Reduktion von Methan-Emission: Rinder, fresst mehr Leinsaat
Die Emissionen des extrem gefährlichen Klimagases Methan steigen dramatisch an. Die Quellen lassen sich mit einfachen Mitteln stopfen.
Berlin taz | Für schnelle Erfolge im Klimaschutz blicken Politiker und Umweltschützer oft nur auf einen Gegner: das berühmt-berüchtigte Kohlendioxid (CO2) aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas. Dabei wäre der Kampf gegen Methan (CH4) deutlich effektiver.
Das ist ein Fazit des globalen „Methan-Budget“, das die Wissenschaftsvereinigung „Global Carbon Project“ kürzlich veröffentlicht hat. Der Kampf gegen Methan wäre einfach umzusetzen und würde keine großen Fragen zum Lebensstil aufwerfen. Eine „wachsende Chance für Klimaschutz, der die Rückkehr zu niedrigeren Emissionsszenarien erlauben würde“, heißt es in der Studie.
Die Methanwerte werden weltweit mit Erschrecken aufgenommen. Die Konzentration des Gases steigt etwa zwanzigmal so schnell wie ums Jahr 2000. Das gehe bereits seit 2007 so, jetzt seien die Werte aber förmlich explodiert. Jedes Molekül Methan heizt die Atmosphäre über den Zeitraum von zehn Jahren 86mal so stark auf wie ein Molekül CO2 – dessen Ausstoß aus fossilen Brennstoffen wächst seit drei Jahren nicht mehr.
„Das Ende des Anstiegs beim Kohlendioxid unterscheidet sich deutlich von der aktuellen schnellen Zunahme beim Methan“, sagt Robert Jackson, Professor für Erdsystemwissenschaft an der Stanford-Universität und Mitautor des Berichts. Die Ergebnisse „bereiten uns Sorgen, liefern aber auch die Möglichkeit, schnell etwas für den Klimaschutz zu tun“.
Einfach mal das Leck stopfen
Denn für die CH4-Emissionen gäbe es vergleichsweise einfache Lösungen, heißt es in der Studie, die in den Environmental Research Letters veröffentlicht wurde. Ein Teil des Methans stammt etwa aus Kohlegruben und gefährdet auch Arbeiter. Es könne aufgefangen als Brennstoff genutzt oder abgefackelt werden; Gaslecks in Pipelines und bei der Ausbeutung von Gas- und Ölfeldern ließen sich relativ leicht aufspüren und abdichten; das Faulgas Methan aus Mülldeponien ließe sich durch Abdeckung des Mülls einsammeln und als Treibstoff verwenden; Biogasanlagen könnten aus dem organischen Abfall wertvolles Brennmaterial machen; Wiederkäuer wie Kühe rülpsen weniger Methan aus, wenn sie auf eine andere Diät, wie etwa mit Leinsaat, gesetzt würden.
Auch Reisfelder könnten durch weniger Wasserzufuhr ihre Rolle als Methanquellen deutlich verringern, sagt Mitautorin Marielle Saunois von der Universität Versailles gegenüber der taz: „Es gibt viele Lösungen, das ist nicht schwieriger als der Kampf gegen Kohlendioxid.“
Komplizierter ist die Berechnung. Anders als Kohlendioxid, das aus genau bestimmbaren Quellen wie Schornsteinen und Auspufftöpfen steigt, stammt das meiste Methan aus diffusen Quellen: Sümpfen, Reisfeldern, Landwirtschaft, Rindern und Gasfeldern. Etwa 60 Prozent der 550 Millionen Tonnen Methan, die jährlich die Erde aufheizen, stammen aus menschlichen Aktivitäten.
Woher die plötzliche Zunahme der Gase kommt, wissen die Wissenschaftler nicht genau. Sie vermuten dahinter die starke Zunahme von Ackerbau und Viehzucht in den Tropen, aber auch den Fracking-Boom in den USA, andere Müllentsorgung oder das verstärkte Ausgasen von Methan aus auftauenden Permafrostböden in der Arktis.
Methan taut auf
Bereits 2014 hatte eine schwedische Expedition im Polarmeer vor Sibirien extrem hohe Werte von Methan im Meerwasser gemessen. Die Mission Swerus-C3 fand den normalen Methangehalt in 500 bis 1.500 Metern Tiefe um das „Zehn- bis Fünfzigfache“ überschritten.
Die Wissenschaftler hatten das als Hinweise gewertet, dass wärmeres Wasser die Methanhydrate, gefrorenes Methan am Meeresboden, auftaute. Es war genau die Zeit, in der sich nun im „globalen Methanbudget“ die großen Ausschläge bei der Methan-Freisetzung zeigen.
