piwik no script img

Rechtsradikale Grundschullehrerin in speNationale Erziehung

Eine rechte Kommilitonin treibt Studierende der Uni Bremen um. Was tun, wenn Menschen mit völkischer Ideologie Grundschullehrer*innen werden wollen?

Das ist nicht Brunhilde F.. Aber eine andere „völkische Siedlerin“, fotografiert am Rande eines NPD-Festes in Lübtheen Foto: Otto Belina

BREMEN taz | Der Fall einer rechten Kommilitonin beschäftigt die Studierenden an der Uni Bremen. Wie soll man mit dieser Frau umgehen? Und beeinflusst ihre Ideologie den von ihr angestrebten Beruf als Grundschullehrerin?

Angestoßen wurde die Diskussion in der vergangenen Woche. Große Zettel klebten morgens an den Türen der Büros in der Etage der Studierendenvertretung AStA. Sie lagen auch auf den Tischen im Fachbereich der Informatik, hingen vereinzelt an den Wänden. „Völkisch – Nationalistisch – Rechtsradikal“ stand darauf, darunter ein Foto von Brunhilde F.*.

Die Enddreißigerin F. ist an der Uni Bremen Studentin für das Grundschullehramt, war dort unter anderem als Tutorin für Mathematik tätig. Bislang war sie eine unauffällige Lehramtsstudentin aus der Nähe von Cuxhaven, die höchstens mal durch altmodisches Äußeres auffiel.

In den anonymen Schreiben wird ihr vorgeworfen, seit Jahrzehnten Teil der extrem rechten Szene zu sein. Sie habe etwa Kontakte zur NPD oder der völkisch-nationalen Jugendorganisation „Sturmvogel“, einer Abspaltung der verbotenen Wiking-Jugend.

Aber ist das ihre private Angelegenheit? Vorwürfe wie die gegen F. sind keine Einzelfälle. Rechtsorientierte Frauen wenden sich entsprechend dem politischen Rollenverständnis besonders häufig pädagogischen und sozialen Berufen zu. „Erziehung ist eine nationale Lebensaufgabe“ hatte die Zeitung der NPD Frauen und Mütter regelrecht dazu aufgerufen, wenn nicht als Hausfrau, dann als Erzieherin oder Lehrerin zu arbeiten.

NPD sieht Erziehung als nationale Lebensaufgabe für Frauen und Mütter

Brunhilde F. bewegt sich nachweislich schon lange in der braunen Szene. Sie und ihr Ehemann werden wie die Familie ihrer Schwester zu einem großen verborgenen Netzwerk der „völkischen Siedler“ gerechnet.

Deren Anhänger eint ein naturreligiöses und biologistisches Weltbild, die Ablehnung einer weltoffenen Gesellschaft. Die Frauen verstehen sich vor allem als politische Gefährtinnen an der Seite ihrer Ehemänner und als „Volksmütter“, die ihre Kinder im Sinne ihrer Ideologie erziehen. Das Ziel der „Völkischen“ ist der Aufbau einer homogenen deutschen „Volksgemeinschaft“.

Für Irina Kyburz aus dem Vorstand des AStA der Uni Bremen klingen die Vorwürfe gegen F. „gruselig“. Es sei „mehr als relevant“, wenn eine Kommilitonin und zeitweilige Tutorin so ein Weltbild habe. So etwas dürfe nicht hinter verschlossenen Türen bleiben, sagt Kyburz. „Solch eine politische Einstellung ist keine Privatsache, eben weil sie als Lehrerin vor Kinder trete.“

Dass sie „schockiert“ seien, sagten auch einige Mitglieder der Studierendenvertretung aus F.s Grundschullehramtsstudiengang. Nach Ansicht der Studiengangsvertreter_innen steht die Vorstellung, womöglich eine „völkisch-nationale Weltvorstellung“ mit in den Unterricht einzubeziehen, „im Widerspruch zum Verständnis einer offenen, toleranten Lehrer_innenrolle“. Sie suchten das Gespräch mit dem Fachbereich und der Grundschulwerkstatt, wo F. auch aktiv ist.

