"Reengineering": Die Neuerfindung der Welt
In Indien erfinden Ingenieure Dinge, die es schon gibt – nur einfacher und preiswerter. Eine Kleinbäuerin profitiert, deutsche Kollegen reagieren.
Bevor sie zum ersten Mal in ihrem Leben in ein Krankenhaus fährt, legt die Baumwollbäuerin Rangubai Patel ihren besten Sari an, den orange-blauen. Ihr Mann zieht eine frisch gewaschene Baumwollkutte über. Sie steigt hinter ihm aufs Motorrad.
Mehrere Stunden rollen sie über holprige Waldwege in das kleine indische Dorf Pipalgone. Dort steht der Bus, in dem sich die Behandlungsräume der mobilen Klinik befinden. Das Röntgenbild kostet hier 80 Rupien, 1,20 Euro. In einem gewöhnlichen Krankenhaus verlangen sie 150 Rupien. Fast doppelt so viel. In der mobilen Klinik kann sich Rangubai Patel das Röntgen leisten.
Es ist eine grundlegende Veränderung im Leben von Rangubai Patel. Und es steht für eine Umwälzung des weltweiten Markts für Medizinprodukte. Indische Ingenieure zeigen, wie preiswert Technik sein kann. Die deutschen Kollegen müssen reagieren und beweisen, dass sie weiter wichtig sind.
Die Ganze Geschichte zur Revolution des "Reengineering" lesen Sie in der aktuellen sonntaz vom 10./11. Dezember 2011. Außerdem: Was der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde zu Stasi-Vergleichen mit Facebook sagt. Am Kiosk, im eKiosk oder im Wochenendabo. Für Freunde: facebook.com/sonntaz
In Deutschland erhält ein Arzt etwa 9,45 Euro für eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs. Wenn es in Indien, China oder Brasilien funktioniert, den Preis zu halbieren, warum dann eigentlich nicht auch hier?
"Die Antwort kann nicht sein: Wenn der Preisdruck steigt, dann entwickeln wir eben einfachere Produkte", sagt Christoph Zindel, Chefentwickler bei Siemens Healt Care in Erlangen. Dort sitzt die Ideenschmiede für das Zukunftsgeschäft: die Weiterentwicklung komplexer Magnetresonanztomografen, Experten sagen MR, Patienten Kernspin oder schlicht Röhre.
Milliarden ehrgeizige Arme
Die tonnenschweren Maschinen sind wegen ihrer Präzision so etwas wie die Mercedesse im Geschäft mit der Körperdurchleuchtung, der bildgebenden Diagnostik. Zindel und seine Leute müssen die Mercedesse immer besser machen, damit sie teuer bleiben dürfen.
Denn in Indien haben sich Ingenieure im selben Konzern, bei Siemens, darauf spezialisiert, die Geräte für die bildgebende Diagnostik abzuspecken, um sie billiger zu machen.
"Reengineering" ist der Fachbegriff für das, was sie leisten: Sie bauen Produkte um, die andere lange vor ihnen erfunden haben - für neue Bedürfnisse. "Wir dürfen nicht auf die alten Produkte aus Deutschland schauen, nur auf ihre Funktionen", sagt Hemant Usgaonkar. Manche Ökonomen sehen im Reengineering eine neue industrielle Revolution. So wie Henry Ford vor rund hundert Jahren durch die Bedürfnisse der neuen amerikanischen Mittelschicht auf eine andere revolutionäre Idee kam: die Fließbandproduktion. Oder wie Toyota vor fünfzig Jahren die Just-in-time-Produktion erfand.
Das neue Marktversprechen, sagte der indische Ökonom Coimbatore Krishnarao Prahalad, seien "die Milliarden ehrgeizigen Armen, die zum ersten Mal an der Marktwirtschaft teilnehmen". Ehrgeizige wie die Familie Patel.
Wie genau indische Ingenieure die Technik für die Röntgenaufnahmen von Rangubai Patel entwerfen, wo sie sich im Vergleich mit ihren deutschen Kollegen sehen und wie der Wettkampf die Entwickler in Erlangen antreibt, lesen Sie in der Ganzen Geschichte „Die Rippen von Frau Patel“ in der aktuellen sonntaz. Am Kiosk, am eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und auf facebook.com/sonntaz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“