Rechtsruck bei Lokalwahlen in Brasilien: Schwulenhasser wird Bürgermeister
Künftig führt ein evangelikaler Ex-Pastor die Geschicke von Rio de Janeiro – für Experten ein Zeichen für das Wiederaufkommen des Sozialkonservatismus.
Rio de Janeiro war eine von insgesamt 57 Städten in Brasilien, in denen am Sonntag kommunale Stichwahlen stattfanden. Die Arbeiterpartei PT der kürzlich abgesetzten Präsidentin Dilma Rousseff konnte bei den Stichwahlen kein einziges Rathaus für sich entscheiden, wie die Zeitung O Globo in ihrer Onlineausgabe berichtete. Zumeist setzten sich konservative Kandidaten durch. Die liberalkonservative PSDB setzte sich bei 14 Stichwahlen durch. Damit regiert die Partei von Außenminister José Serra in 28 Städten, die mehr als 200.000 Einwohner haben.
Crivella hatte sich schon bei früheren Rennen um Bürgermeister- und Gouverneursposten zur Wahl gestellt, war jedoch gescheitert. Zuletzt sahen Umfragen ihn jedoch als klaren Favoriten der Cariocas, wie die Einwohner von Rio genannt werden.
„Ich bete zu Gott, dass mein öffentliches Leben, so steinig es auch gewesen sein mag, allen Cariocas lehren kann, dass unsere Zeit immer dann kommt, wenn wir nicht aufgeben“, erklärte Crivella am Sonntag vor Anhängern.
Der 59-Jährige ist der Neffe von Edir Macedo, einem Unternehmer und Gründer der Freikirche Igreja Universal do Reino de Deus. Sie gilt als die größte Kirche innerhalb der Pfingstbewegung in Brasilien. Obwohl das Land noch immer den größten Anteil der Katholiken weltweit hat, bekommt die evangelikale Szene dort immer mehr Zulauf: Einer von fünf Einwohnern des 200-Millionen-Einwohnerlands gehört der Bewegung inzwischen an.
Unreine Geister
Der für religiöse Popsongs auf YouTube bekannte Crivella zog mit harschen Aussagen über Homosexuelle, Katholiken sowie Anhänger von animistischen Religionen aus Afrika allerdings viel Unmut auf sich. In einem Buch, das er nach einem Missionseinsatz in Afrika schrieb, heißt es etwa, Schwule seien Opfer eines „schrecklichen Übels“, die Römisch-Katholische Kirche „lehrt dämonische Doktrinen“ und der Hinduismus und afrikanische Religionen beherbergten „unreine Geister.“
Den Triumph Crivellas in der für freizügige Strandkultur und quirlige Karnevalsparaden bekannten Metropole am Zuckerhut werteten Beobachter als Ausdruck einer zunehmenden Hinwendung zum Konservatismus. Gegen die etablierten linksgerichteten Parteien richtet sich inmitten der schlimmsten Rezession seit Jahrzehnten hingegen ein weit verbreiteter Unmut. Nach der Amtsenthebung von Dilma Rousseff als Präsidentin Ende August hatte die sozialistische Arbeiterpartei nach 13 Jahren in der Verantwortung den Machtverlust hinnehmen müssen.
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