Referendum und Wahl in Irland: Blasphemie? Um Gottes Willen, ja!
In Irland darf man nun offiziell und ganz ungestraft gotteslästern. Ach ja: Eine Präsidentschaftswahl fand auch noch statt.
taz | Irlands Wählerinnen und Wähler haben den Blasphemie-Paragrafen aus der Verfassung gestrichen. In einem Referendum stimmten 69 Prozent dafür, Gotteslästerung künftig nicht mehr zu bestrafen. Angewandt wurde der Paragraf ohnehin kaum, das letzte Mal wurde jemand im Jahr 1703 verurteilt, weil er die „Göttlichkeit von Christus“ bestritten hatte, und damals gab es noch gar keine irische Verfassung.
Bunreacht na hÉireann, wie die Verfassung auf Irisch heißt, wurde 1937 per Volksentscheid verabschiedet, und die katholische Kirche hat damals kräftig daran mitgeschrieben. Änderungen der Verfassung sind nur per Referendum möglich. Geändert wurde sie seit ihrer Verabschiedung 36 Mal. Internationale Schlagzeilen haben vor allem die Volksentscheide über die Verträge der Europäischen Union gemacht, da sie bisweilen erst im zweiten Versuch angenommen wurden.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich Irland von der katholischen Kirche abgenabelt. Scheidung, gleichgeschlechtliche Ehe und Abtreibung wurden gegen den vehementen Einspruch des Klerus durch Volksentscheide legalisiert. Beim Blasphemie-Referendum leisteten die Bischöfe gar keinen Widerstand. Der Paragraf sei „mehr oder weniger obsolet“, räumten sie Anfang des Monats ein.
Neben der Abstimmung über die Streichung des Blasphemie-Paragrafen durften die Irinnen und Iren am Freitag auch ihren Präsidenten wählen. Wie erwartet wurde Amtsinhaber Michael D. Higgins mit fast 60 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Der Geschäftsmann Peter Casey landete mit 21 Prozent abgeschlagen auf dem zweiten Platz, die übrigen vier Kandidatinnen und Kandidaten blieben allesamt deutlich unter zehn Prozent.
Der liberale Politiker und Dichter, der von allen „Michael D.“ genannt wird, war früher Kultusminister. Er ist vor sieben Jahren zum neunten Präsidenten der Republik Irland gewählt worden. Inzwischen ist er 77 Jahre alt. Er hat vor allem repräsentative Aufgaben, äußert sich aber immer wieder zu politischen und gesellschaftlichen Fragen und ist bei der Bevölkerung sehr beliebt.
Der zweite Platz für Casey war hingegen eine Überraschung, bei Meinungsumfragen war er bis zuletzt bei zwei Prozent herumgedümpelt. Offenbar wollte niemand zugeben, dass er die rassistischen Äußerungen des 61-jährigen Geschäftsmanns aus dem nordirischen Derry teilt. Casey hatte sich abfällig über die 30.000 „Travellers“ gäußert, eine irische Minderheit, die der internationalen Vereinigung der Sinti und Roma angehören.
Sie seien „Leute, die auf dem Land anderer Menschen campieren“. Sie zahlen keine Steuern, und wo immer sie sich aufhielten, sinken die Hauspreise, hatte Casey moniert und war dafür von allen Seiten kritisiert worden. Doch offenbar teilt ein Fünftel der Bevölkerung seine Meinung über die Fahrenden.
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