piwik no script img

Rechtsstaat in GriechenlandBesetzte Häuser geräumt

Die Polizei nimmt bei einem Einsatz gegen Anarchisten und Geflüchtete in Thessaloniki 74 Personen fest. Syriza distanziert sich von der Aktion.

Miserable Bedingungen: Flüchtlingsprotest in Thessaloniki im Juni Foto: ap

Athen taz | Die griechische Polizei hat am Mittwochmorgen in Thessaloniki drei von Anarchisten besetzte Häuser geräumt. Etwa 100 AktivistInnen mussten die Häuser verlassen, in denen die alternativen Initiativen auch Flüchtlinge aufgenommen hatten. 74 Personen wurden aufs Revier gebracht. Darunter befinden sich 64 Menschen aus anderen europäischen Ländern. Seit Donnerstag laufen Gerichtsverfahren gegen die Festgenommenen. Die Flüchtlinge wurden unterschiedlichen Berichten zufolge in Flüchtlingszentren gebracht.

„Wir sind wütend! So sieht also eine linke Regierung aus!“, schreibt die antiautoritäre antikapitalistische Plattform Be­yond Europe auf ihrer Facebookseite. Ebenfalls auf Facebook veröffentlichte das alternative Projekt „Hurrya“ ein Video der Räumung. Immer wieder hört man die Stimme einer Frau, die um Zeit bittet und auf das Recht hinweist, einen Anwalt zu verständigen. Die Kamera hält auf eine Tür mit einem Gitterfenster, hinter der Polizisten Einlass fordern. Am Ende des Videos strömt Tränengas in die Kamera.

Das Projekt „Hurrya“ hatte in der vergangenen Woche ein leerstehendes Haus im Zentrum Thessalonikis besetzt, das in Privatbesitz ist. Das Projekt wollte Flüchtlingen und Migranten dort Schutz gewähren. Der Besitzer hatte Beschwerde eingereicht. Das zweite Haus – „Mandalidio Megaro“, der ehemalige Medienbereich der Aristoteles-Universität Thessaloniki am Strand von Thessaloniki – war 2009 von Anarchisten besetzt worden und diente ihnen als Wohnraum.

Das dritte geräumte Haus, „Orfanotrofeio“ – ein ehemaliges Waisenhaus für Mädchen –, gehört der Kirche und wurde zuerst 2005 okkupiert. Dort wurden zahlreiche Medikamente und medizinisches Zubehör gefunden, welche die AktivistInnen den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt hatten. Das Gebäude soll abgerissen werden. Die Arbeiten sind bereits im Gange. In allen drei Häusern wohnten Aussagen der AktivistInnen zufolge Flüchtlinge oder sie waren zumindest in die Hausstrukturen eingebunden.

Entscheidung der Staatsanwaltschaft

Die linke Regierungspartei Syriza hat sich in einer Pressemitteilung von der Räumung distanziert. Man sei gegen diese Polizeioperation. Die Kriminalisierung von Solidaritätsinitiativen habe nichts mit den Grundsätzen der Linken gemein.

Der Syriza-Abgeordnete Nikos Manios betonte gegenüber dem griechischen Staatssender ERT, dass die Evakuierung der Häuser die Entscheidung der griechischen Staatsanwaltschaft gewesen sei. Die habe aufgrund mehrerer eingegangener Beschwerden gehandelt und die Häuser räumen lassen.

Dagegen wehren sich lautstark Linke und Autonome, die betonen, dass Syriza sich aus der Affäre ziehen wolle. Denn die griechische Polizei folge den Befehlen des Innenministeriums – derzeit Panagiotis Kouroumblis von der Syriza.

Für Donnerstagnachmittag riefen linke und anarchistische Gruppen zu Solidaritätskundgebungen in Thessaloniki auf.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 8G
    80975 (Profil gelöscht)

    @Janus

    also, hat ein Mensch, der sich zu anarchistischer Theorie und Praxis bekennt, sich kritiklos das Maul zerschlagen zu lassen und auch keine Solidarität zu erwarten?

    Nein, dass muss er nicht und er kann auch sehr wohl Solidarität erwarten. Letzteres wird bei den Vorurteilen und der Reduktion anarchistischer Theorie zu einem (A) auf einer Hauswand aber wohl nur gering ausfallen.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @80975 (Profil gelöscht):

      Wenn es um die Anwendung von Theorien gibt hat sich der Theoretiker auf das zu beschränken was in der Praxis aus seiner Idee wird. Alles andere ist unmenschliche Selbstsucht.

       

      Marx hatte ja auch nur das Beste im Sinne und wäre sicher nicht sonderlich froh darüber gewesen zu sehen was Menschen die sich starr auf seine Gedanken und nicht auf seine Absichten fixiert haben am Ende daraus gemacht haben.

       

      Auf Solidarität kann man immer hoffen. Aber solidarität ist eben auch nicht das GLeiche wie im Recht sein.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Das sind mir ja anarchisten,... benutzen Facebook und bestehen darauf erstmal mit ihrem Anwalt reden zu dürfen, brechen aber auf der anderen Seite zigfach das Recht auf das sie sich selber berufen und hoffen dann auf Sympatie aus einer korrupten Politikerkaste.

    • @33523 (Profil gelöscht):

      @JANUS: Was Facebook angeht, sind wir uns einig. Mit Anwalt reden - Anarchie heißt ohne Herrschaft, aber eben nicht kein Recht, keine Regeln. Rechtsfreie Räume sind eher die Vorliebe der Neoliberalen. Und was für ein "Recht" brechen Leute, wenn sie lange leerstehende Häuser besetzen und Flüchtlingen helfen? Das sind welche, die versuchen, Mensch zu bleiben bei all dem Irrsinn. Politiker dort so korrupt wie woanders auch, nur mit strikten Vorgaben von anderswo.

      • 3G
        33523 (Profil gelöscht)
        @uvw:

        Ohne Herrschaft und die damit einhergehende Exekutive kann man zwar auch noch Gesetze haben, sie aber niemandem mehr aufzwingen. Entsprechend ist Anarchie vielleicht nicht das gleiche wie Gesetzlosigkeit, führt aber früher oder später zu ihr. Die Idee von Anarchie die Sie vermutlich meinen existiert nur in der Philosphie.

         

        Flüchtlingen helfen ist nicht illegal aber Dinge die man in Häusern die einem nicht gehören gefunden hat zu verschenken ist definitiv Diebstahl! Wenn es sich dabei um Arzneimittel handelt vielleicht auch noch ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz.

        Wie die Gesetze bezüglich des Bestezens von Häusern in Griechenland aussehen weiß ich nicht genau. In Deutschland geht das Besetzen von Häusern praktisch immer mit einer Vielzahl von Gesetztesbrüchen einher. Sie werden nur i.d.R. nicht verfolgt.

        Es würde mich nicht wundern wenn es in Griechenland ähnlich ist und irgend eine rechtliche Grundlage muss es für die Räumung ja auch geben.