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Rechtskonservative formieren sich neuAngekommen in der „AFDP“

Die AfD eröffnet ihren Europawahlkampf im Haus der Bundespressekonferenz mit einem neuen, alten Gesicht: Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel.

Bernd Lucke (li.) und Hans-Olaf Henkel wollen mit der AfD ganz oben mitmischen Bild: reuters

BERLIN taz | Er mache jetzt den „Geisterfahrer“, sagt der Mann mit der violetten Krawatte und dem hochroten Kopf. In der Regel wechselten ja Politiker in die Wirtschaft. Er, Hans-Olaf Henkel, Ex-BDI-Chef, gehe jetzt mal den umgekehrten Weg: als Ökonom rein in die Politik. Und in was für eine. Henkel gehört jetzt zur Alternative für Deutschland (AfD). Den rechtskonservativen Politneulingen, den Eurobekämpfern.

Henkel lächelt über seinen kleinen „Geisterfahrer“-Scherz. Es wirkt fast wie ein Aussetzer, so staatstragend gibt sich der 72-Jährige sonst. Mit AfD-Chef Bernd Lucke sitzt er am Dienstagnachmittag in einem kleinen Nebenraum des großen Bundespressekonferenz-Klotzes, vis-à-vis des Bundestags. Es ist der Auftakt zum Europawahlkampf der Antieuropäer. Und Lucke und Henkel machen keinen Hehl daraus, wer dort die AfD anführen soll: Lucke und Henkel.

Ende Mai wird das EU-Parlament gewählt. Die AfD ist nicht chancenlos. 4,7 Prozent holte sie bei der Bundestagswahl, fürs EU-Parlament reichen 3. In anderthalb Wochen will die Partei ihre Spitzenkandidaten wählen.

Die AfD, sagt Henkel, die Hände gebetsgleich gefaltet, die Daumen rotierend, sei hierzulande die einzige Alternative zur „Einheits-Europolitik“. Keine andere Partei habe ihn bisher so überzeugt. Deshalb der Beitritt.

Dann startet Henkel sein Thesengewitter, das er in den letzten Jahren landauf, landab, in Talkshows und Büchern kundtat. „Scheitert der Euro nicht, scheitert Europa.“ Zur Bankenunion gebe es von ihm „ein klares Nein“. Und der deutschen Gesellschaft fehle die Reife, selbstauferlegte Tabus zu brechen. Das Ende des Euro etwa.

Lucke sitzt sachte nickend daneben. Dann preist er den Parteineuling als „Persönlichkeit, die ihresgleichen sucht“. Henkel revanchiert sich: Der Parteichef sei ein „Ehrenmann“, den es „in der deutschen Geschichte lange nicht gegeben hat“.

„Sprache des Sürmers“

Der Freudengesang täuscht über den Zustand der Partei hinweg. Seit der Bundestagswahl toben ideologische Grabenkämpfe. In Hessen musste zuletzt gleich dreimal ein Parteitag einberufen werden, weil sich der Vorstand zerlegte oder mit Tönen auftrat, die selbst AfD-Vize Alexander Gauland als „Sprache des Stürmers“ beschrieb.

Ob Henkel nach Lucke zum zweiten Heilsbringer der AfD taugt, ist fraglich. Die Partei begleitete er seit der Gründung, butterte 10.000 Euro in den letzten Wahlkampf. Henkels Sympathien aber sind volatil.

Nur zwei Jahre ist es her, da saß Henkel schon einmal in der Bundespressekonferenz – und verkündete den „Freien Wählern“ seine Unterstützung. Zuvor stellte er sich auf die Seite der Eurogegner in der FDP. Mehr als einmal verholpert sich Henkel auf der Pressekonferenz, nennt seine neue Partei „AFDP“ oder gleich FDP. Fraglich, wie lange es der einstige „Wirtschaftspapst“ in Brüssel aushält, würde er im Mai tatsächlich gewählt.

Lucke mahnt gemach an: Es seien die Mitglieder, welche die Europaliste bestimmten. Von jeher preist er die AfD als „Partei der Mitbestimmung“. Henkel macht dennoch klar, dass er den Spitzenplatz „für den Parteivorsitzenden“ wünsche. Und für sich selbst? „Platz zwei, drei, so was.“

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8 Kommentare

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  • AG
    ALI G

    NA dann ist die AfD ab JETZT nicht mehr wählbar, war doch der werte "rechtskonservative" Olaf Henkel in den USA als rassistischer Brunnenvergifter in die Öffentlichkeit getreten, als er meinte, die Finanzkrise sei durch Kredite an Schwarze und Latinos ausgelöst worden: Ein waschechter Rassist eben!

