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Rechtsruck in TschechienRassist leitet Prags Parlament

Tomio Okamura hetzt gegen Geflüchtete und will Tschechien aus der EU führen. Nun übernimmt er den drittwichtigsten Posten im Land.

Der neu gewählte Präsident des tschechischen Parlaments: Tomio Okamura von der Freiheit und direkte Demokratie-Partei Foto: Kamaryt Michal/CTK/dpa
Florian Bayer

Aus Wien

Florian Bayer

Der neue Parlamentspräsident Tschechiens fackelte nicht lang: Als eine seiner ersten Amtshandlungen ließ Tomio Okamura die ukrainische Flagge vom Parlament abhängen. Diese war 2022 als Zeichen der Unterstützung aufgehängt worden. Doch schon im Wahlkampf forderte Okamura, die Ukrainehilfen einzustellen. Im Verhältnis zur Bevölkerung hat kein EU-Land so viele ukrainische Geflüchtete aufgenommen wie Tschechien. Auch militärisch, etwa wegen seiner Munitionsinitiative, ist das Land ein bedeutender Unterstützer des angegriffenen Lands. Diese Positionierung verhalf Okamuras rechtsextremer Freiheit und direkte Demokratie-Partei (SPD) zu 7,8 Prozent, auch wenn sie damit hinter den Erwartungen zurückblieb. In Prag steht die die Rechts-Koalition aus Andrej Babiš' ANO, Okamuras SPD und der Motoristen-Partei vor der Vereidigung. Rasch wurde aber klar, dass Babiš den zunehmend radikalisierten Okamura nicht in seinem Kabinett sehen will. Und so wurde dieser zum Präsidenten des Parlaments gewählt, also an die dritthöchste Position der Republik.

Der Personalie vorangegangen waren zahlreiche Warnungen. Selbst sein älterer Bruder Hayoto meinte, dass Tomio Okamura mangels moralischen Fundaments nicht für eine politische Spitzenfunktion geeignet wäre. Auch Präsident Petr Pavel machte keinen Hehl aus seinem Problem mit Okamuras extremen Positionen. Dazu zählen ein Verbot des Islam und ein Austritt aus EU und Nato. Strafrechtlich droht Okamura wegen Volksverhetzung eine Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft klagte ihn im August 2025 wegen rassistischer Wahlplakate an – darunter eines, das einen dunkelhäutigen Mann mit blutigem Messer zeigte. Bei Verurteilung drohen bis zu drei Jahre Haft, die Staatsanwaltschaft fordert aber nur eine Bewährungsstrafe. Okamura nennt das Verfahren politisch motiviert.

Mit seiner neuen Position hat der Rechtsaußen-Politiker seinen bisherigen Zenit erreicht. 1972 als Sohn einer Tschechin und eines Japaners geboren, verbrachte er seine ersten zehn Lebensjahre in Tokio. Er kam aus einfachen Verhältnissen, arbeitete sich aber als Tourismusunternehmer rasch nach oben. 2012 stieg er in die Politik ein und gewann per Direktkandidatur einen Sitz im tschechischen Senat. Ein Jahr später wollte er bei der Präsidentschaftswahl gegen Kaliber wie Miloš Zeman und Karel Schwarzenberg antreten. Doch von Okamuras rund 61.000 eingereichten Unterstützern wurde nur gut die Hälfte für gültig erklärt – zu wenig für eine Kandidatur. Mit seiner rechtsradikalen Úsvit-Partei („Morgendämmerung“) gelang ihm jedoch der Einzug ins tschechische Parlament.

Selbst sein älterer Bruder Hayoto meinte, dass Tomio Okamura mangels moralischen Fundaments nicht für eine politische Spitzenfunktion geeignet wäre

Wegen interner Meinungsverschiedenheiten stieg er dort aus und gründete 2015 die SPD, die später Teil der Rechtsaußen-Fraktion „Identität und Demokratie" im Europäischen Parlament wurde – neben Frankreichs Rassemblement National, der österreichischen FPÖ und der AfD. Mittlerweile sitzt die SPD mit der AfD in der nicht weniger extremen Fraktion „Europa der Souveränen Nationen“. In Tschechien wurde die Partei mit Ergebnissen um die zehn Prozent mittlerweile zum festen Bestandteil des politischen Systems. Zuletzt forderte sie lautstark einen Austritt aus EU und Nato. Dazu wird es als Juniorpartner im neuen Regierungsbündnis zwar nicht kommen, denn das ginge selbst dem europaskeptischen Premier Babiš zu weit. Dass Okamura dessen ANO vor sich hertreiben wird, daran besteht jedoch kein Zweifel. Auch der Parlamentsvorsitz, ein im Regelfall überparteilich und mäßigend ausgeübtes Amt, wird ihm dabei nicht hinderlich sein – im Gegenteil. Florian Bayer, Wien

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1 Kommentar

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  • Ich find’s sehr wichtig, dass über die politische Situation in Tschechien geschrieben wird. Ich verstehe auch, dass man manchmal Sachen vereinfachen muss. Aber trotzdem: 1) Es gibt einfach keinen "Parlamentspräsidenten" in Tschechien. Das tschechische Parlament besteht aus dem Abgeordnetenhaus und dem Senat. Der Vorsitzende des Senats ist seit 2020 Miloš Vystrčil, der Vorsitzende des Abgeordenetenhauses seit ein paar Tagen der im Artikel erwähnte Tomio Okamura. Er leitet also "nur" eine der beiden Parlamentskammern. 2) Es stimmt nicht, dass "[s]eit Kurzem […] in Prag die Rechts-Koalition aus Andrej Babiš' ANO, Okamuras SPD und der Motoristen-Partei an der Macht [ist]." Sie haben zwar eine Mehrheit im Abgeordenetenhaus und werden voraussichtlich die nächste Regierung bilden, aber "an der Macht" ist aktuell immer noch die Regierung von Petr Fiala.