Methanreduzierung als erste Hilfe für das Klima ist keine neue Idee. Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeiten Staaten, Unternehmen und Umweltgruppen in der „Globalen Methan Initiative“ oder der „Climate and Clean Air Coalition“ daran. Die zusätzlichen Methan-Emissionen könnten durch ihr extrem hohes Erwärmungspotenzial alle Gewinne bei der CO2-Reduktion zunichtemachen, warnen die Forscher.
Leser*innenkommentare
user21617
Es sieht leider alles danach aus, als ob die Methan-Emmissionen durch das Abtauen von Permafrostböden inzwischen so rasant zunimmt, dass der unmittelbar menschenverursachte Ausstoß von Methan (und vermutlich auch CO2) schon bald gar keine Rolle mehr spielen wird...
UBVW
Es ist erstaunlich, das in diesem Artikel von Erfolgen der CO2-Reduktion gesprochen wird. Wer sich die Zahlen einmal genau anschaut, stellt fest, dass der Anteil des menschengemachten CO2s mehrere Stellen hinter dem Komma landet – selbst wenn der Mensch kein CO2 mehr produzierte (Atmen einstellen): Der Effekt ist so gut wie 0.
Nun bröckelt erfreulicherweise die Klimaallianz, in der Wissenschaft durch Überstimmung statt durch Diskurs belegt wird. Nun also schnell aufs nächste Pferd umsatteln: Auf irgendeine Art muss man dem Bürger doch den letzten Cent aus der Tasche ziehen. Es ist ja für seine Umwelt.
Nicht dass die Reduktion von Methan, das im Gegensatz zu CO2 nicht Bestandteil eines natürlichen Kreislaufs ist, sinnvoll wäre. Aber sich mit dem Hauptverursacher, der extensiven Viehzucht anlegen: Mit Verlaub, da stehen viel zu viele Lobbygruppen hinter. Man wird doch nicht das ewige Wachstum riskieren wollen!
Arianus
Was mir an diesem Artikel äußerst unklar ist, entscheiden ist doch nicht ob CH4 oder CO2 entweiched, sondern (vereinfacht gesprochen) die Menge an Kohlenstoff die in die Atmosphäre entweicht. Sprich ob ich das Methan abfackle oder nicht ist nicht entscheidend, sondern ob ich eine Möglichkeit finde es wieder zu binden oder es entweichen lasse.
Das gleiche gilt doch für die Landwirtschaft. Ob Kühe durch essen von Nahrung Methan freisetzen oder ob Menschen es isst oder ob es verfault ist doch irrelevant, solange eine vergleichbare Menge an Kohlenstoff dabei freigesetzt wird. Oder sehe ich da was falsch?
noctuaNigra
@Arianus Wenn bei der Verbrennung das Methan in Kohlendioxid umgewandelt wird, dann gewinnt man den weiter oben genannten Faktor 86. Bei der Aufzucht von Kühen geht es vor allem um Methan, dass die Kühe durch Rülpsen und Pupsen frei setzen.
user21617
@Arianus Das ist eine wichtige Frage, denn im Artikel fehlt da eine entscheidende Information: Der Treibhauseffekt eines Methan-Moleküls ist weitaus größer als der eines CO2-Moleküls. Wenn ich also CH4 verbrenne und die Abgase (CO2) in die Atmosphäre puste, ist der Treibhauseffekt kleiner als wenn ich das Methan direkt in die Atmosphäre blase.
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Wenn man die Verweilzeit berücksichtigt ist die Treibhauswirkung nur noch 25 mal so groß wie die des CO2.
Außerdem schmilzt Methanhydrat nicht - liebe taz.
Wie wärs mal über die Ursachen zu sprechen. Anstatt über Fleischverzicht zu sprechen, mal die ungezügelte Vermehrung der Menschen thematisieren. Es bleibt immer weniger für den Einzelnen
hihaho
@4813 (Profil gelöscht) es ist schon richtig, in Industrienationen wie der unseren spart man deutlich co2, indem man auf Nachwuchs verzichtet. Die Welt hätte allerdings auch genug für viel mehr Menschen, wenn wir die Ressourcen gerecht verteilen würden und weniger Dreck hinterlassen würden - und da ist weniger Fleisch ja ein super Beispiel, weil enorme Flächen und Mengen Nahrungsmittel für draufgehn (eine Zahl auf die schnelle: 35% der Getreideernte ist Tierfutter). Bevor ich also Menschen eine 1-Kindpoltik aufzwänge, wäre ich für einen genügsameren Lebensstil. Insbesondere wo die Länder mit den wenigen Kindern die Hauptverursacher sind.
Martin74
Die "fehlende Information" steht im Artikel.
Siehe "Jedes Molekül Methan heizt die Atmosphäre über den Zeitraum von zehn Jahren 86mal so stark auf wie ein Molekül CO2"
user21617
@Martin74 Stimmt, habe ich übersehen. Verzeihung.