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Red Notice-Ersuchen der TürkeiDeutscher in Slowenien festgenommen

Seit vergangenem Freitag wird der Duisburger İsmet Kılıç im slowenischen Koper festgehalten. Die Türkei sucht den 54-Jährigen per Interpol.

İsmet Kılıç wurde auf dem Rückweg aus dem Familienurlaub an der slowenischen Grenze festgenommen Foto: privat

Der Duisburger İsmet Kılıç wurde am Freitag auf dem Rückweg aus dem Familienurlaub in Kroatien an der slowenischen Grenze festgenommen. Die Türkei sucht ihn per Red Notice. Der Taxifahrer ist sowohl deutscher als auch türkischer Staatsbürger. Seit Freitag wird der 54-Jährige in der slowenischen Stadt Koper festgehalten.

Im Gespräch mit taz gazete erzählt Nurgül Gülşen Kılıç, wie sie am Freitag mit ihrem Mann und den beiden Kindern am Grenzübergang von der Polizei aus dem Verkehr gewunken wurde. İsmet Kılıç musste aussteigen und wurde auf die Wache gebracht. Nach stundenlangem Warten wurde Kılıç einem Haftrichter vorgeführt, der ihm eröffnete, er werde von Interpol per Red Notice gesucht. Erst am Dienstag konnte Nurgül Gülşen Kılıç von Deutschland aus mit ihrem Mann telefonieren. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch keinen Kontakt zu seinem Rechtsanwalt bekommen. „Wir hoffen, dass er nicht an die Türkei ausgeliefert wird“, sagt Nurgül Gülşen Kılıç.

Aufgrund seiner gewerkschaftlichen Arbeit war Kılıç 1996 wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Daraufhin kam er 1997 als politischer Flüchtling nach Deutschland, wo er 2009 eingebürgert wurde. In der Türkei hatte er als Tierarzt gearbeitet und war im Vorstand der Gewerkschaft der Kommunalangestellten BEM-SEN aktiv. Sein dortiger Rechtsanwalt Murat Demir sagt der taz gazete, dass Kılıç für Pressestatements verurteilt wurde, die er als Gewerkschaftsführer herausgegeben hatte. „Er protestierte sowohl gegen die damaligen Massaker in Kurdistan als auch gegen Strafversetzungen missliebiger Beamter. Er kämpfte für Tarifverträge und gewerkschaftliche Rechte. Dafür bekam er sieben Jahre Haft als Mitglied einer terroristischen Vereinigung.“

Demir kritisiert die Europäische Union und Interpol dafür, dass sie nach wie vor zulassen, dass die türkischen Behörden Oppositionelle auch in Europa terrorisieren. „Doğan Akhanlı ist genau das Gleiche passiert. Die deutsche Botschaft in Slowenien ist nicht ausreichend für diese Situation sensibilisiert. Ich hoffe, dass wir İsmet in Kürze dort rausholen können.“

2017 waren zwei türkeistämmige Schriftsteller beim Spanienurlaub auf Ersuchen der Türkei festgenommen worden. Dem deutschen Staatsbürger Doğan Akhanlı und dem schwedischen Staatsbürger Hamza Yalçın wurde an ihrem Urlaubsziel von der Polizei mitgeteilt, dass sie per Interpol gesucht werden. Die Türkei hat allein an die Bundesregierung per Interpol 848 Haftersuchen gestellt und damit eine Diskussion über Missbrauch der übernationalen polizeilichen Mechanismen zur Einschüchterung von Oppositionellen ausgelöst.

Das Auswärtige Amt erklärte auf Anfrage, der Haftfall sei dem Ministerium bekannt. Die Botschaft in Ljubljana betreue den Betroffenen konsularisch und stehe mit den Angehörigen in Kontakt. Rechtsanwalt Demir geht davon aus, dass die Diplomaten noch auf Unterlagen warten, um eine Freilassung zu erwirken. Am Mittwoch darf İsmet Kılıç seinen Anwalt und einen Konsulatsmitarbeiter empfangen.

Aus dem Türkischen von Oliver Kontny

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