Braune Gedankenwelt

Mit der braunen Gedankenwelt konfrontiert ist F., seit sie ein Kind war. Ihre Mutter, Edda Schmidt, ist eine der bekanntesten Frauen der NPD. Sie gilt als Expertin für Rasse-Ideologie, Brauchtum und völkische Feiern. Frauen stehen in ihren Augen als Mütter mit mehreren Kindern im „politischen Einsatz“, weil sie „für den Fortbestand unseres Volkes sorgen“. Schmidt verkündete vor Jahren, dass alle ihre Kinder und Enkel „im nationalen Lager“ seien.

Auch F.s Großeltern blieben bis zu ihrem Tod Anhänger des Nationalsozialismus. F.s Großvater, Sepp Biber, war Angehöriger der SS-Division „Hitlerjugend“, radikalisierte nach dem Krieg Jugendliche in der militanten Wiking-Jugend, die 1994 verboten wurde. An der Beisetzung Bibers nahmen 2016 in Salzgitter bekannte Neonazis teil, da­runter auch Henrik Ostendorf aus Bremen.

Tanz mit den „völkischen Siedlern“

1995 notierten Polizeibehörden, dass Mutter und Tochter an einem Liederabend der „Europabruderschaft Arminia zu Zürich“ in Heidelberg teilnahmen, wo SS- und NS-Material angeboten wurde. Drei Jahre später waren sie beim Bundeswahlkongress der NPD. Brunhilde und ihre ältere Schwester Magda* besuchten die Lager der Jugendorganisation „Sturmvogel“. Diese hatte ihre Mutter mitgegründet, nachdem es internen Ärger in der Wiking-Jugend gab.

Und heute? Als sich Ende April 2016 rund 200 Anhänger der Bewegung der „völkischen Siedler“ in Edendorf bei Uelzen in einer abgelegenen Scheune zum alljährlichen Mai-Tanz trafen, nahm auch F. daran teil – wie die anderen in Dirndl und mit Zopffrisur. Gemeinsam tanzten Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung, ein AfD-Politiker aus Lüneburg oder der Landesvorsitzende der NPD in Mecklenburg-Vorpommern.

Brunhilde F. wollte sich auf Anfrage der taz nicht zu den Vorwürfen äußern.

*Namen geändert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • "Lehrer sind nun einmal konservativ."

    Was?!

    ich dachte nur PsychotherapeutInnen, weil die meisten von ihnen einen dazu anhalten sich in die gesetzten Grenzen einzufügen.

     

    Was würde nach dem Staatsexamen der Radikalenerlass dazu sagen?

     

    Lübtheen!

    Lübtheen!

    hat 10,93% NPD-Wählerstimmen bekommen bei der Kommunalwahl 2014

    und das bei 4800 EinwohnerInnen.

     

    Unterricht hat heute viel zu tun mit Respekt, Wertschätzung, Interesse an Vielfalt.

    Keine Nazis an Schulen, Kitas und Unis!

  • Es zeigte sich aber in einem gynäkologischen Gutachten, dass Frau Brunshilde F. unfruchtbar war und deshalb von der Deutschen Arier-Gemeinschaft ausgeschlossen werden musste.

    So nahm das Schicksal des Volkstodes seinen Lauf.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Als wenn es an deutschen Schulen nicht schon AfDler und Nazis zu Dutzenden gäbe.

    Selbst der Mathelehrer meiner Tochter wurde auf dem AfD Parteitag gesehen. Aber ist nett. Lehrer sind nun einmal konservativ. An staatlichen Schulen kann man die größten Extremisten vielleicht noch kontrollieren, an Privatschulen, die überall wuchern ist das teilweise Erziehungsauftrag, weil die besserverdienenden Eltern sich zwar Putzfrauen aus der dritten Welt wünschen, deren Kinder aber nicht an der Schule haben wollen.

  • "Deutsche Grundschulen sind schließlich auch keine Inseln der Glückseligkeit."

     

    Ja - aber Ideologien haben dort nichts zu suchen meine ich.

     

    Frühkindliche Ideologisierung ist für eine offen Gesellschaft Gift.

