Rede des Bundeskanzlers im Bundestag: „Den Frieden verteidigen“
Der Kanzler hat sich Bundestag zum geplanten EU-Sondergipfel geäußert. Die Grünen dringen auf schärfere Sanktionen gegen Russland. Die Debatte im Livestream.
Berlin afp |/dpa/rtr | Bundeskanzler Olaf Scholz hat zu einer entschlossenen Verteidigung des Friedens aufgerufen. Krieg sei auch in Europa nicht unvorstellbar geworden, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. „Frieden ist nur dann selbstverständlich, wenn wir bereit sind, ihn zu verteidigen. Das ist die Lehre, die wir aus Russlands brutalem Angriff auf die Ukraine ziehen.“
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Scholz sagte, die Europäische Union habe in den vergangenen Jahren unterschiedliche Herausforderungen und Krisen bewältigt. Der Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft sei ohne jeden Zweifel die größte. „In einem aber ähnelt auch diese Krise den vorangegangenen. Einmal mehr erleben wir: Je größer der Druck von außen ist, desto entschlossener und geeinter handelt die Europäische Union.“
Olaf Scholz sagte außerdem den Ländern des westlichen Balkans konkret eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu. Der westliche Balkan gehöre zur EU, sagt Scholz in seiner Regierungserklärung im Deutschen Bundestag. Dies werde er bei seiner anstehenden Reise in die Länder der Region deutlich machen.
Grüne dringen im Bundestag auf schärfere Sanktionen gegen Russland
Die Grünen dringen auf die geplanten weiteren EU-Sanktionen gegen Russland. Deutschland und die EU müssten dem Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin „gemeinsam ein Stoppzeichen entgegensetzen“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge am Donnerstag in der Debatte über die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag.
Es gehe darum, „weitere russische Banken vom internationalen Finanzsystem abzukoppeln“, und dass „die EU sich auf den Weg zu einem Ölembargo einigt“, warb Dröge für das sechste Sanktionspaket der EU, um das derzeit in der Europäischen Union gerungen wird. Das Ende der Energieimporte sei „das stärkste Instrument, das wir Russland entgegensetzen können“.
Nachdrücklich plädierte die Grünen-Fraktionschefin auch für weitere militärische Unterstützung für die Ukraine, auch mit schweren Waffen. Putin warf sie vor, selbst „die Versorgung mit Nahrungsmitteln zu einem Mittel in seinem Krieg gemacht“ zu haben. Dröge begrüßte auch den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands und die angestrebte Stärkung der Bundeswehr.
Angesichts der noch bestehenden Abhängigkeit von russischen Energielieferungen drängte Dröge auch auf ein Vorantreiben der Energiewende. „Wir müssen jetzt gemeinsam in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren“, verlangte die Grünen-Politikerin. „Wir werden nie wieder so abhängig von fossilen Energien aus Russland sein“, stellte sie klar.
Linke fordert mehr Verhandlungen
Die Linke im Bundestag hat mehr Verhandlungen zur Beendigung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine verlangt. „Was ist denn die Alternative zu diplomatischen Lösungen? Es ist ein immer länger dauernder Krieg mit immer mehr Toten. Es ist die wachsende Gefahr einer Ausweitung des Krieges, eines dritten Weltkrieges“, sagte die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali am Donnerstag im Bundestag. „Das darf doch nicht sein.“
Die Linke-Politikerin warf Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) vor, nicht genügend Anstrengungen für diplomatische Lösungen zu unternehmen. „Ich habe manchmal den Eindruck, Sie verwechseln, für welches Ressort Sie zuständig sind. Sie sind nicht die Verteidigungsministerin, Sie sind die Außenministerin, die Chefdiplomatin. Und da erwarte ich auch Diplomatie von Ihnen.“
Mohamed Ali forderte auch mehr Unterstützung für diejenigen in Deutschland, die unter den Folgen des Krieges wie der hohen Inflation am meisten leiden. „Ihre Entlastungspäckchen (…) decken nicht mal im Ansatz die realen Mehrkosten ab. Und was auf uns zukommen wird durch ein Ölembargo ist doch um ein Vielfaches gravierender.“ Nötig seien konsequente Maßnahmen wie die Senkung der Verbrauchssteuern auf Grundnahrungsmittel, eine staatliche Preisaufsicht für Energie und ein Schutzschirm für betroffene Unternehmen besonders im Osten. (dpa)
14 Stunden Bundestagssitzung
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Donnerstag eine Regierungserklärung im Bundestag abgegeben. Anlass der auf 20 Minuten angesetzten Erklärung war der EU-Sondergipfel, der sich Ende Mai in Brüssel mit der aktuellen Lage rund um den Krieg Russlands in der Ukraine befassen soll. An den Auftritt des Kanzlers schließt sich im Plenum eine anderthalbstündige Debatte an.
In der auf mehr als 14 Stunden angesetzten Bundestagssitzung stehen auch wichtige Gesetzesbeschlüsse an – so etwa die weitgehende Aussetzung von Hartz-IV-Sanktionen für die Dauer eines Jahres (Debatte ab 15.20 Uhr), die Zahlung eines neuerlichen Pandemie-Bonus an Kräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen (16.50 Uhr) und ein Gesetz zur schärferen Durchsetzung von Sanktionen gegen Mitglieder der russischen Elite (18.20 Uhr).
Scholz reist später am Donnerstag in die Niederlande. Geplant sind nach Angaben der Bundesregierung ein Treffen mit dem niederländischen König Willem-Alexander und ein anschließendes Abendessen mit Regierungschef Mark Rutte. Thema der Gespräche sind demnach unter anderem die Energieversorgung im Lichte des Ukraine-Krieges und der Auseinandersetzungen mit Russland sowie eine deutsch-niederländische Unterstützungsmission für die Ukraine mit Panzerhaubitzen 2000.
