Reden über MeToo: Das Privatleben der anderen

Wer hat das Recht, Traumata zu Kunst zu verarbeiten? Nur das Opfer oder auch Täter? Ein Fall im Literaturbetrieb sorgt für eine Debatte.

Amber Heard und Johnny Deppin einem Gerichtssaal.

Wer erzählt was? Amber Heard und Johnny Depp bei ihrem Prozess im Mai 2022 Foto: Steve Helber/ap/dpa

Seit ein paar Tagen kann man auf Netflix die Dokuserie „Depp vs. Heard“ streamen; fast zeitgleich erlebt der deutsche Literaturbetrieb einen großen MeToo-Skandal.

Über den Gerichtsprozess von Amber Heard und Johnny Depp im Frühjahr 2022 wurde auf allen Kanälen ausführlich berichtet. Über den MeToo-Skandal im deutschen Literaturbetrieb hat auch die taz berichtet: Valentin Moritz hat im von ihm mit herausgegebenen Buch „Oh Boy“, in dem sich 18 Au­to­r*in­nen kritisch mit (ihrer) Männlichkeit auseinandersetzen, über einen sexualisierten Angriff von ihm geschrieben.

Jetzt kam raus, dass die Geschichte nicht nur wahr ist (das wird in Text und Autorenbio, der „die eigene Übergriffigkeit“ eingesteht, stark angedeutet), sondern dass sein Opfer diese Tat explizit nicht in einem Text verarbeitet sehen wollte, was Moritz und der Verlag wussten.

Diese Fälle sind anders gelagert und nur schwer miteinander zu vergleichen. Aber sie werfen beide eine wichtige Frage auf, die wir uns immer wieder stellen müssen: Wer darf eigentlich welche Geschichte erzählen – gerade wenn es um traumatische Erlebnisse von Einzelpersonen geht? Mit dem Erbe von toten Promis wird eh wild umgegangen, was zu katastrophal schlechten Filmen wie „Blond“ über Marilyn Monroe oder biografisch haarsträubend falschen wie „Bohemian Rhapsody“ über Freddie Mercury führt. Ich fürchte allerdings, sich darüber zu ärgern ist verlorene Liebesmüh.

Sensiblerer Umgang gewünscht

Doch wenigstens mit jenen, die am Leben sind, sollte sensibler umgegangen werden. Wenn eine Privatperson Nein sagt, ist es wirklich komplett unverfroren, sie trotzdem zum Zentrum eines Essays zu machen. Und auch das Privatleben von Personen der Öffentlichkeit gehört uns nicht – und dann den gleichen Spott, mit dem Amber Heard überzogen wurde, ein Jahr später erneut auszuschlachten ist in meinen Augen ebenfalls total verwerflich. Ich verstehe einfach nicht, warum es Leuten nicht in den Kopf geht, dass andere Respekt verdienen und ihre Traumata nicht medial ausgeschlachtet werden sollten.

Das hier ist die letzte Ausgabe meiner „Gossip Girl“-Kolumne, und da ist es passend, dass ich nochmal Anlass hatte, wie schon in der ersten über Amber Heard zu schreiben. Ich hoffe, ich konnte in diesen zwölf Monaten vermitteln, dass sich mit Prominenten zu beschäftigen nicht nur schlicht Klatsch und Tratsch bedeuten muss, sondern dass wir durch die Art, wie Celebritys auf die Öffentlichkeit reagieren und wie wir wiederum Celebritys wahrnehmen und behandeln, zugleich viel über uns als Gesellschaft aussagt und die Richtung, in die wir uns bewegen.

Das kann bei großen Themen wie Rassismus oder Queerfeindlichkeit der Fall sein oder bei jenen, über die man nicht sofort stolpert. Vielen Dank für euer Interesse an „Gossip Girl“, wir lesen uns an anderer Stelle wieder!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

... arbeitet als freie Journalistin mit Schwerpunkt auf Kultur und Gesellschaft für diverse Medien und macht auch sonst allerhand Jux und Tollerei mit dem geschriebenen Wort. Frankfurt/Barcelona

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.