     

    Schade eigentlich....

  • HB
    Harald B.

    Herr Henkel hat seinen Standpunkt revidiert und gesehen, dass der Euro in der jetzigen Form nicht funktionieren kann. Was ist daran schlecht, was ist daran rechts? Einer der klügsten Köpfe der Linken, Oskar

    Lanfontaine hat das auch gesehen. Wann werden das die Politiker unserer anderen Parteien endlich sehen?

    Ein ehrlicher Blick nach Griechenland würde schon helfen.

    • G
      gast
      @Harald B.:

      Das sollten nicht nur endlich die Politiker sehen, sondern auch die Bevölkerung, es sind ja so viele von dem Euro begeistert.

       

      Hr. Henkel, Hr. Lafontaine haben es erkannt, sondern auch Dirk Müller in seinem Buch Showdown.

      Sehr gut erklärt, für jeden verständlich was uns der Euro somit uns deutschen Bürgern eingebrockt hat. Dann auch die Folgen der aufgezwängten Sparmaßnahmen in Griechenland, Spanien usw.

      Wen es in Deutschland am schlimmsten getroffen hat sind die Rentner, was hier wenig beachtet wird, sondern nur immer das Sommerloch als Schlagzeile überbrücken helfen.

  • D
    D.J.

    Naja, ich denke, die heutige AfD ist tatsächlich (leider)weit eher konservativ als liberal, je nach Standpunkt meinetwegen auch rechtskonservativ. Der Begriff ist jedenfalls ohne Zweifel weit sinnvoller als die Hohlphrase vom "Rechtspopulismus".

  • Die "Alternative" - eine "Partei der Mitbestimmung"??

     

    Guter Witz.

     

    Nicht mal im Bezug auf das Wahlprogramm durften die Mitglieder auf dem Gründungsparteitag ernsthaft mitbestimmen:

     

    http://www.n-tv.de/politik/AfD-verschiebt-die-Diskussion-article10470446.html

  • A
    Ansi

    Welche Positionen aus dem Programm machen die AFD denn zur rechtskonservativen Partei? Mal an die Redaktion gefragt.

  • AI
    AfD ist wichtig

    So ein Quatsch! Die Afd ist konservativ, aber nicht rechts im Sinne wie es die Linken verstehen, die das wohl gerne proklamieren möchten.

    Europagegner sind dei Vertreter der AfD auch nicht, aber immerhin gegen den Euro und gegen das was die EU in zunehmenden Maße auf selbstherrliche Weise verbockt, indem sie sich in die gesetzlichen Regelungen der EU-Staaten einmischt und meint, ein absolut richtiges Gremium für Staaten zu sein, die unterschiedlich regiert werden.

    Wozu haben wird denn noch demokratische regeln, Wahlen und Abstimmungen, wenn die EU unter ständig wechselnden Vorständen mal dies und mal das "befiehlt"? sind die EU-Staaten kleine unmündige Kinder, die erst lernen müssen, was Europa ist?

    Ich für meinen Teil bin froh, dass es politische Neuparteien gibt, die sich diesem Spuk entgegenstellen. Auch die Linke kritisiert die EU, ist das nicht bekannt?

    Ich fürchte nicht die Kritiker der EU, ich fürchte die Machtanmaßung der EU, die ohne historisches Denken meint machen zu könne was sie will. Die EU ist der wahre Kritikpunkt in unserer Zeit.

    Meine Stimme bei den nächsten Wahlen gilt der AfD.

  • M
    Marti

    Auch wenn es tausendmal von den Medien verbreitet wird, die Leute von der AfD sind "Antieuropäer", sondern Leute die verhindern wollen, dass durch die völlig verkehrte Euro-"Rettungs"-Politik die EU an die Wand gefahren wird.

     

    Man muss sich immer wieder klar machen, dass die jetzige Euro-Politik keineswegs dazu führt, dass beispielsweise die Griechen die Solidarität der Deutschen schätzen und dafür dankbar sind, ganz im Gegenteil, die Deutschen werde dafür gehasst und mit Nazi-Vergleichen überzogen.

     

    Die jetzige völlig verkehrte Euro-Politik führt nicht nur wirtschaftlich in den Ruin, sie hetzt auch die europäischen Völker gegen einander auf.

     

    Wer für eine sinnvolle und funktionierende EU ist, muss den jetzigen Euro-Wahnsinn so schnell wie möglich beenden.