  • "Das kommt dabei raus, wenn man als Qualifikation für Lehrer nur noch die Kopfbedeckung debattiert. "

     

    Ja stimmt!

    - aber von sowas kommt auch sowas. Alles extreme sollte rausgehalten werden aus den Schulen.

  • Das kommt dabei raus, wenn man als Qualifikation für Lehrer nur noch die Kopfbedeckung debattiert.

    Es ist dringend angebracht, dass auch das Wissen und die Entwicklung von Grundschülern regelmäßig überprüft wird, damit man erkennen kann, wo unfähige Lehrkräfte sitzen. Soweit mir die Prüfungen und Einstellungsvoraussetzungen für Lehrkräfte bekannt sind, ist dies so nicht zu erkennen, wie gut die Werte vermitteln können oder manipulieren. Am besten wären ansonsten immer 2 Lehrkräfte gleichzeitig.

  • Zitat: „Dass sie „schockiert“ seien, sagten auch einige Mitglieder der Studierendenvertretung aus F.s Grundschullehramtsstudiengang.“

     

    Wie jetzt? Haben diese Mitglieder der Studierendenvertretung ernsthaft angenommen, sie würden auf einer Insel der Glückseligen studieren?

     

    „Der Begriff Schock bezeichnet in der Medizin ein lebensbedrohliches Zustandsbild“, so steht es im Lexikon. Wie instabil muss ein Grundschullehramtsstudiengang sein, um sich von einer einzigen rechtsextremen Studentin in seiner Existenz bedroht zu fühlen? Ich meine: Fühlen sich diese Menschen, die Horden Sechs- bis Elfjähriger auf den rechten… - äh: richtigen Pfad führen wollen, tatsächlich derart überfordert von einer einzelnen Mitstudentin? Wenn ja – wieso?

     

    Sie soll „ein naturreligiöses und biologistisches Weltbild“ haben, die „weltoffene[] Gesellschaft“ ablehnen und sich „als politische Gefährtin[]“ bzw. „Volksmtter“ verstehen, die „Kinder im Sinne ihrer Ideologie erzieh[t]“ und den „Aufbau einer homogenen deutschen ‚Volksgemeinschaft‘“ anstrebt. Ihre „völkisch-nationale Weltvorstellung“ steht angeblich „im Widerspruch zum Verständnis einer offenen, toleranten Lehrer_innenrolle“. Außerdem hat sie Familie. Aha. Und weiter?

     

    Ich meine: Wendet die Frau körperliche oder seelische Gewalt an? Ist sie irgendwie ansteckend? Muss man sich also von ihr fern halten? Oder haben die Leute, die sie anonym an einen öffentlichen Pranger stellen müssen, womöglich nur Versagensängste?

     

    Klar, wer sich sagt, dass man eine wirklich überzeugte Rechte nicht umkrempeln kann, der braucht es gar nicht erst versuchen. Der läuft auch nicht Gefahr, zu scheitern. Nur: Er ist bereits gescheitert. Und zwar ohne Not. Von einer offenen, toleranten Lehrer_innerolle brauchen mir solche Leute gar nichts zu erzählen. Dass sie der Verantwortung, die auf sie zukommt nach dem Ende ihres Studiums, gewachsen sind, glaube ich solchen Leuten nicht. Deutsche Grundschulen sind schließlich auch keine Inseln der Glückseligkeit.

    • @mowgli:

      Ja, leider ist ansteckend. Besonders hohe Ansteckungsgefahr besteht bei Kindern. Würde sie einen einsamen Bürojob anstreben, so wäre die Ansteckungsgefahr für Kinder als eher gering einzustufen.

  • Hmmm ... also waren evtl. die Berufsverbote für radikal-verfassungsfeindliche Lehrer in den 70ern doch nicht so falsch gedacht? Oder sind die nur für Extreme an einem der beiden Ränder grundfalsch, aber grundsätzlich richtig für den anderen Rand?

    • @TheBox:

      Gute Frage.

      Ich hatte persönlich einen Lehrer der deshalb von der KPD zur SPD wechselte.