Rede – Gegenrede: Kritik nicht akzeptabel
■ Retour an den Grünen Helmu Zachau: Der Ökonom Rudolf Hickel antwortet
Der in der taz geführte Streit über die Wirksamkeit der großen Koalition in Bremen ist zu begrüßen. Endlich gibt es wieder eine Diskussion und die zur naturhaften Sachlogik erklärten Senatspolitik wird enttabuisiert.
Helmut Zachaus Argumente veranlassen mich zu folgenden Anmerkungen, übrigens nicht wie durch die taz gemeldet, als SPD-Mitglied.
1. Ich freue mich, dass im Unterschied zu den Kommentierungen von Helga Trüpel Zachau zugibt, dass die Verlangsamung des bremischen Wirtschaftswachstums gegenüber dem Bundesdurchschnitt nicht als Menetekel gescheiterter Wirtschaftspolitik missgedeutet werden darf.
2. Auffällig ist, dass der Gegenkritiker mit keinem Wort auf den von mir beschriebenen Strukturwandel eingeht. Damit ist nicht zu erfahren, ob er auch positive Elemente in Richtung eines wissensorientierten Strukturwandels in Bremen anerkennt. Ist beispielsweise die Verknüpfung der Produktivitätsressource Universität mit wissensorientierten Unternehmensneugründungen kein Erfolg der letzten Jahre?
3. Bedauerlich ist, dass meine Forderung nach einer stärkeren Ausrichtung der Strukturpolitik auf Humankapital und ökologischen Umbau ernsthaft nicht berücksichtigt worden ist.
4. Der Hinweis zu einer stärker lokalen Ökonomie in Bremen ist wichtig. Aber ohne eine überregionale beziehungsweise internationale Verflechtung der Wirtschaft geht es nicht.
5. Der Hinweis, ich würde die „Wirtschaft über staatliche Ausgaben lenken“ wollen, dient wohl dem Zweck, mich als ernsthaften Diskutanten zu diskreditieren. Hier zeigt sich eher ein Positionswechsel bei „Bündnis 90/Die Grünen“ an den sich viele noch gewöhnen müssen. Politik wird gebraucht, um den fortschrittlichen Strukturwandel zu unterstützen. Das gilt doch auch für das Projekt Öko-Steuer. Da setzt der so verachtete Staat ökologische Preisaufschläge fest, um Anreize für eine umweltverträglichere Entwicklung zu setzen. Die Staatsphobie der „Bündnis 90/Die Grünen“ gerade auch in der Bundesregierung kann doch nur bedeuten, dass die Privatwirtschaft aus sich selbst heraus optimal funktioniert. Dann brauchen wir aber auch keine „grüne Politik“ mehr.
6. Die Kritik an dem Weg der Haushaltssanierung finde ich nicht akzeptabel. Es war und ist richtig, die jährliche Normalverschuldung nicht zu reduzieren. Durch die Teilentschuldung vom Bund konnten die Gesamtschulden einigermaßen stabil gehalten werden. Herr Zachau muss erklären, wo und bei wem er noch mehr Kürzungen vorgenommen hätte, wenn der Schuldenberg nachhaltig abgebaut worden wäre. Für eine neue Wirtschaftsstruktur das Investitionsprogramm zu nutzen, ist und bleibt die Aufgabe. Aber worum es jetzt geht, ist die Konzentration auf ökologische Projekte und die Stärkung von Humankapital sowie Wissenschaft. Rudolf Hickel
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