Die Bundesregierung hat angekündigt, Deutschland langfristig aus der Abhängigkeit von fossiler Energie aus Russland führen zu wollen. Als Energieträger rückte deswegen zuletzt Flüssigerdgas (LNG) in den Fokus. Die Niederlande verfügen über LNG-Terminals, über die auch Deutschland Flüssigerdgas bezieht. Deutschland und die Niederlande kooperieren auch bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten an der Panzerhaubitze 2000.
Leser*innenkommentare
Max Sterckxc
Welche Waffen hat DE denn gelieferten BK ?
Denn nur so kann DE u.a. den Frieden in der Ukraine zurückbringen. Alles andere ist doch nur Gerede.
Klaus Waldhans
@FORIST
Wie soll Ihrer Meinung nach, nach Beendigung dieses Krieges, eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Regime überhaupt möglich sein. Mit einem Regime, welches den Krieg zu verantworten hat und buchstäblich über Leichen ging. Die größenwahnsinnige Forderungen stellte und weiterhin stellen wird, um seine nationalistischen Gelüste zu befriedigen. Und das auch innenpolitisch durch massive Unterdrückungsmechanismen, Restriktionen und Wahlmanipulationen ein ganzes Volk unter seiner Fuchtel hält. Da reicht nicht 'nur' ein Regierungswechsel und der Austausch von ein paar Personen.
Ohne einen sogenannte 'Regime change', seh ich absolut keine Möglichkeit von normalen diplomatischn Beziehungen, und einer zukünftigen vertraulichen und verlässlichen Zusammenarbeit im Europa. Und natürlich muss dieser Wechsel auch von Innen, sprich der russischen Opposition, unterstützt werden.
Das mag vielleicht naiv sein, aber nur so sehe ich eine Chance zu einem friedlichen Neubeginn.
Gerdi Franke
Mit Waffenlieferungen verteidigt man keinen Frieden. In der Ukraine ist Krieg und der wird von der Ampel-Regierung unterstützt. Gegen die langjährige Devise Deutschlands keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Der Kanzler erzählt uns leider Nonsens und schadet damit unserem Land!
maestroblanco
@Gerdi Franke Na dann... warten wir bis Putin an unserer Grenze steht. Und dann? Lassen wir uns besetzen, beherrschen und foltern, nur um keinen Krieg auszulösen? Wie soll man den mit Putin verhandeln und vor allem - über was? Es gibt nichts zu verhandeln. Russland hat sich aus der Urkaine zu verziehen, alles andere steht nicht zur Diskussion.
Gruffy
@Gerdi Franke Oh je, aus der Geschichte nichts gelernt.
05867 (Profil gelöscht)
Gast
Fr. Ali und die Linkspartei scheinen die einzigen Politiker im Bundestag zu sein, die einen sinnvollen Ansatz im Ukraine Krieg verfolgen.
Der Vorwurf an die Adresse von Fr. Baerbock ist vollumfänglich gerechtfertigt.
Hilfe für die Ukraine ja, auch mit Waffen.
Aber immer mit der Perspektive, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden, um eine weitere Zerstörung des Landes, weitere Tote auf allen Seiten und die zunehmende Gefahr eines Übergreifens auf Europa und die Nato zu verhindern.
Das Ziel darf nicht ein Regime-Change in Moskau sein, so wie ihn sich viele selbsternannte, deutsche Krieger gerade wünschen...
Abdurchdiemitte
@05867 (Profil gelöscht) Mein Dilemma ist, dass ich Ihnen in allen Punkten zustimmen kann, auch hinsichtlich der Forderung, dass ein Regime-Change in Russland nicht das Ziel westlicher Planungen sein darf ... die Ukraine alleine könnte dieses Ziel ohnehin nicht umsetzen, sie muss an ihren Aussengrenzen Halt machen, sollte sich tatsächlich eine Wende im Kriegsgeschehen abzeichnen und die russischen Invasoren zurückgeschlagen werden. Es ist nach aktuellem Stand allerdings noch zu früh, um das beurteilen zu können. Auf Grundlage der aktuellen russischen Gebietsgewinne (inklusive dem endgültigen Fall Mariupols) hätte Putin seine Kriegsziele zumindest so weit erreicht, dass er eigentlich in Verhandlungen eintreten könnte ... aus ukrainischer Sicht wäre das jedoch inakzeptabel, zumindest solange noch ein Fünkchen Hoffnung besteht, die Russen noch weiter zurückzudrängen.
Ein Regimewechsel in Moskau erfordert also den direkten Einsatz der NATO bzw. einer von den USA geführten Anti-Putin-Koalition ... ob das, was vor kurzem auf der US-Air Base Ramstein geplant wurde, in eine solche Richtung zielt, kann ich ebenfalls nicht beurteilen, ohne mich in Verschwörungstheorien zu verlieren. Aber es wäre ja mal einen Gedanken wert, wie sich die NATO Russlands Zukunft ohne Putin vorstellt.
Andererseits: glauben Sie, dass eine stabile Friedensordnung für die Ukraine und für ganz Europa MIT Putin möglich sein wird?
05867 (Profil gelöscht)
Gast
@Abdurchdiemitte Das ist doch aber genau die Diplomatie, die unter den Grünen zum Erliegen gekommen ist.
Süd- spricht mit Nordkorea, Pakistan mit Indien, die Welt spricht trotz Adolf Hiltler wieder mit uns, selbst der Iran verhandelt wieder mit den USA…
Wir reden ja auch sonst mit brutalen Regimen, der Türkei haben wir sogar eine privilegierte Partnerschaft angeboten.
Es wird in Russland auch andere Zeiten geben - das hat Gorbatschov doch eindrucksvoll bewiesen.