nach Dringlichkeit und Art der notwendigen Behandlung sortiert werden – und damit weniger Patient*innen in den Notaufnahmen landen.
Der aktuelle Reformvorschlag nimmt nun vor allem einheitliche Vorgaben für den Rettungsdienst in den Blick: So sollen die Leistungserbringung künftig in einer eigenständigen Norm im Sozialgesetzbuch geregelt und einheitliche, länderübergreifende Qualitätsstandards festgelegt werden.
Die Zahl der Rettungsleitstellen soll reduziert werden und ein digitales Echtzeitregister die Patientenströme lenken helfen. Die Qualifikation und Befugnisse der Notfallsanitäter*innen sollen so weit erweitert werden, dass nur noch in sehr komplexen Fällen Notärzt*innen zum Einsatz kommen. Die Luftnotrettung soll – vor allem in ländlichen Regionen – ausgebaut werden. Schließlich soll die allgemeine Notfallkompetenz in der Bevölkerung gestärkt werden. Die Kommission empfiehlt dafür unter anderem ein Schulfach „Erste Hilfe“. Lauterbach will die Überlegungen der Kommission nun in seine „Reformpläne einfließen lassen“.
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