Rechtsgutachten: Versprochen ist versprochen
Berlin ist verpflichtet, die Zuständigkeit für die Flüchtlinge von Oranienplatz und Hauptmann-Schule von anderen Bundesländern zu übernehmen.
Die Integrationsbeauftragte Monika Lüke hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, das Innensenator Frank Henkel (CDU) widerspricht: Zusagen des Senats an die Flüchtlinge von Oranienplatz und Gerhart-Hauptmann-Schule sind sehr wohl verbindlich, lautet die Schlussfolgerung des Gutachters Andreas Fischer-Lescano, Juraprofessor an der Universität Bremen.
Viele Flüchtlinge waren ursprünglich in einem anderen Bundesland registriert, bevor sie zum Protestcamp auf dem Oranienplatz oder zur Gerhart-Hauptmann-Schule kamen. Dabei sind Flüchtlinge eigentlich verpflichtet, in ihrem Bundesland zu bleiben. Doch Berlin kann die Zuständigkeit für sie übernehmen. In dem „large:Einigungspapier“ zwischen Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) und Flüchtlingsvertretern wurde eine „umfassende Prüfung der Einzelfallverfahren“ auch in Hinblick auf „Anträge auf Umverteilung“ von einem anderen Bundesland nach Berlin zugesagt.
Henkel schrieb im April in einem Brief an die Innenminister der anderen Bundesländer und des Bundes: Es sei keinesfalls so, dass Berlin „einer länderübergreifenden Verteilung faktisch zugestimmt hätte. Vielmehr wird nach den auch sonst üblichen Kriterien einzelfallbezogen entschieden werden“.
Der taz veröffentlicht an dieser Stelle exklusiv das Gutachten von Fischer-Lescano für die Integrationsbeauftragte Lüke, das zu einem anderen Schluss kommt: Die Flüchtlinge haben einen verbindlichen Rechtsanspruch darauf, dass das Land Berlin die Zuständigkeit für sie übernimmt. Dieser Anspruch ergibt sich für einige Gruppen der Flüchtlinge aus dem Inhalt des Einigungspapiers, für andere auch daraus, dass die Flüchtlinge schon so lange in Berlin geduldet wurden.
Die endgültige Entscheidung darüber, wie verbindlich die Zusagen sind, fällen allerdings weder der Innensenator noch ein Gutachter, sondern Richter. Wenn der Senat sich nicht an seine Zusagen hält, müssen die Flüchtlinge vor dem Verwaltungsgericht klagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Syrischer Ex-Diktator im Exil
Assads armseliger Abgang
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken