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Rechtsreform in SpanienGeteiltes Tierrecht

Spanien hat die Rechte von Hunden, Katzen und anderen Freunden des Menschen gestärkt. Den Papst hat allerdings niemand nach seinem Segen gefragt.

In Spanien sind Haustiere nun bald womöglich Teil des Ehevertrags Foto: Nikita Teryoshin

Madrid taz | „¡Ai, qué cosa más bonita!“ – „Ach, was für ein schönes Ding!“, rufen die Spanier gerne aus, wenn sie einen süßes Kätzchen oder einen knuddeligen Hund sehen. Damit ist jetzt – zumindest rein rechtlich – Schluss. Denn seit Dienstag sind Tiere keine Dinge mehr. Eine Reform des Zivilrechts sowie des Hypothekengesetzes spricht ihnen nun den Status eines „fühlenden Wesens“ zu. Sie haben als solche Würde und gehören zur Familie. Deshalb dürfen die Haustiere fortan nicht verpfändet, verlassen, misshandelt oder von einem ihrer Eigentümer getrennt werden.

„Es ist ein moralischer Sieg in einem Land, in dem jedes Jahr mehr als 200.000 Tiere ausgesetzt werden“, sagte ­Juantxo López de Uralde, ehemaliger Greenpeace-Chef in Spanien und nun Angeordneter von Unidas Podemos (UP), dem links­alternativen Juniorpartner in der Regierungskoalition unter dem Sozialisten Pedro ­Sánchez. Die Reform geht auf eine Ini­tia­tive der UP zurück. Sie ist der erste Schritt hin zu einem „Gesetz zum Tierwohl“, das die UP ausgearbeitet hat.

Es soll in den nächsten Monaten dem Parlament vorgelegt werden. Es besagt, dass nur die Züchter selbst mit Tieren handeln dürfen. Tierheime sollen nicht zu vermittelnde Tiere nicht mehr einschläfern dürfen. Und natürlich geht es um Gewalt gegen Tiere. Genau hier wird Spaniens Rechte hellhörig. Die rechtsextreme Vox stimmte gegen die am Dienstag in Kraft getretene Reform. Sie sei „Unsinn“. Denn die „Tiere werden vermenschlicht, und der Mensch wird entmenschlicht“, erklärte ein Sprecher der neofranquistischen Partei und drittstärksten Kraft im spanischen Parlament.

Die konservative Partido Popular (PP) stimmte dieses Mal zu, aber kündigte bereits an, dass dies bei weiteren Maßnahmen nicht unbedingt so sein werde. Denn was dem einen Gewalt gegen Tiere und Misshandlung ist, ist dem anderen Brauchtum. „Geben Sie nicht dem extremistischen Druck ihrer Partner nach, die unsere Tradition, unsere Kultur, unsere ländliche Welt angreifen“, richtete sich eine Sprecherin der PP an Premier Sánchez. Neben dem Stierkampf meint die PP mit „ländlicher Welt“ wohl die Jagd.

Und die Kirche?

Ein Großteil der 2020 ausgesetzten 258.300 Tiere sind Hunde, viele davon Jagdhunde, die zu alt und zu schwach geworden sind, um ihren Job befriedigend zu erfüllen. Vor allem Windhunde werden immer wieder gefunden: misshandelt und oft gar mit Schlingen erhängt. Einige haben Glück und landen in der Stadt. Urbane Gutmenschen adoptieren sie gerne. Je gentrifizierter der Stadtteil, umso mehr Paare mit Windhunden gibt es. Was aber, wenn sich die „Papis“, wie die Spanier die Hundebesitzer nennen, trennen? Bei wem bleibt dann das Symbol für das große, tierliebe Herz? Auch hier hat die am Dienstag in Kraft getretene Reform eine Antwort.

Scheidungsgerichte müssen sich fortan nicht mehr nur um die gemeinsame Wohnung oder um die Sprösslinge kümmern, sondern auch um die „fühlenden Wesen“. Nach einer Scheidung haben beide Teile das Recht, abwechselnd mit dem geliebten Tier – egal welcher Art – Zeit zu verbringen. Wenn eine der Konfliktparteien nachweislich das Tier quält, kann ihr das Sorgerecht entzogen werden. Verkauft kann das Tier nur dann werden, wenn alle Co-Eigentümer dem zustimmen.

Und, wie immer, die Kirche hat mal wieder keiner gefragt. Als hätte er Spaniens Linksalternative – deren Sprecherin in der Regierung, Arbeitsministerin Yolanda Díaz, kürzlich im Vatikan zur Audienz war – im Sinn, nahm sich Papst Franziskus des Themas Haustiere an. „Viele Paare haben keine Kinder, weil sie nicht wollen, oder sie haben nur eins – aber sie haben zwei Hunde, zwei Katzen“, beklagte der 85-Jährige. Haustiere nähmen oft den Platz von Kindern ein. „Ein Kind zu bekommen ist immer ein Risiko, ob auf natürlichem Wege oder durch Adoption. Aber es ist riskanter, keine zu bekommen“, sagte der Papst. Ob Franziskus Haustiere hat, ist nicht bekannt.

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2 Kommentare

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  • Hoffentlich behandeln die Spanier:innen von nun an auch ihre Schweine besser. In manchen Gegenden werden diese einfach getötet und aufgegessen. Brutal!

  • Mich hat immer schon der Umgang vieler Spanier mit Ihren Tieren gestört.

    Ein Hund, der ausschließlich auf einem 2m² großen Balkon gehalten wird und mittlerweile komplett neurotisch ist, Hunde die im Käfig sind und diesen nie verlassen, Hunde an der Kette sind die kaum 1 Meter lang ist und sich gerade mal im Kreis drehen können.

    Viel zu oft werden hier die Hunde als wartungsarme Alarmanlage genutzt und die Besitzer gehen nie mit diesen spazieren.

    Bleibt abzuwarten, wie es umgesetzt wird.

    Alleine schon beim Satz "Tierheime sollen nicht zu vermittelnde Tiere nicht mehr einschläfern dürfen." ist mir ein riesen Stein vom Herzen gefallen.

    Unser Hund stammt aus einem Tierheim in Teneriffa, ein wunderschöner Labrador/ Podenka (o. ä.) Mischling. Er wurde zusammen mit seinen Geschwistern in einer Mülltüte gefunden.