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Reden mit CoronaleugnernAuf der Couch mit Kretschmer

Nach der Pöbelei an seinem Haus durfte Sachsens Ministerpräsident diesmal gepflegt streiten. Kritik bekommt Kretschmer dennoch ab.

Kurze Pause: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im Januar in der Staatskanzlei Foto: Robert Michael/dpa

Dresden taz | Der Eklat blieb aus, als sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) am Freitagabend in einer mit Spannung erwarteten Onlinediskussion Coronafragen stellte. Anders als vor zweieinhalb Wochen, als etwa 30 Querdenker vor dem Privathaus seiner Familie am Rand des Zittauer Gebirges demonstrierten.

Dass Kretschmer sich nun unter anderem auch diesen Coronaverdrossenen in einem öffentlichen Gespräch stellen wollte, hielten wiederum die oppositionelle Linke, aber auch die Koalitionspartner Grüne und SPD für einen Skandal. „Kretschmer trinkt auch noch den Kakao, durch den ihn die Infektionsschutzgegner ziehen“, attackierte Linken-Frak­tionsvorsitzender Rico Gebhardt das Bemühen des Ministerpräsidenten, Kontakte zu den Hausbelagerern zu knüpfen.

Entsprechend groß waren Medienecho vor und Bürger­interesse an dem Treffen. Bis zu 800 Teilnehmer wurden über Zoom, Facebook und Youtube zugeschaltet. Doch statt emotionaler Entladungen boten die knapp zwei Stunden im Stream ein wohltuendes Beispiel, wie ein Dialog zwischen ermüdeten Bürgern und „denen da oben“ ablaufen kann, die ihnen die Freiheitseinschränkungen zumuten.

Keiner der Fragesteller gab sich als Motzki vor Kretschmers Haus zu erkennen. Fast hundert konnten ihre durchweg qualifizierten Fragen an ihn, eine Seniorenheimleiterin, den Zittauer Oberbürgermeister, den ärztlichen Direktor des Klinikums Oberlausitzer Bergland und den Chef der sächsischen Impfkommission richten. Es ging so friedlich zu, dass der Moderator der Konrad-Adenauer-Stiftung, die das Diskussionsformat beherbergte, nicht einmal eingreifen musste. Lediglich der Chat-Moderator mäßigte hin und wieder schriftliche Polemiken, die aber nie unter die sprichwörtliche Gürtellinie gingen.

Kretschmer kennt Grenzen, sagt er

Michael Kretschmer war im Anschluss an die Experten erstmals nach einer halben Stunde gefragt. Der seit drei Jahren amtierende und geradezu dialogbesessene Ministerpräsident bekundete nochmals, dass er „Menschen nicht sortieren und jede Gelegenheit zur Erklärung nutzen will“. Manche seien allerdings nicht zu erreichen.

Grenzen für einen Austausch auf Augenhöhe zog er allerdings auch. Die Verletzung seiner Privatsphäre am Gartenzaun ist für ihn ebenso wenig akzeptabel wie das Herumlaufen mit den schwarz-weiß-roten alten Reichsflaggen.

Gefragt wurde nach nahezu allen derzeit bewegenden Themen: Schule, Handel, Mobilität, Wirtschaftshilfen, psychische Belastungen. Vorsichtig optimistisch stellte Kretschmer Lockerungen ab dem 15. Februar in Aussicht. „Wir wollen gesellschaftliche Strukturen retten“, bezog sich Sachsens Ministerpräsident auf das gegenwärtige Reizklima.

Und wenn irgendwann dann das Gröbste überstanden sein wird? Nach dieser Krise, so lautete Kretschmers Empfehlung zum Schluss, müsse Deutschland auf die Couch.

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