: Reform als Abwicklung
■ Mit der geplanten Gründung der „Kulturveranstaltungs GmbH“ entmachtet der SPD-CDU-Senat das Kulturamt immer weiter
Beinahe hätte der Senat noch vor der Wahl ernst gemacht. In seiner Sitzung in dieser Woche wollte er eine mehrfach vorgelegte und wieder zurückgezogene Vorlage abnicken. Demnach sollte der Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft (HVG), unter deren Dach die Stadthalle, die Glocke, seit kurzem das Musikfest und mehrere weitere kulturwirtschaftliche Institutionen firmieren, mit der „Kulturveranstaltungs GmbH“ eine weitere neue Untergesellschaft hinzugesellt werden. Die Landesregierung hat die Entscheidung zwar vertagt. Doch soll sie in der nächsten Sitzung nach der Wahl fallen. Und schon die bloße Absicht ist ein weiterer Baustein im folgenreichen und auf den ersten Blick immer unübersichtlicher werdenden Umbau der Bremer Kulturszene.
Wie berichtet, will der Senat der geplanten Gesellschaft die Trompetenakademie, die Kammerphilharmonie, das KITO, die Europäische Chorakademie und die Wagenfeld-Stiftung zuschlagen. Sprecher der Einrichtungen reagierten ratlos auf das Senatsvorhaben und waren darüber nicht informiert. Die Mischung dieser Einrichtungen ist nicht durch ihre Tätigkeiten erklärbar. Sie reicht noch in die Zeit der Ampelkoalition vor 1995 zurück, als alle Einrichtungen zum Teil aus dem Kulturetat und zum Teil aus dem Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm (WAP) des Wirtschaftsressorts gefördert wurden. Doch mit der neuen „Kulturveranstaltungs GmbH“ werden sie nicht der Kulturbehörde unterstellt, sondern über die HVG indirekt dem Wirtschaftsressort. Beschließt der Senat die Vorlage, löst er einen weiteren Bereich aus der (Mit-) Verantwortung des Kulturamtes heraus und schreibt eine begonnene Dreiteilung der Bremer Kulturförderung fort. „Es ist bemerkenswert, daß immer mehr Geld an dieser Behörde vorbeifließt“, so ein Mitarbeiter des verkleinerten Kulturamtes. Hinter der scheinbaren Unübersichtlichkeit der schon im Koalitionsvertrag von SPD und CDU 1995 angekündigten Reform der Kulturförderung sind Tendenzen erkennbar. So splittert sich das Kulturangebot heute in drei Teile. Da ist die kulturelle Grundversorgung durch Stadtbibliothek oder Musikschule, die künftig in Verträgen mit der neuen Kulturmanagement GmbH geregelt werden soll. Da sind zweitens Einrichtungen und Festivals mit kulturtouristischer Verwertbarkeit, die ebenfalls privaten Gesellschaften wie der Management GmbH und der geplanten Kulturveranstaltungs GmbH zugeschlagen werden. In der Zuständigkeit des Kulturamtes sowie des neuen Kulturbüros bleiben kleinere und mittlere Einrichtungen sowie Kunstpreise. Ob sie weiterhin jeder Sparrunde ausgeliefert sind oder – wie die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz angekündigt hat – künftig stärker abgesichert werden, ist offen.
Mit kritischen bis gemischten Gefühlen reagieren Sprecher der künftigen HVG-Junioren auf die Senatspläne. „Ich weiß überhaupt nicht, was das soll“, sagt die Chefin der Wagenfeld-Stiftung, Beate Manske, und ergänzt: „Uns wurde definiv gesagt, daß wir unsere Verträge mit der Management GmbH abschließen sollen.“ Einen bedenklichen Konzentrationsprozeß zu Gunsten der HVG sieht ein anderer Kulturschaffender, der nicht genannt werden will. Doch nicht alle teilen diese Kritik. Dem Vernehmen nach sind einige sogar froh, künftig nichts mehr mit der Kulturbehörde und einzelnen übermäßig diskussionsfreudigen FachreferentInnen zu tun zu haben.
Wenn sie sich da nur nicht täuschen. Denn dieser Reformprozeß führt in ein Geflecht aus persönlichen Beziehungen, aus sinnvollen Veränderungen und einem ideologischen Vertrauen in die Verbetriebswirtschaftung von Kultur. Und wo gestern noch ein kurzes Telefonat einen Freund erreichte, könnte morgen schon ein Gegner sitzen. Jedenfalls haben sich manche in Bremen zu früh gefreut. Denn die vor vier Jahren angekündigte Neuordnung der Kulturförderung nimmt langsam eine Gestalt an, die ihrer Vorgeschichte immer ähnlicher wird. Wenige Monate nach der letzten Wahl hatte der Senat McKinsey mit einer kaum verhüllten Absicht beauftragt: Die Unternehmensberater sollten so viele Rationalisierungspotentiale in der Kultur erschließen, daß eine gleiche Leistung auch mit einem um rund 20 Millionen Mark gekürzten Förderungsbetrag zu erzielen ist. Doch die kühlen Rechner machten im Übersee-Museum und weiteren Einrichtungen Investitionen in Millionenhöhe zur Voraussetzung und kamen nur mit einer rabiaten Streichkur am Bremer Theater auf das gewünschte Ergebnis. Intendant Klaus Pierwoß und andere Aktive aus der Kulturszene probten den Aufstand. Doch wie sich heute zeigt, hatte der Protest nur sehr eingeschränkten Erfolg. ck
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